Gegenteil von Integration? Berliner Schüler sollen Arabisch lernen

Wir wissen es doch aus der eigenen Schulzeit. Man wählt die Fächer, die am bequemsten sind; das liegt in der Natur der Schüler und der Eltern auch („Ooch, du hast in Deutsch ne 5 ? Na dafür hast du in Arabisch eine 3 :blush:“)

Gruß
rakete

Wie du selbst schon feststellen musstest, kann man zu leicht über seinen eigenen semantischen Anspruch stolpern. Das möchte ich gerne vermeiden: Wen der „eyecatcher“ verwirrt hat, wird durch den dazu verlinkten Artikel wieder auf den richtigen Kurs gebracht.

Für Türkisch gibt es ein solches Programm schon – die sogenannte „Zweisprachige Erziehung“ (Zwerz) wurde Anfang der 1990er Jahren an 14 Schulen eingeführt. Der Erfolg des Programms ist allerdings zweifelhaft, denn inzwischen sind nur noch vier Schulen dabei, zuletzt stieg die Spreewald-Schule in Schöneberg aus.

http://www.tagesspiegel.de/berlin/tuerkische*-analphabeten-viele-kinder-tuerkischer-herkunft-beherrschen-ihre-beide-sprachen-nicht-gut/168086.html
Die zweisprachige Alphabetisierung der türkischen Schüler gerät immer mehr ins Abseits…„Die zweisprachige Erziehung hat die Hoffnungen nicht erfüllt“, resümiert Kreuzbergs Schulrätin Hannelore Kern ihre 20-jährigen Erfahrungen. Einen Hauptgrund sieht sie im mangelnden Interesse auf türkischer Seite. …„Wenn die Eltern nicht mitmachen, dann scheitern wir“, hat Heidi Kölling, Leiterin der Kreuzberger Niederlausitz-Schule, inzwischen resigniert festgestellt. Auch ihr Kollegium habe sich für das Auslaufen des Modells entschieden, weil es „nicht mehr zu schaffen war“.


Mehrere Studien zeigten, dass diese Kinder in beiden Sprachen einen geringeren Wortschatz haben und sich mit der Grammatik schwerer tun.

1996 wurde eine Grundschule in Los Angeles von ihren Latinos bestreikt, weil der zweisprachige Unterricht sie hindere, das zu lernen, was sie nötiger hätten: Englisch. Bei den ersten Umfragen, als die Lobbys sie noch nicht bearbeitet hatten, waren 82 Prozent der Latinos spontan für seine Abschaffung.

Sprachprogramme zwecks Erlernen der Leitkultursprache fördert die Integration.

Ooooch nein. Ich bin für jegliche Erweiterung der Sprachkompetenz, wenn sie Haushalt und Lehrkörper bieten können und der Grips der Grundschüler ausreicht, diesen anzunehmen. Vielleicht willst du die Primaner noch mit Alt-Griechisch und Latein volldröhnen?

gruß
rakete

@Jule @Penegrin

So, ich habe mich nun etwas eingearbeitet.

Herzstück der These, dass der gute Erwerb der Erstsprache (Muttersprache) nötig wäre (insbesondere Lesekompetenz), um Deutsch als Zweitsprache zu erlernen. geht auf die Interdependenzthese von CUMMINGS zurück. vgl. bspw. http://www.daf.tu-darmstadt.de/media/daf/dateien/pdfs/studienarbeiten/schaefer.pdf

In diesem Kontext sollte erwähnt werden, dass Cummins’ Forderung (sieheKa-pitel 3.2.4) –es müsse zunächst eine bestimmte Kompetenz in der Erstsprache ausgebildet sein, bevor der Unterricht in der Zweitsprache einsetzen dürfe – bis heute empirisch nicht untermauert werden konnte .

Es wird sogar schlimmer für die „Schar der Gläubigen“ :wink:.

Alles reine Theorie, die wissenschaftlich niemals methodisch sauber belegt wurde, hält der Potsdamer Pädagoge Diether Hopf dagegen. Er führt die so genannte time on task -Theorie an, wonach der Lernerfolg umso größer ist, je mehr Zeit für ein Fach verwendet wird. Deshalb sei jede Minute Deutsch sinnvoller als eine Minute Türkisch. Kürzlich hat das Berliner Wissenschaftszentrum in einer so genannten Metastudie versucht, den Streit aufgrund internationaler Untersuchungen zur zweisprachigen Erziehung zu schlichten. Das Fazit: Weder gebe es Belege, dass die Instruktion in der Heimatsprache den Schulleistungen nützt, noch, dass sie ihnen schadet.

Womit, sorry :confused: , die schöne Theorie, die der Berliner Koalitionsvereinbarung zugrundeliegt, sich als (ideologische) Luftnummer erweist.

Völlig von diesem Umstand abgetrennt. kann die Frage einer Ausweitung des Zweisprachenangebots (innerhalb enger Grenzen) durchaus diskutiert werden, sofern sich vor Ort ausreichend viele Interessenten zusammenfinden. Es ist ja auch eine Frage der Organisation und der Kosten/Nutzen-Kalkulation.

Es kommt erschwerend hinzu, dass Aspiranten für Türkisch oftmals auch zuhause von Seite der Eltern aus kein Türkisch lernen, sondern regionale Dialekte, ggf. gar als oktroyierte "Fremd"sprache (Minderheiten).

Gruß
vdmaster

P.S.: Natürlich wird die Mehrheit des Lehrpersonals solche Ideen ganz toll finden. Vor allem die mit entsprechendem MiHiGru, da es den Arbeitsplatz noch sicherer und leichter erreichbar macht. Naturwissenschaftler fänden es im Gros auch klasse, wenn die Stundenanzahl für NWen erhöht würde. Die kennen sicher Leute, die noch einen Job brauchen. :smirk:

1 Like

Nö, eigentlich nicht…

Du hast eine Überschrift gewählt, die deiner Geisteshaltung und nicht der Realität entspricht. Folgt man deiner Argumentationslinie im Thread, sieht man schnell, dass du konsequent Tatsachen verdreht. Du tust so, als ob diese völlig freiwilligen Sprachkurse dem Deutschunterricht gleichgestellt wären und diesen auf nicht nachvollziehbare Weise beeinträchtigen würden. All deine Beispiele haben auch rein gar nichts mit dem aktuellen Vorschlag zu tun und deine Vorstellungen zu Schulunterricht und den Fähigkeiten von Schülern sind ehrlich gesagt ziemlich befremdlich. Ob jemand in Französisch , Latein oder Kurdisch maturiert, sollte doch wohl völlig gleichgültig sein. Der Gedanke, Schülern eine größere Auswahlmöglichkeit zu bieten wäre etwas Schlechtes, ist einfach nur absurd.

Aber vielleicht erstellst du mal eine Liste aller Schulfächer, die du für unnötig erachtest und schickst sie an das Minsterium. Danach würde ich mir auch noch die Studien vornehmen. Ich bin mir sicher, dass du auch dort fündig werden wirst.

2 Like

Hallo,

ach so. Du sagst: „Wir wollen doch gar nicht, dass die sich integrieren.“ Sag das doch gleich.
Ich habe nicht auf einen unmittelbaren gesellschaftlichen Nutzen von kurdischen Sprachkenntnissen verwiesen, sondern auf den Nutzen der leichteren Integration. Du liest und argumentierst doch sonst sauberer?

Zum Spracherwerb: Ich habe jetzt wirklich keine Zeit, lange zu recherchieren. Aber Du zitierst den ZEIT-Artikel sehr einseitig. Es gibt für keine der Theorien eindeutige empirische Beweise, was meiner bescheidenen Meinung nach daran liegen dürfte, dass Spracherwerb ein höchst komplexes Geschehen ist.

Hätte ich Zeit, würde ich mir die wissenschaftliche Literatur aus meinem Link gründlicher vornehmen. Da sind nämlich etliche Studien angegeben, die Belege (nein, keine Beweise, s.o.) für den Nutzen der Förderung der Muttersprache angeben. Selbstverständlich bei gleichzeitiger Förderung von Deutsch als Zweitsprache.

Jule

Unsinn, das ist doch eine völlig andere Situation. Die in Frage kommenden Berliner Schüler werden den Großteil ihres Schullebens in deutscher Sprache haben. Genau das Gegenteil von Deinem Mallorca-Beispiel also.

Selbst bei biligualen Schulen, die es für andere Sprachen (Englisch, Französisch) ja längst gibt, würden beiden Sprachen gleichberechtigt gefördert.

Meine Tante, die in die USA ausgewandert ist, hat damals auch „integrationsfeindlich“ ihre Tochter in deutscher Sprache gefördert. Findest Du das auch so schlimm, oder ist das womöglich etwas gaaaaanz anderes? (Tochter, heute erwachsen, spricht fließend Englisch und sehr gut Deutsch.)

Jule

1 Like

Du warst noch nicht auf Mallorca! :wink:

Das finde ich ganz toll. Leider ist es so, dass türkische, arabische Mütter/Väter oder auch Tanten nicht in der Lage sind, ihre Kinder schulunterstützend zu fördern.
Gruß
rakete

Ach, jetzt doch? Hat sie damit nicht den englischen Spracherwerb und damit die Integration behindert?

Unsinn. Da gibt es riesige Unterschiede - übrigens zwischen deutschen Familien auch.
Viele Eltern aus Ostanatolien, die selbst kaum Schulbildung haben, tun sich da natürlich schwer. Gerade unter den Syrern z.B. gibt es viele, die selbst sehr gebildet sind und ihre Kinder da sehr fördern - einfach, indem sie den Wert der Schulbildung anerkennen und den Kindern das vermitteln.

Ich habe gerade mit einem 7jährigen Mädchen zu tun, seit gut zwei Monaten in Deutschland und sehr begierig, Deutsch zu lernen und sich im Unterricht zu beteiligen, soweit sie es schon kann. Die Eltern haben sie bisher schon gefördert, z.B. kann sie lateinische und arabische Buchstaben schreiben.
(Der Vater ist seit etwa zwei Jahren hier und spricht sehr gut Deutsch, kann also auch etwas beim Lernen unterstützen.)

Das ist ein Einzelfall; und jeder ist wieder anders. Deine verallgemeinernde Behauptung trifft für manche (auch für manche deutschen) Einzelfälle zu, für andere ganz und gar nicht.

Jule

Das ist doch Nonsens. Es gibt einen volkswirtschaftlichen Nutzen aus bspw. kurdischen Dolmetschern. Auf den bezog ich mich mit dem Wort „Bedarf“ (Arbeitsmarktbedarf).

Darauf wollte ich die ganze Zeit raus. Und das geht IMHO auch aus dem Fettdruck meines ZON-Zitats hervor, wenn man einen weiteren, winzigen Schritt gedanklich hinzufügt. Wäre die andere Theorie empirisch eindeutig belegt, dann wäre sie tatsächlich allgemein anerkannt.

Es ist wie so oft, dass es zwei widerstreitende Ansätze und exakt nullkommanull Beleg gibt. Von daher ist es fast schon eine quasireligiöse Glaubensfrage. Ich bin hier nur der skeptische Häretiker, der am Dogma rüttelt :grin:.

Dir ist Sinn und Zweck einer Meta-Studie bekannt, oder etwa nicht?

Gruß
vdmaster

Hallo,

schon - aber die Metastudie, die der ZEIT-Artikel in zwei Sätzen zitiert, ist zehn Jahre alt, und das Thema wurde in den vergangenen zehn Jahren intensiv beackert.

Wie gesagt, ich bin nicht intensiv im Thema drin und werde Dir keine Zusammenfassung des aktuellen Stands der Wissenschaft bieten können. Ich stoße aber auf jede Menge Studien, deren Ergebnisse für eine Förderung der Muttersprache sprechen.
Du wirst in der Pädagogik never ever irgendwas finden, was so allgemein anerkannt ist, dass es keine Gegenpositionen gibt. Du kannst da keine Doppelblindstudien machen und alle anderen Einflüsse ausschalten.

Es gibt jedenfalls keinen Hinweis, dass die Aufregungswelle des UP irgendeinen Sinn hat.

Wir haben gesellschaftlich gesehen einen großen Nutzen davon, dass sich die jeweiligen Kinder -> Jugendlichen -> Erwachsenen hier zugehörig fühlen und sich mit dem Land identifizieren können. Von nichts anderem schrieb ich.

Viele Grüße,

Jule

Das Thema des UP war für meine Rückfrage nicht einmal von sekundärer Bedeutung. Mir ging es um den Glaubenssatz „ja, ist gut, ist bekannt“, den ich hinterfragen wollte.

Ich habe auch keine speziellen Einblicke, meinte mich aber dunkel zu entsinnen, dass dieser Glaubenssatz alles andere als allg. anerkannt wäre (ebensowenig wie die andere Denkschule).

Ja, es gibt sogar Gegenpositionen zur Relativitätstheorie. Aber zur Frage der Beschulung gibt es zwei regelrechte Lager, keine seltsamen Randmeinungen.

Wobei auch seltsame Randmeinungen sich schon, wenn auch eher sehr selten, als gleichrangig oder sogar gar realitätsbeschreibender als die herrschende Lehrmeinung erwiesen haben.

Gruß
vdmaster

Super Vorschlag, so können sich die Jugendlichen später mal in den von libanesischen Clans beherrschten Stadtteilen in Berlin oder Gelsenkirchen hervorragend verständigen.Türkisch zu sprechen ist auch zu empfehlen.Wie oft saß ich schon beim Arzt im Wartezimmer und habe mir gewünscht die Sprache unserer türkischen Mitbürger zu verstehen.