Gehalt einbehalten wegen Diebstahl?

Guten Morgen! :blush:

Nehmen wir an, ein AN würde fristlos gekündigt, da ihm vorgeworfen wird,
Treibstoff geklaut zu haben. Es würde keine Schuldanerkenntnis seitens
des AN und keine Anzeige durch den AG existieren. Lediglich über die
Tankabrechnung wäre der Diebstahl ersichtlich, im Kündigungsschreiben
wäre nur eine „Ca“-Summe angegeben.

Dürfte der AG unter diesen Umständen das Gehalt des Monats vom 1. bis
zur fristlosen Kündigung (17.) einbehalten? Das Zurückbehaltungsrecht
dürfte doch eigentlich nicht greifen?

Mit besten Grüßen und Hoffnung auf Erleuchtung

Balindys

Hallo,

auch bei unerlaubter vorsätzlicher Handlung stellen sich u. U. im geschilderten Fall zwei Fragen:

Durch die Verwendung des Wortes „ca“ im Kü-Schreiben könnte fraglich sein, ob die Forderung hinreichend bestimmt genug ist. Ist nur ein Teil der Forderung eindeutig zu beziffern (zB weil der AG noch andere Sachverhalte auf Schadensersatz prüfen möchte, sollte dieser unter Verwendung des Wortes „mindestens“ und den Hinweis auf eine laufende Prüfung geltend gemacht und auch aufgerechnet werden.

Auch bei vorsätzlich unerlaubter Handlung darf nicht automatisch der Entgeltanspruch durch Aufrechnung auf „0“ gekürzt werden. Sofern der AN kein verwertbares Vermögen hat, muß ihm das Existenzminimum belassen werden, wie es in § 850d ZPO definiert ist. So hat das BAG 1997 entschieden:
https://www.jurion.de/Urteile/BAG/1997-03-18/3-AZR-756_95

&Tschüß
Wolfgang

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Hallo!

Wenn der Vorwurf Diebstahl stimmt, dann muss man so oder so bezahlen.
Frage ist „nur“ ob man gleich alles vom Gehalt abziehen kann oder ob man den Pfändungsfreibetrag beachten muss.

Und dann später sehen muss, wie man das Geld eintreibt.
Verstehen kann man den AG. Er möchte gleich Geld sehen, also mit Lohn aufrechnen.
Denn wer weiß, wann und ob er die Forderung sonst je wieder bekäme.

Nur, wenn AN damit nicht einverstanden ist (der Diebstahl wird wohl zwar nicht anerkannt, aber dem auch nicht widersprochen, also stimmt der Vorwúrf doch offenbar) dann muss er vor dem Arbeitsgericht klagen.

MfG
duck313

1 Like

Hallo!

Dar er schon, nämlich dann, wenn die Geldforderung mit der er aufrechnen will aus einer unerlaubten, vorsätzlichen Handlung (z.B. Straftat) stammt.

Zitat Rechtsanwalt H. Brenecke:

Die Vergütung des Arbeitnehmers unterliegt einem besonderen Pfändungsschutz gemäß §§ 850 bis 850 i ZPO. Soweit Lohnansprüche danach der Pfändung nicht unterworfen sind, ist die Aufrechnung gegen sie ausgeschlossen (§ 394 BGB). Diese Wirkung darf auch nicht durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB) vereitelt werden. Der Arbeitgeber hat, auch wenn ihm Gegenansprüche zustehen, mit denen er gegen die Netto-Lohnforderung aufrechnen könnte, stets den unpfändbaren Teil auszuzahlen. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Arbeitgeber mit einem Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Arbeitnehmers aufrechnet. Bei einem Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlichen Vertragsverletzung ist die Schwere des dem Arbeitgeber zugefügten Nachteils gegenüber dem durch § 394 BGB bezweckten Lohnschutz abzuwägen. Dies ist immer eine Einzelfallentscheidung, die mit einer gründlichen Rechtsprechungsrecherche vorbereitet werden muss.

MfG
duck313

Vielen Dank :smile:

Hmmm…
Genau da hakt’s ein wenig bei mir…

Ich verstehe das so: Der AG dürfte eigentlich den Lohn einbehalten, weil der Schaden aus einer vorsätzlichen Vertragsverletzung (Diebstahl) entstanden wäre, aber bevor der AG das dürfte, müßte er es anwaltlich prüfen lassen. Ist diese Interpretation richtig? Andrerseits läge ja bislang weder ein Schuldanerkenntnis vom AN noch ein konkret bezifferter Schaden vor - also doch Auszahlungspflicht?

Vom rein moralischen Verständnis her wäre ich ganz bei dem AG, allerdings würde der Einbehalt des Gehaltes eher kontraproduktiv wirken. Wenn aber der unpfändbare Teil ausgezahlt werden müsste, wäre das ja zumindest ein Lichtblick für den ehemaligen AN.