Gedanken Beobachten - was ist das?

Hallo zusammen,

ich hoffe, dass ich in diesem Forum richtig bin, denn es handelt sich um ein Thema, das auch Religion, Selbstfindung noch weitere Bereiche betrifft.

Grund für meine Anfrage ist Jiddu Krishnamurti. Seine Werke handelten von Freiheit und Liebe.

Um die Freiheit zu erreichen müssen wir den Denkprozess in uns verstehen, was wiederum durch urteilsfreie Beobachtung der Gedanken möglich ist.

Sicherlich ist das nur eine sehr kurze Beschreibung von Krishnamurti und seinen Aussagen, aber ich denke es genügt für die Fragestellung dieses Threads.

Wie ist es überhaupt möglich seine Gedanken zu beobachten? Ist es möglich diese Beobachtung willentlich zu erreichen? Mir kommt es häufig so vor als würden die Urteile in mir so schnell hochkommen, dass ich gar nicht mehr beobachten kann? Oft weiss ich ebenfalls gar nicht, ob ich beobachte oder nicht. Ob sich evtl. ein Urteil unbewusst festgesetzt hat ohne, dass ich es bemerke.

Deshalb nun die Frage: Was ist überhaut Beobachtung von Gedanken bzw. wie geht das?

Gruß

Alex

Moin Alex
Ich habe Krishnamurti ebenfalls gern gelesen. Mit seinem „Gedanken beobachten, ohne gleich zu werten“ befindet er sich ja meiner Ansicht nach in guter Gesellschaft von Sigmund Freuds Idee des „freien Assoziierens“ beim Analysanden und der dazu passenden „freuischwebenden Aufmerksamkeit ohne zu Werten“ des Analytikers. Und er befindet sich ebenfalls in guter Gesellschaft einiger Zen-Meister, die ähnliches gesagt haben wie Krishnamurti eben.
Es hört sich vielleicht für dich im ersten Moment schwerer an, als es ist. Probiere es doch -entweder für dich allein- oder, was besser funktioniert, in einem konseuqent übenden Verfahren wie Zazen oder Psychoanalyse aus!
Es grüßt dich
Branden

Hallo Branden,

mal interessant über den Tellerrand zu blicken. Wusste gar nicht, dass es so etwas ähnliches auch als Bestandteil in der Psychoanalyse gibt.
Es ist schon schwierig. Ich machte ja selber auch Zazen, habe aber dann aufgehört, da ich nur zu gern mich in die Zazen-Meditation flüchtete. Meiner Meinung nach muss urteilsfreie Beobachtung im Alltag stattfinden. Alles andere ist doch noch Flucht davor.

Gruß

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Es gibt etwas Ähnliches in der Philosophie von Edmund Husserl, das man mit dem Begriff „epoché“ bezeichnet. Gemeint ist damit, dass man „einen Schritt zurück geht“ von allen Formen des existentialen Eingemischtseins (wie etwa Wünschen, Hoffen, Nützlichkeitsüberlegungen, Ängste etc.). Man versucht dabei die Dinge so wahrzunehmen, ohne eine wertende Stellungnahme abzugeben. Diese Einstellung soll es ermöglichen, die Dinge in Ruhe beschreiben zu können, so wie sie uns allein als Phänomen gegeben sind.

(Übrigens ist es generell ein Verfahren in der Philosophie, die Dinge, die Sprache, die Urteile, die Tatsachen etc. urteilsfrei zu untersuchen. Bevor man z.B. über Fragen nach Gott oder den freien Willen nachdenkt, untersucht man die Sprechweisen und Verwendungsweisen, die mit diesen Begriffen verknüpft sind.)

Was aber die Beobachtung von Gedanken betrifft, bin ich skeptisch. Gedanken treten letztlich wohl nur in sprachlicher Form auf - unausgesprochen oder ausgesprochen etc. Eine angemessene Beschreibung von Gedanken wäre demnach in einer Beschreibung der Sprache gegeben, also des Mediums, in dem die Gedanken auftreten.

Krishnamurtis Forderung, die Gedanken zu „beobachten“, kann ich nur als Metapher einen Sinn abgewinnen. Gedanken beobachten zu können, setzt voraus, dass Gedanken so etwas wie beobachtbare mentale Entitäten sind. Aber das ist unsinnig. Gedanken sind zu sehr an die Sprache geknüpft und deswegen würde ich Krishnamurtis Forderung, Gedanken zu beobachten, als eine Aufforderung zur Sprachanalyse auffassen.

Soweit meine Gedanken dazu.

Mit besten Grüßen!

Hallo,

Wie ist es überhaupt möglich seine Gedanken zu beobachten? Ist
es möglich diese Beobachtung willentlich zu erreichen? Mir
kommt es häufig so vor als würden die Urteile in mir so
schnell hochkommen, dass ich gar nicht mehr beobachten kann?
Oft weiss ich ebenfalls gar nicht, ob ich beobachte oder
nicht. Ob sich evtl. ein Urteil unbewusst festgesetzt hat
ohne, dass ich es bemerke.

Deshalb nun die Frage: Was ist überhaut Beobachtung von
Gedanken bzw. wie geht das?

Die Theorie dahinter ist, das Deine automatischen Gedanken Dein Erleben und damit Dein Handeln beeinflussen.
„Automatische Gedanken“ - weil nicht die Gedanken gemeint sind, die Du willentlich erzeugst oder die gerade im Fokus Deiner Aufmerksamkeit stehen - sondern die, die Dir Deine individuelle Welt „erzeugen“.

So hat der eine Angst vor dem Hund und der andere geht auf den gleichen Hund zu um ihn zu streicheln.

I.d.R. sind Konzentration und Meditation eine Möglichkeit Gedanken zu beobachten.
Du nimmst Dir also vor Deine Aufmerksamkeit für eine gewisse Zeit bewußt auf eine spezielle Sache (Wort=Mantra, Atem, Nichts, echtes Bild, Vorstellung, zählen bis 100.000, etc.) zu lenken und wach zu bleiben. Nur auf diese eine Sache und auf nichts anderes.
Während Du das tust wirst Du feststellen wie Du immer wieder abschweifst - an irgendwas denkst, tagträumst.

All diese Gedanken tauchen auf - und veranlassen Dich vielleicht zu Emotionen oder Taten - etwas „ganz Wichtiges“ fällst Dir ein - Du wirst euphorisch - oder traurig oder mußt unbedingt sofort aufhören zu meditieren weil Du dies oder das vergessen hast und unbedingt jetzt sofort erledigen mußt.
Du registrierst das - gibst den „Gedankenzwängen“ aber nicht nach sondern gehst immer wieder zu Deinem Meditationsgegenstand zurück.

Das ist Betrachtung von Gedanken.

Grüße
K.

Moin nochmal Alex

Wusste gar
nicht, dass es so etwas ähnliches auch als Bestandteil in der
Psychoanalyse gibt.

Es ist nicht nur ein Bestandteil, sondern eigentlich das Wesen(tliche) der analytischen Methode.

Es ist schon schwierig. Ich machte ja selber auch Zazen, habe
aber dann aufgehört, da ich nur zu gern mich in die
Zazen-Meditation flüchtete.

Ich habe auch Zazen aufgegeben, aber eher, weil mir die Körperhaltung nicht liegt. Ich finde die analytische Couch-Lage besser zum meditativen Assoziieren.
Gruß,
Branden

Erweiterungs-Vorschlag
Moin

Was aber die Beobachtung von Gedanken betrifft, bin ich
skeptisch. Gedanken treten letztlich wohl nur in sprachlicher
Form auf - unausgesprochen oder ausgesprochen etc.

Ich denke mal, man sollte diese Ideen entsprechend erweitern um Gefühle. Gedanken u n d Gefühle, die auftauchen, beobachten - das ist es in etwa auch, was wir in der Psychoanalyse machen.
Gruß,
Branden

Hallo Klaus,

die Konzentration auf etwas zu richten und immer wieder erneut darauf zu richten, ist mir bekannt. Aber irgendwie muss ich doch auch ohne dem gehen? Immerhin ist das nur eine Technik und im Alltag stetig auf etwas zu konzentrieren ist doch nicht wirklich Urteilsfrei, sondern eher ein Ausblenden der Urteile.

Gibt es ein Beobachten ohne Konzentration auf einen Gegenstand?

Gruß

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Hallo,

Gibt es ein Beobachten ohne Konzentration auf einen
Gegenstand?

„Training“ heißt das Zauberwort.
Wenn Du regelmäßig läufst, wirst Du im Alltag mehr Ausdauer haben.
Wenn Du regelmäßig meditierst werden sich die Effekte im Alltag einstellen.

Grüße
K.

Moin

die Konzentration auf etwas zu richten und immer wieder erneut
darauf zu richten, ist mir bekannt. Aber irgendwie muss ich
doch auch ohne dem gehen? Immerhin ist das nur eine Technik
und im Alltag stetig auf etwas zu konzentrieren ist doch nicht
wirklich Urteilsfrei, sondern eher ein Ausblenden der Urteile.

kann ich Klaus nur beipflichten. Üben, üben, üben. ‚nur‘ eine Technik ist viel zu negativ.
Es gibt auch x-Verschiedene Techniken um eine Sprache zu lernen, aber üben - das heisst sprechen - wirst du müssen und das ist bei allen ‚Techniken‘ auch gleich.

Dann gibt es natürlich noch das ‚Somebody Else’s Problem‘ (SEP)’ - da konzentriert man sich mehr oder weniger ‚daran vorbei‘ :wink:
Gruß…lux

Hallo,ich hoffe,ich bin willkommen.
Was K. sehr schön erklärt hat,funktioniert bestens als Einschlafhilfe.

Bis „10“ zählen ohne an irgendetwas zu denken.Sobald auch nur ein Gedanke kommt,das Zählen erneut beginnen. (selbstverständlich in Gedanken.)

Die Ruhe,die sich dann früher oder später einstellt, (Übung)
macht süchtig und lehrt, Wichtiges vom Nutzlosen zu trennen.

Schönen Abend noch