indigene Totenkulte
Im Fundus der Riten und Mytheme indigener Völker - nicht nur afrikanischer - finden sich unter anderem immer auch Bestimmungen a) über den kultischen Umgang mit Toten und b) über die Bedeutung und die kultische Funktion der Ehe.
Dieser Fundus zerfiel und zerfällt aber im Laufe der Geschichte: Einerseits durch systematische Zerstörung durch radikale christliche Misionierung (römisch-katholische jahrhundertelang und in neuerer Zeit vor allem durch Evangelikale) und (vor allem im nördlichen Teil Afrikas) durch islamischen Einfluss. Anderseits durch die Auflösung der Dorf- bzw. Stammesgemeinschaften durch Abwanderungen, woduch dann mit dem Aussterben der jeweiligen Stammes-Ältesten auch die Weitergabe des kultischen Wissen über die Bedeutung der Riten und Kulthandlungen ausstirbt und dadurch auch die Konsistenz der Riten zerbröselt.
Zu dem Umgang mit den Toten zählt (als sozusagen weltweiter Standard), daß die Geister der Toten einerseits verehrt werden, anderseits eine Gefahr für die Lebenden darstellen. Es muss daher verhindert werden, daß die Toten aus dem Totenreich wiederkehren.
Einen Rest solcher rituellen, aber offenbar nicht mehr verstandnenen Bestimmungen gibt es auch in dem (leider nicht näher bezeichneten) Stamm in diesem Film: Der Teller des toten Ehemannes wird zerschlagen. Und „alle seine Gegenstände sind mit ihm gegangen . die Toten nahmen ihre Habe mit“. Eine charakteristische Symbolhandlung, wodurch verhindert wird, daß der Tote „an seinen Platz“ im Haus der Familie zurückkehrt.
Bezüglich des Umgangs mit der Ehe eines gestorbenen Ehemannes gib es zwei sich überlagernde Mytheme: Da der Geist des Toten keine Macht über die lebende Dorfgemenschaft haben darf, darf auch die Ehefrau nicht mehr am Leben der Gemenschaft teilnehmen, denn durch sie wäre der „Kanal“ in die reale Lebenswelt ja offen. Und weiterhin muss das Treueverhöltnis zwischen den Ehepartnern (und damit überhaupt die Ehe) erhalten bleiben. Da die Witwe aber nun „die Frau des Toten“ ist, muss auch sie den (zumindest sozialen) Tod sterben: Eine extreme Form davon ist die Sati, die Witweenverbrennung, die auch heute noch in zahlreichen hinduistischen Volksstämmen Indiens praktiziert wurd.
Beide Komponenten einer solchen „Ehe mit einem Toten Ehemann“ scheinen nun auch in der Erzählung der alten Frau in dem Film zur Sprache zu kommen. Sie stirbt „wie es früher Brauch war“ einen sozialen, also quasi symbolischen Tod. Die erzwungene unnatürliche Weise, wie sie sich bewegen muss, daß sie am Gemeinschaftsleben nicht mehr teilnehmen darf. Das mit dem „Hinknieen bei Begrüßung“ - ich zweifle, ob das eine korrekte (sowieso im Film oft skurrile) Übersetzung der Worte der Alten ist (Ihre Sprache ist nicht Swaheli, sondern eine von unzähligen lokalen Sprachen und Dialekten in Südost-Afrika). Es dürfte sich um eine jedenfalls nicht sozialkompatible Körperhaltung bei überhaupt einer physischen Begegnung mit einem Dorfbewohner gehandelt haben (die Frau deutet eine Neigung ihres Kopfes bei diesen Worten an).
Die Bedeutung des Ganzen ist jedenfalls in den genannten zwei totenkultischen Mythemen zu finden. Charakterisch, daß die Alte selbst die Bedeutung bzw. Begründung nicht weiß:
„Wozu diente dieser Brauch?“
„Unsere Vorfahren machten das eben so … es gab eben Bräuche, die befolgt werden mussten“
Gruß
Metapher