Gedichtinterpretation Mein Liebeslied 2

Hallo Leute!

Ich hatte schon vor kurzem ein Forum zu diesem Thema veröffentlicht, weil ich bei der Interpretation zu dem Gedicht nicht weiterkam. Jetzt habe ich jedoch eine Interpretationshypothese aufgestellt und wollte gerne mal wissen, was ihr darüber denkt und ob sie richtig sein könnte.

Hier noch einam das Gedicht:

Auf deinen Wangen liegen Goldene Tauben.

Aber dein Herz ist ein Wirbelwind, Dein Blut rauscht, wie mein Blut –

Süß An Himbeersträuchern vorbei.

O, ich denke an dich - - Die Nacht frage nur.

Niemand kann so schön Mit deinen Händen spielen,

Schlösser bauen, wie ich Aus Goldfinger;

Burgen mit hohen Türmen! Strandräuber sind wir dann.

Wenn du da bist, Bin ich immer reich.

Du nimmst mich so zu dir, Ich sehe dein Herz sternen.

Schillernde Eidechsen Sind deine Geweide.

Du bist ganz aus Gold – Alle Lippen halten den Atem an.

Ich denke, dass es um das lyrische Ich (einen Mann) geht, der in das lyrische Du verliebt ist. Dieses lyrische Du ist wunderschön („Gold“), ist jedoch auch unerreichbar für das lyrische Ich (z.B. „Dein Blut rauscht wie mein Bult süß an Himbeersträuchern vorbei“ Die Himbeersträucher stellen eine süße Versuchung dar - das lyrische Du - an welcher das lyrische Ich jedoch vorbei muss; oder „Ich sehe dein Herz sternen“ Ihr Herz ist also weit weg und nicht erreichbar.) Außerdem ist das lyrische Ich kühl und besitzt keine Gefühle, weil es „ganz aus Gold“ ist. Es ist also materiell und kalt. Das lyrische Ich ist jedoch nicht die einzige Person, die in das lyrische Du verliebt ist. Es gibt auch noch andere Männer, die das lyrische Du erobern wollen und schön finden („Strandräuber“, „Alle Lippen halten den Atem an“).

Da ich das Gedicht mit einem anderen Gedicht vergleichen musste, in welchem die Gefühlslosigkeit auch eine große Rolle spielt und die Frau ebenfalls von vielen andern Männern begehrt wir, erschien mir das am sinnvollsten.

Wie gesagt, ich würde gerne wissen, ob ich mit meiner These richtig liege und würde gerne eure Meinung hören.

Danke :smile:

Hallo, musiclover!

Die Lasker-Schüler steht zwischen Symbolismus und Expressionismus. Sie wählt zur Darstellung ihrer Liebesbeziehung Bilder, die Erlesenes, Kostbares, Ungewöhnliches zum Ausdruck bringen. Das kannst Du praktisch an allen Metaphern erkennen.

Im Übrigen wäre der Vergleichstext interessant. Möglicherweise kenne ich ihn sogar, denn der Deutschlehrer hat ihn - eventuell! - einer Sammlung entnommen.

Deine Deutung klingt zunächst interessant, allerdings biegst Du Dir bestimmte Stellen zurecht - im Interessefall würde ich mich wieder melden, leider habe ich unpraktischerweise Deinen Text nicht kopiert, fürchte, meinen beim Zurückklicken wieder zu verlieren, und so viel Zeit habe ich jetzt auch nicht.

Was mir wichtig erscheint: Die Beziehung funktioniert tadellos. Sie ist dem lyrischen Ich quasi unendlich wertvoll. Alle Bilder sprechen diese Sprache. Interessant wäre jetzt eben der Vergleichstext, den Du in einer Klausur - aus welchem Bundesland kommst Du? - möglicherweise vorrangig behandeln solltest. Um dies auch hier bei Lasker-Schüler intensiv zu tun, dürfte Dir im Zweifelsfall die Zeit fehlen.

Gruß, Wolfgang Zimmermann

Vielen Dank für deine Antwort, Wolfgang!

Das Gedicht zum Vergleich ist das „Lied des Freudenmädchens“ von Bertolt Brecht.

Meine Herrn, mit siebzehn Jahren
Kam ich auf den Liebesmarkt
Und ich habe viel erfahren.
Böses gab es viel
Doch das war das Spiel.
Aber manches hab ich doch veragt.
(Schließlich bin ich ja auch ein Mensch.)
Gottseidank geht alles schnell vorüber
Auch die Liebe und der Kummer sogar.
Wo sind die Tränen von gestern abend?
Wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr?

Freilich geht man mit den Jahren
Leichter auf den Liebersmarkt
Und umarmt sie dort in Scharen.
Aber das GefühlWird erstaunlich kühl
Wenn man damit allzuwenig kargt.
(Schließlich geht ja jeder Vorrat zu Ende.)
Gottseidank geht alles schnell vorüber
Auch die Liebe und der Kummer sogar.
Wo sind die Tränen von gestern abend?
Wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr?

Und auch wenn man gut das Handeln
Lernte auf der Liebesmess’:
Lust in Kleingeld zu verwandeln
Wird doch niemals leicht.
Nun, es wird erreicht.
Doch man wird auch älter unterdes.
(Schließlich bleibt man ja auch nicht immer siebzehn.)
Gottseidank geht alles schnell vorüber
Auch die Liebe und der Kummer sogar.
Wo sind die Tränen von gestern abend?
Wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr?

Ich habe mich sehr schwer getan mit der Interpretation zum ersten Gedicht und habe mir - wie du schon gesagt hattest - einiges zurechtgebogen, damit ein Zusammenhang zwischen beiden Gedichten entsteht. Ich komme echt nicht weiter und wäre über Tipps sehr dankbar.

Liebe Grüße,
Vivien

Ich denke, Du kannst den Interpretationsvergleich ordentlich abrunden, wenn ich Dir noch einige Tipps gebe.

Zunächst zu Lasker-Schüler: Diese Liebe ist zweckfrei, also Selbstzweck, sie ist rein, absolut, kostbar. Deine konkreten Sichtweisen würde ich gerne wiederlegen. „Gold“ ist hier nichts Kühles, sondern etwas Wertvolles. An den „Himbeersträuchern“ rauscht ja b e i d e r Blut dabei, also auch hier Einverständnis, nicht Einseitigkeit. Es ist auch nicht so, dass Fremde die Frau begehren - wenn Du genauer hinsiehst, wirst Du auch hier bemerken, dass das Glück für beide gilt, den Liebenden und die Liebende.

Lasker-Schülers zweckfreie Idealbeziehung steht Brechts Modell gegenüber, das viel einfacher zu erschließen ist: direkte Ansprache im Stil eines Liedermachers, Refrain, epische Züge. Die Liebe des Freudenmädchens ist Geschäftsgrundlage, rein pragmatisch - in jeder Hinsicht (lyrisches Ich, Gedichtform, Aussage, Sprache) ein Gegenmodell.

Ich denke, Du kommst jetzt klar. Melde Dich ansonsten, wenn Du noch Detailfragen hast.

Gruß, Wolfgang

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Danke für deine Hilfe :smile:

Ich hätte nur noch ein paar Fragen zu den einzelnen Strophen, bei welchen ich einfach nicht darauf komme, was gemeint ist.

Zum einen die Strophe
„Auf deinen Wangen liegen
Goldene Tauben.-“
Können damit vielleicht Glückstränen gemeint sein?

Dann die Strophe
„Niemand kann so schön
Mit deinen Händen spielen“
und was ist mit den Strandräubern gemeint?

Die letzte Stophe, bei der ich überhaupt nicht weiterkomme ist die Strophe
„Schillernde Eidechsen
Sind deine Geweide“
Eidechsen sind ja eigentlich unrein und etwas Böses. Deshalb verstehe ich den Zusammenhang zwischen den anderen positiven Aspekten nicht.

Ich hoffe, ich bin nicht lästig mit meinen ganzen Fragen. Ich habe das Gedicht nur nun schon so oft gelesen und komme nicht weiter.

Gruß, Vivien

Hallo, noch mal, Vivien!

„Auf deinen Wangen liegen
Goldene Tauben.-“
Können damit vielleicht Glückstränen gemeint sein?

Ja, warum nicht.

Dann die Strophe
„Niemand kann so schön
Mit deinen Händen spielen“
und was ist mit den Strandräubern gemeint?

Die „Hände“ würde ich ganz wörtlich verstehen - zur Liebe gehören alle Sinne. „Strandräuber“ - den Liebenden gehört die Welt, über die sie nach Belieben verfügen.

Die letzte Stophe, bei der ich überhaupt nicht weiterkomme ist
die Strophe
„Schillernde Eidechsen
Sind deine Geweide“
Eidechsen sind ja eigentlich unrein und etwas Böses. Deshalb
verstehe ich den Zusammenhang zwischen den anderen positiven
Aspekten nicht.

Da habe ich zugegebenermaßen auch Probleme. Da aber Eidechsen schillern und negative Konnotationen ermöglichen, zeigt dies wohl auch die Gefährdung, das Bedrohliche, das Rätselhaft Vielschichtige einer Liebesbeziehung, die man in ihrer Rauschhaftigkeit nicht mehr mit dem Verstand kontrollieren kann.

Entscheidend ist, dass Du alle Bilder auf einen gemeinsamen Nenner trimmst; das dürfte jetzt nicht mehr schwierig sein.

Gruß, Wolfgang

Hallo, Vivien, Wolfgang,

Die letzte Stophe, bei der ich überhaupt nicht weiterkomme ist
die Strophe
„Schillernde Eidechsen
Sind deine Geweide“
Eidechsen sind ja eigentlich unrein und etwas Böses. Deshalb
verstehe ich den Zusammenhang zwischen den anderen positiven
Aspekten nicht.

Da habe ich zugegebenermaßen auch Probleme. Da aber Eidechsen
schillern und negative Konnotationen ermöglichen, zeigt dies
wohl auch die Gefährdung, das Bedrohliche, das Rätselhaft
Vielschichtige einer Liebesbeziehung, die man in ihrer
Rauschhaftigkeit nicht mehr mit dem Verstand kontrollieren
kann.

Von Jim Morrison, dem männlichen Sex-Symbol der späten 60er-Rockmusik, gibt es das Zitat: „I am the lizard king. I can do anything.“ Eidechsen können durchaus etwas Ambivalentes haben. Schön und kalt, geheimnisvoll und unnahbar.

Grüße: Uli

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@ Wolfgang und Uli: Danke :smile: