Gegen Freund Hein ums Leben spielen

Hallo Forum,

kürzlich behauptete eine koreanische Dirigentin mir gegenüber, es sei ein klassisches koreanisches Sagenmotiv, dass man den Tod auf ein Spiel herausfordern könne, welches dieser gewinnen müsse, um den Todgeweihten ins Jenseits mitnehmen zu dürfen. Ich hielt entgegen, dass ich dieses Motiv auch aus Europa kenne. Ich bin der festen Überzeugung, den Tod als Schachspieler schon auf Gemälden Alter Meister gesehen zu haben.

Seither frage ich mich, woher dieses Motiv tatsächlich stammt, wie alt es ist und ob sich die Wege nachvollziehen lassen, auf denen es aus einer Kultur in die nächste gewandert ist.

Liebe Grüße
Immo

Hallo Immo,
von Ingmar Bergmans ‚Das siebente Siegel‘ mal abgesehen :wink: fällt mir da eigentlich als Einziger nur Albertus Pictor ein. Womöglich hatte Bergman seine Inspiration in der Kirche von Täby bei Stockholm gefunden (http://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%A4by_kyrka).

Freundliche Grüße,
Ralf

Hi Vokietis,

Es ist tatsächlich so, dass das Spiel gegen den Tod auch in Europa vorkommt. Auch in Südamerika, und auch ein paar afrikanische Sagen beinhalten das. Somit dürfen wir davon ausgehen, dass es ähnlich wie Cindarella oder die diversen Vogelkinder ein internationaler Märchenstoff ist:smile:

Ich wäre aber höchst vorsichtig damit, einem Koreaner ausgerechnet mit Schach ins Gesicht zu argumentieren :wink:

Schach kommt nämlich aus dem fernen Osten. Aus China kommt auf jeden Fall EIN Schach und im ostasiatischen Raum geht man auch von China als Ursprungsort aus. Auch die Weizenkornlegende, die dort eine Reiskornlegende ist, ist in China wohlbekannt. Korea und China haben sehr sehr lange eine sehr intensive Beziehung geführt.
Das Urschach soll wohl aus Indien kommen, das ja nicht weit von China weg ist, alles andere ist ja auch rüber gewandert :wink:

Also, beide von euch haben Recht, denn der „Gevatter“ Tod spielt öfters mal ein Spielchen.

Es liegt wohl in der Natur des Menschen um sein Schicksal feilschen zu wollen und dem Tod zu entgehen wenn er nur GUT genug ist oder die richtigen übermenschlichen Mächte auf seiner Seite hat.

lg
Kate

Hallo, Immo,

Seither frage ich mich, woher dieses Motiv tatsächlich stammt,
wie alt es ist und ob sich die Wege nachvollziehen lassen, auf
denen es aus einer Kultur in die nächste gewandert ist.

einen (englischen) Artikel Death and Chess in Iconography gibt es auf http://www.italiascacchistica.com/a_death.htm

Gruß
Kreszenz

Servus,

mitm Boandlkramer hat scho da Brandner Kaschpa Karten gspuid, eam mit Kerschgeist brsuufn gmacht und dann mitm Grasober bschissn.
Aber dann is eam doch noch zvui woan und er is frewille mit ins Jenseits gfahrn - sunst hät da Boandlkramer a an Ärger mitm hl. Petrus griagt!

LG,
Markus

Re^2: Oh ist das süß :smile:
Hallo Kate,

danke für die wie immer ausgesprochen fundierte Antwort. Wenn ich könnte, würde ich Dir gleich mehrere Sternchen dafür geben!

Es ist tatsächlich so, dass das Spiel gegen den Tod auch in
Europa vorkommt. Auch in Südamerika, und auch ein paar
afrikanische Sagen beinhalten das.

Das ist wieder interessant. Weißt Du, welche Spiele in Südamerika oder Afrika gegen den Tod ausgefochten werden? (Ich hab jetzt nämlich überlegt, ob sich das Schachspiel gemeinsam mit dieser Sage ausgebreitet hat, habe aber mal so gar keine Ahnung, ob in jenen Gegenden überhaupt Schach oder ein davon abgeleitetes Spiel verbreitet ist.)

Aber bitte, illustriere mir doch einmal, in welcherlei Märchen

Vogelkinder

vorkommen. Meinst Du so etwas wie „Die Sieben Raben“? Aber sind das Kinder?

Ich wäre aber höchst vorsichtig damit, einem Koreaner
ausgerechnet mit Schach ins Gesicht zu argumentieren :wink:

:wink: Smiley kriegst Du zurück.
Nee, mir ist schon klar, dass das Schachspiel aus dem Osten kommt (ich hätt’s zwar in Persien angesiedelt, aber das spielt keine übergroße Rolle). Es ging in dem Gespräch um Folgendes:
Ich singe in einer Oper nach dem Bühnenstück „Death Knocks“ von Woody Allen mit. Oberwähnte Koreanerin erzählte mir nun (was ich tatsächlich nicht wusste), dass Herrn Allens Gattin Koreanerin sei und der Autor daher das „klassische koreanische Sagenmotiv“ des Spiels gegen den Tod kennt und in das Stück einbauen konnte.
Ich hielt lediglich dagegen, dass es dafür nicht einer koreanischen Gattin bedürfe, da dieses Motiv spätestens seit der frühen Neuzeit auch in Europa bekannt sei, und überraschte sie meinerseits mit der Anmerkung, dass der Name des Todgeweihten, Nat Ackermann, wohl eine Anspielung auf den „Ackermann aus Böhmen“ von Johannes von Tepl sei (http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Ackermann_aus_B%C3%…), welchen er wohl durch seine deutsch-jüdischen Großeltern kennengelernt haben könnte.

Es liegt wohl in der Natur des Menschen um sein Schicksal
feilschen zu wollen und dem Tod zu entgehen wenn er nur GUT
genug ist oder die richtigen übermenschlichen Mächte auf
seiner Seite hat.

Schon. Gleichwohl wäre es doch naheliegender, den Tod als unentrinnbar (unabhängig von der eigenen Anstrengung) anzusehen, wie es z.B. in den Final-Destination-Filmen (von zugegebenermaßen zweifelhafter Qualität) dargestellt wird und in Ansätzen auch im Brandner Kasper zur Sprache kommt.

Liebe Grüße
Immo

Hallo Kreszenz,

habe auch Du Dank für den interessanten Link. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, legt der dortige Artikel nahe, die Legende sei gemeinsam mit dem Spiel nach Europa eingewandert.
Auch wenn dies die Entstehung ähnlicher Mythen in Afrika und Südamerika (wahrscheinlich) nicht erklären kann – für Europa ist sicherlich dieser Weg denkbar, solange sich nicht bei den alten Römern oder Germanen schon derartige Sagen finden lassen.

Liebe Grüße
Immo

Hi!

Ich bin mir nicht mehr sicher welches Spiel das bei den südamerikanischen Erzählungen war, da Südamerika wirklich nicht mein Spezialgebiet ist, ich hatte aber mal sehr interessanten Austausch mit jemanden der seine Doktorarbeit über Tod in südamerikanischen Hochkulturen geschrieben hat, nachdem er schon mehrere Jahrzehnte da unten lebte.

Bei den afrikanischen Sagen ist mir das Würfelspiel begegnet (das mir nach Schach wohl das nächst beliebteste zu sein scheint, bei einigen Versionen vom Fliegendem Holländer kommt es ja auch vor), meist aber handelt es sich um Sportspiele wie z.B. Rennen, wer kann am weitesten Werfen etc. oder um Aufgaben die ausgefeilte Geschicklichkeit brauchen, z.B. Dinge von Baumstämmen schießen die, wenn man nicht trifft, sich als die eigenen Kinder rausstellen…

@Vogelkinder
Gut, „Kinder“ liegt im Auge des Betrachters aber ja, damit sind Märchen wie Die Zehn Schwäne und andere gemeint, bei denen es um Kinder oder Geschwister geht, die gesammelt in Vögel verwandelt werden, wobei meist eines, das gegengeschlechtliche Geschwister, übrig bleibt für den Plot… zum Beispiel im russischen „Die Birke und die drei Falken“ wo die Schwester in eine Birke verwandelt wurde und die drei Brüder, als sie diese retten wolltn, in Falken. Bis der Retter kommt und mit Hilfe des Christentums allen hilft. Nebenbeibemerkt ist das Märchen anhand Birke und Vögeln abzulesen eher zentralasiatisch-schamanischer Abstammung, das Christentum wurde wohl erst später eingebracht, da der „Pope“ (womit hier der geistliche Vorsteher eines Dorfes gemeint ist) eine völlig austauschbare Figur darstellt.

Damit verwandt sind Der Königssohn in Vogelgestalt und die Gattin in Vogelgestalt (die Erzähltypen sind mir gerade entfallen, ich muss mir da echt mal ein Lexikon anschaffen) die ebenfalls international vorkommen, bestes Beispiel: Die Schwanenprinzessin in Europa und die Kranichfrauen (oft grässlicherweise als „Feen“ übersetzt) in China :smile:

Das Märchen echt seltsame Wege einschlagen können habe ich gerade beim Nachschlagen festgestellt (ich habe diesen Beitrag schon vor zwei Stunden angefangen zu schreiben *tropf*), ein dänisches Märchen „König Lindwurm“ stammt wohl aus dem „orientalischen“ womit Indien gemeint ist, weil es um das Pancatantra geht. Dieses ist ein Vorgänger der persischen 1001 Nacht Erzählungen, ich habe letztes Jahr eben jenes in der Sanskrit Lektüre gehabt und empfinde es als sehr empfehlenswerte Lektüre :smile: Und aus diesem indischen Lehrmärchen hat sich ein dänisch-skanischer un wohl ein mittelmeer Typ gebildet, wobei große Teile Europas das Märchen nicht kennen. Aufgrund eines Verses gibt es die Theorie das nur ein (!) talentierter Erzähler für diese ungewöhnliche Verbreitung in Europa verantwortlich ist. Echt faszinierend :smile:
In dieser Geschichte gibt es auch zwei in Vögel verwunschene Königssöhne, darum bin ich darauf gekommen.

So und jetzt hab ichs auch gefunden, es handelt sich bei den Vogelkindern um AT 451 und dieser geht im deutschen Sprachraum auf „Die zwölf Brüder“ zurück, „Die Sieben Raben“ sind eine Kurzfassung des selben Märchens. Damit verwandt sind die Parizade-Erzählungen (1001 Nacht)
Weitere Beispiels sind „Die sechs Schwäne“ (oder Schwanen) und „Die sieben Tauben“

und noch viele mehr. So ich geh mich jetzt ins Lexikon verlieren, dies WAR mein Tag… *tropf*

lg
Kate