Gehaltseröhung - wie würdet Ihr es angehen?

Hallo zusammen,

ich bin im Moment in einem Zwiespalt. Mein (großes) Unternehmen, in dem ich angestellt bin, befindet sich gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Situation. Ich habe einen spannenden Job und null Wechselmotivation. Gleichzeitig werden für Großprojekte viele Ressourcen benötigt. Die werden zum großen Teil extern eingekauft und zu enormen Preisen bezahlt. Weit weg, von dem was ich bekomme und bei anderen Unternehmen bekommen könnte. Ich weiß aber auch, was ich an der aktuellen Firma habe. Fühle mich nur nicht vollständig gerecht behandelt.

Mein Gedanke: es wird soviel Geld verbrannt… Warum bekomme ich kein marktgerechtes Gehalt? Ich stehe ganz oben auf der Liste der angefragten Ressourcen. Müsst ihr mir jetzt mal glauben :wink:

Ich tu mich nur schwer mit: Wenn ich Gehalt x nicht bekomme, gehe ich. D.h. ich würde keine Konsequenzen ziehen.

Wie würdet Ihr vorgehen?

Nur weil Berater und andere externe Dienstleister wesentlich mehr kosten als eigene Mitarbeiter, heisst das nicht unmittelbar, dass da irgendein Ungleichgewicht vorliegt.

Du siehst nur Dein Brutto, dass Dein AG Dir bezahlt. Im Honorar für Berater sind aber zusätzlich noch enthalten:

  • Sozialabgaben für den Berater,
  • der gesamte Verwaltungskram der Beraterbude (Personalabteilung, Recht, Einkauf, Vertrieb, Marketing, Vorbereitungsaufwand für nicht erhaltene Aufträge, Fahrtkosten, Übernachtungskosten),
  • die Zeit, in der die Berater bezahlt werden, aber keine Aufträge bearbeiten (Leerlauf) und natürlich
  • der Gewinn der Beraterbude.

Mit anderen Worten: dass Berater ein Mehrfaches von dem kosten, was man den eigenen MA bezahlt ist vollkommen normal und liegt in der Natur der Sache. Das ist in etwa der gleiche Grund, warum eine kleine Cola im Restaurant zehnmal so viel kostet wie die gleiche Menge im Supermarkt.

Wenn Du also wissen willst, ob Du „zu wenig“ bekommst, dann musst Du einen Berater fragen, was der verdient.

Zumindest solltest Du die obigen Gedanken verinnerlichen. Andernfalls wird sich ggfs. Dein Chef fragen, ob Du nicht vielleicht sogar zu viel bekommst, wenn Dir diese Zusammenhänge nicht klar sind. Was übrigens für viele Leute gilt, die sich über die Honorare für Berater beklagen.

Gruß
C.

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Entschuldigung, so naiv bin ich auch nicht. Natürlich „verdienen“ freiberufliche Berater ein anderen Satz als Festangestellte.
Trotzdem wird dem Berater netto deutlich mehr übrig bleiben als bei meiner Abrechnung. Obwohl es den meisten Beratern ziemlich egal ist, ob das Unternehmen noch ein 2, 5 oder 10 Jahren überhaupt noch existiert.

Bestimme deinen Marktwert. Orientiere dich nicht an den Stundensätzen externer Dienstleister - das hat @C_Punkt ja schon geschrieben.

Wenn es dann starke Unterschiede gibt, geht es ans Verhandeln. Ich bin ein gruseliger Verhandlungspartner - ich würde nämlich offen und ehrlich sein.

Die Vermutung kann man haben, aber wenn man mit seinem Vorgesetzten über sein Gehalt verhandeln will, sollte man mehr in der Hand haben als Vermutungen. Der Vergleichsmaßstab kann nicht der Berater sein, sondern nur der Markt - entweder intern oder der große Arbeitsmarkt.

Um zu verdeutlichen, was ich meinte: vor ungefähr 20 Jahren stellten wir als Abteilung unsere Arbeitskosten stundenweise einer anderen Abteilung in Rechnung. Der Betrag, den wir in Rechnung stellten lag um 100% über dem, was so in etwa unser durchschnittliches Bruttogehalt pro Stunde war. Neben unserem Gehalt und den Sozialabgaben waren darin nur Raumkosten und der ganze Overhead wie Personal- und Rechtsabteilung enthalten. Kein kalkulatorischer Gewinn, keine Leerlaufzeiten, keine Übernachtungs- und Reisekosten. Welche Chancen hätte ich wohl gehabt, wenn ich den internen Verrechnungsstundenlohn hätte für mich beanspruchen wollen? Keine großen, offensichtlich.

Du darfst getrost davon ausgehen, dass alleine die effektiven Zusatzkosten für die Anreise, Spesen, Übernachtungskosten und Leerlaufkosten noch einmal 100% Zuschlag ausmachen und dann ist darin der Gewinn noch nicht enthalten. Wenn Du also Stundensätze von 200 oder 250 Euro siehst oder vierstellige Tagessätze, bist Du gut damit beraten, davon ein Viertel zu nehmen, wenn Du sie mit einem „normalen“ Gehalt vergleichen willst.

Wenn man das dann noch bei den klassischen betriebswirtschaftlichen Unternehmensberatern ins Verhältnis zu den Arbeitszeiten, zum Stress, zu den langen Abwesenheiten usw. setzt, kommen da ganz schnell relativ durchschnittliche Gehälter für einen Uniabsolventen heraus.

Gruß
C.

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Wenn man offen und ehrlich ist und seine Vorstellungen auch noch belegen kann, wird es zumindest einfacher, seine Forderungen durchzusetzen. Wir hatten eine Zeitlang ein relativ transparentes Beurteilungssystem. Irgendwann im Januar setzte man sich zusammen und ging die ganzen Punkte durch. Im Jahre 2009 hatte ich mein erstes Gespräch dieser Art mit meiner damals neuen Führungskraft. Die Beurteilung war der Arbeitsleistung, aber auch -menge angemessen und daher ausgesprochen gut.

Als wir damit durch waren, fragte ich „und wie schlägt sich das im Mai auf Gehalt und Bonus nieder?“ Er stutzte kurz, weil er so etwas - nach eigener Aussage - noch nicht gehört hatte, konnte sich der Argumentation aber nicht verschließen. Es folgten einige sehr erquickliche Jahre.

Ich unterstützte damals eine etwas jüngere Kollegin fachlich und auch bei der Weiterentwicklung, der ich davon erzählte und sie ermutigte, das ähnlich zu handhaben. Sie hat sich tatsächlich nie getraut, so deutlich mehr Geld für offensichtlich (weil dokumentiert) gute Arbeit zu verlangen, so dass sie über die tariflichen Abschlüsse hinaus m.W. nie eine Gehaltserhöhung erhielt, bis sie den Laden dann fünf Jahre später verließ.

Nur mal so zur Einordnung: wenn ich als externer Berater irgendwo tätig bin, berechnet meine Firma dem Auftragnehmer ungefähr das fünf- bis achtfache meines Nettogehalts.

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Du musst unterscheiden ob Du dich innerhalb der Firma im Vergleich zu anderen Kollegen unterbezahlt siehst oder ob Du dich innerhalb der Branche unterbezahlt siehst.
Im letzteren Fall musst Du an einen Firmenwechsel denken. Wenn Du auf deinen Arbeitgeber zugehst musst Du klar sagen um welche der obigen Fälle es sich handelt. Im Fall 2 musst Du bereit sein auch die Konsequenz zu ziehen und zu wechseln, wenn Du mit deinen Forderungen abblitzt.
Das Beispiel Fremdfirmen als externe Dienstleister und externe Berater ist nicht geeignet für Gehaltsforderungen. Das wurde ja schon deutlich gesagt.
Udo Becker

Es ist ein bekanntes Thema, dass die größten Gehaltszuwächse beim Wechsel des Unternehmens erzielt werden. Insoweit sollte man bei Unzufriedenheit mit der Gehaltssituation durchaus über einen Wechsel nachdenken. Andere Väter haben auch schöne Töchter! Gerade aktuell ist der Markt sehr gut und ein Wechsel birgt nicht nur gewisse Risiken sondern eben auch viele Chancen und neue Möglichkeiten. Dazu muss man natürlich bereit sein, die eigene Komfortzone etwas zu verlassen, und sich neuen Herausforderungen mit dem Willen stellen, diese bewältigen zu wollen. Dazu gehört eine gewisse geistige Beweglichkeit und Spaß daran, sich selbst immer wieder herauszufordern.

Im Projektgeschäft wird sehr gut verdient, und insoweit kann ein entsprechender Wechsel lohnend sein. Man muss dabei aber auch berücksichtigen, dass das Projektgeschäft oft wenig Komfortzone bietet, je nachdem, wie langfristig und komplex die Projekte angelegt sind. Auch wenn die Externen natürlich auch nicht das auf das Konto bekommen, was ihre Arbeitgeber von deinem Arbeitgeber bekommen, bleibt da oft schon noch deutlich mehr hängen. Dafür muss man dann aber vielfach bereit sein, viel unterwegs zu sein und nicht unbedingt einen geregelten Feierabend und ein freies Wochenende zu haben. Es kommt nicht von ungefähr, dass viele jüngere Menschen das machen, dann aber mit Familiengründung oder zunehmendem Alter doch die Komfortzone einer klassischen, eher stationären und dauerhaften Beschäftigung vorziehen.

Ansonsten kann man nur den guten Rat geben, seinem AG nicht mit dem Niveau der Externen zu kommen, oder mit allgemeinen Lohnsteigerungen und Inflation zu argumentieren. Gerade dann, wenn die Situation für den AG momentan schwierig ist, muss man vielmehr damit überzeugen, wie wichtig man für ihn genau dabei ist, diese Situation zu meistern, und ihm gegenüber aufzuzeigen, wie man dabei in der Vergangenheit (seit der letzten Erhöhung) zu seinem Vorteil jenseits dessen erfolgreich war, was ohnehin zu erwarten und mit dem bisherigen Gehalt auch abgegolten war.

wenn du so gut und gefragt bist warum kündigst du nicht, machst dich selbständig und lässt dich dann als externer Berater anstellen? :wink:

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da hast du natürlich recht.
Die Berater sind sicher nicht mein Maßstab. Ich bin ein wenig in die Gedankenschiene abgedriftet, weil das Unternehmen sehr viel Geld für diese Leute bezahlt und sie lange nicht das leisten (können) was die Festangestellten können.

Dass der Prophet im eigenen Land nicht zählt oder weniger zählt, ist wohl bei allen Firmen so. Das ist auch ein allgemeines menschliches Verhalten.
Udo Becker