Das gesuchte Gedicht hat drei Strophen, in denen sich jeweil ein Vater Sorgen um die Sprachentwicklung seines Sohnes macht: Mal redet der Sohn nur Türkisch, obwohl er in Deutschland lebt, mal nur Deutsch, obwohl er Türke ist.
Habt ihr keine Ahnung, welches Gedicht ich meine, bin ich auch über andere literarische Texte (nicht Sachtexte) zur Zweisprachigkeit dankbar!
Vielleicht das hier auszugsweise zitierte Gedicht „Die zweisprachige Welt“ von Oral Yilmaz?
Gruß
Kreszenz
Ja, Danke! Das ist es!
Servus,
jetzt hab ich mir mal die Zeit genommen und das Lied von der Poschtkart’ üss’m Elsaß von François Brumbt vom Plattenspieler weg aufgeschrieben (der Text zur LP war auf einem Beiblatt oder auf dem Innencover gedruckt, das seit 1976 mindestens zwei Mal ersetzt worden ist). Es geht hier um ein Lied von einem wie die allermeisten Elsässer vollständig Zweisprachigen, in dem die beiden Sprachen Französisch und Nordelsässer Fränkisch zwei Sichtweisen ausdrücken, die François Brumbt 1976 beide teilte - als heimatverbundener „Schambadiss“ singt er in Elsässer Fränkisch, als junger aufsässiger Franzose Französisch. Diese beiden Seelen in einer Brust werden in dem Lied dargestellt als Dialog zwischen einem im Land gebliebenen Elsässer und seinem „ins Innere“ nach Frankreich weggezogenen Cousin. Tut mir leid um den Anfang der Zeile mit den Kühltürmen, den verstehe ich beim besten Willen nicht. Diese Kühltürme sind übrigens die vom AKW Fessenheim, wo damals schon die Brennelemente sozusagen am offenen Feuer gegrillt wurden.
Jetzt aber Bühne frei für François Brumbt - ich bin sicher, er wird mir die Sache mit dem Urheberrecht nachsehen und sich eher freuen, wenn man sich an seine „jours de gloire“ und seine erste Schallplatte erinnert:
Liewer Freind vum Innere,
I schick‘ Der e Poschtkart‘
Kannsch Dich noch erinnere
Vun mim Land un sinere Pracht?
Wann Dü jetz in Frankrich
Finschdri Daj verbringsch,
Isch ‘s Elsass immer do fir Dich
Un erfüellt Dir alli Wüensch!
Mon cher cousin, tu n’te foudrais pas de ma gueule,
Remballe un peu ta marchandise et tes sornettes,
Ta carte postale, elle est plutôt du genre bégueule,
Il serait temps de la reléguer aux oubliettes.
Ta cathédrale ploie sous les échafaudages,
Le gré des Vosges n’est plus rose à présent,
(….) le fonds sur ton image,
La silhouette des tours de refroidissement.
Liewer Freind, rej Di ned uff,
‘S Drürige gejt ‘erum,
Im Früejohr komme d’Schderich zurick
Un neschdled uff jedem Durm.
Wann’s warm wird schlupfe d’Kinder nüss
Un schbaziere dr Ill endlong.
D’Plattes die sonne sich barfüeß
Un d’Fischer warten am Schdrand.
Tu sais, cousin, faudrait pas croire au père Noël,
Il n’y a plus guère de cigognes dans ton pays,
Celles qui restent, on leur a coupé les ailes,
Elles mangent de la boue à l’orangerie.
Des petits enfants même ne croient plus à tes histoires,
Pas question pour eux de jouer au bord de l’eau.
Les clodos finissent au trou leurs jours de gloire,
Et vos derniers poissons ressemblent à des ballots.
Alder Freind, ‘s isch ned grad so
Im Elsaß hammer’s schee:
Han Falder un han Rawe (= Reben) do,
Ün au kai Mischd im Hern (= Hirn).
Vun beide Seite vum Rhin
Hän mir de beschde Win
Un no ebbes derzüe, denk noch:
Mir hän e eijeni Schbroch!
Mon vieux cousin, arrête ton char, tu me fais rire,
T’as pas pigé qu’on vous prend tous pour des idiots,
La réalité est loin de tes délires
Tu comprendras peut-être, mais ça ne sera pas trop tôt.
Tes enfants ne parlent plus le dialecte,
Ton vin soufré laisse un goût infect,
Et lorsque je viendrai te voir un jour prochain,
Je prendrai l’autoroute qui passe par ton jardin !
Ains müesch zuegäe, alder Freind,
Im Elsaß sammer rich:
Hän Bürerei so vil as D’witt
Un jeder schaffd füer sich,
D’Induschdrie kummd noch,
Un das isch unser Glüeck:
Mir lawe güed, ‘s isch wohr,
Un verdiene e groß‘ Schdüeck!
Si tu permets je vais te dire que tu te goures,
À quoi te sert de remuer un vieux lopin?
La terre n’est pas à ceux qui la labourent,
La liberté ne se mange pas comme le pain!
Le gens de ton pays vont travailler en face –
A qui profite la terre où tu es né ?
Les chômeurs devant les bureaux s’entassent,
Et il y a toujours des porcs à engraisser !
(François Brumbt, ‘Poschtkart üss’m Elsaß’, 1976)
Schöne Grüße
MM
WOW, danke! Spannend. (Leider lernen meine Schüler, für die ich Material gesucht habe, nicht Französisch )