Gehirnblutung - Besuche von Personen

Meine Frau ist seit einer Woche auf der Intensivstation einer Uni-Klinik. Noch künstlich beatmet und im künstlichen Koma. Sie hat 3 Kinder, die ein paar dutzend Kilometer von der Klinik wohnen - nach 2 Tagen der erste Besuch. In der Klinik dürfen 2 Personen gleichzeitig am Krankenbett sein. Ich habe die Kinder gebeten, mich zu informieren, wann sie gedenken, meine Frau zu besuchen. So kann ich auch koordinieren, wenn die Freundinnen meiner Frau oder liebe Nachbarn sie besuchen können.

Heute bekam ich diese Email: „3.Möchten wir Dich bitten, Mama´s Intimsphäre und unsere Gefühle zu respektieren und keinen"fremden Besuch“ in die Intensivstation mitzunehmen.Damit meine ich Besucher die nicht zu Familie gehören.Sobald Mama sich wieder artikulieren kann, kann Sie dann selbst entscheiden, wen sie als Besuch sehen will und von wem sie gesehen werden will.Ich denke Du hast Verständnis dafür."

Was denkt Ihr?

Nun, ich teile die Meinung der Kinder.

Ich war dieses Jahr in derselben Situation wie du. Mein Vater lag im Koma mit Trachealkanüle, künstlicher Beatmung, künstlicher Ernährung, Katheter… das volle Programm.

Auch wir als Familie (Ehefrau und 2 Töchter mit Ehemännern) waren die einzigen Besucher. Wir haben ALLEN anderen Angehörigen (egal, wie nahe) den Besuch untersagt. Wir waren und sind auch immer noch der Meinung, dass niemand, der sich in einem solchen gesundheitlichen Zustand befindet, von anderen in diesem hilflosen Zustand gesehen werden will.

Wäre ich persönlich Patientin in diesem Zustand, würde ich auch nicht haben wollen, dass mich jemand - außer meinem Mann, meinen Kindern und meinen Eltern - in diesem Zustand sieht. Ich käme mir vor, wie in einem Schaufenster ausgestellt und könnte mich noch nicht mal artikulieren und mitteilen, dass ich das nicht will.

Alle unsere Verwandten und Freunde bzw. Nachbarn haben unseren Standpunkt respektiert. Auch auf die Gefahr hin, dass sie den Patienten nicht mehr lebend gesehen hätten.

Wenn deine Frau wieder aus dem Koma erwacht und sie sich in irgendeiner Weise ausdrücken kann und sei es nur mit Kopfschütteln oder Kopfnicken, dann frage sie selbst, ob es ihr nun Recht ist, auch andere Besucher zu empfangen.

Liegt sie noch im Koma, und hat sie sich vor ihrer Erkrankung diesbezüglich nicht geäußert, darfst du als Ehemann doch nicht voraussetzen, dass sie so gesehen werden will.

Auf die Gefühle und Wünsche der Nachbarn und Freunde brauchst du in diesem Fall m.M. keine Rücksicht zu nehmen. Es zählt einzig und allein deine Frau. Sie wird die Besucher eh nicht wahrnehmen. Welchen Nutzen haben also fremde Besucher, außer deren „Neugier“ zu befriedigen und deren „Gewissen“ zu beruhigen?

Echte Freunde verstehen, dass sie sie jetzt nicht besuchen können und halten sich über dich auf dem laufenden.

Ich hoffe, meine Worte waren jetzt nicht zu hart.

Mein Vater kann sich an die Zeit im Koma und an die ersten Wochen der Früh-Reha danach überhaupt nicht erinnern. Was hätten also fremde Besucher bezweckt?

Aber letztlich ist sie DEINE Frau. Du kennst sie sicher sehr gut. Wie hätte sie selbst vorher entschieden? Wenn du auf diese Frage keine Antwort hast, dann halte Besucher fern und respektiere ihre Intimsphäre.

Ich wünsche deiner Frau gute Besserung und euch beiden viel, viel Kraft für die kommende Zeit.

Wenn du noch Fragen hast, melde dich bitte. Ich kann deine momentane Situation noch sehr gut nachempfinden, war ich doch in der gleichen vor ein paar Monaten.

die Freundinnen meiner Frau oder liebe Nachbarn sie besuchen

Ich wünsche dir viel Kraft für diese schwere Zeit und da kann man Unstimmigkeiten in der Familie nicht auch noch gebrauchen. Deine Kinder kann ich auch verstehen. Ein hilfloser Mensch in Koma kann sich nicht wehren. Warte mit „fremden“ Besuchern, bis sie wieder aufwacht und bitte alle, die sich nach ihr erkundigen, eine schöne Karte zu schicken. Wenn sie dann aufwacht, wird sie sich über die Anteilnahme freuen.
Gina

Hallo

und vielen Dank für Deine Meinung.

Ich denke, dass ich den Wunsch und die Intimsphäre meiner Frau respektieren muss. Nicht aber die Gefühle der Kinder. Klingt hart, aber:

Eine sehr gute Freundin, die beruflich eingespannt ist, war immer da, wenn es meiner Frau schlecht ging - sie hat bei uns auch übernachtet. Diese Freundin ist auch im Testament meiner Frau berücksichtigt.

Die Kinder: nach 2 Tagen bzw 5 Tagen kam der erste Besuch. Das eine Tochter hat außer ihrem Hund und ihrem rüstigen Mann (Rentner) keine Verpflichtungen. Anreise mit Zug möglich, Dauer 1 Stunde. Beruflich: Hausfrau. Die zweite Tochter hat (private) Verpflichtungen, kann also nicht so einfach frei nehmen. Der Sohn wartet auf seine berufliche Reha, ist ca 1 Stunde Fahrt entfernt. Auch per Zug gut erreichbar.

Am ersten Besuchstag der Töchter waren sowohl ich als auch die beiden Töchter da. Ich habe den Töchtern den Vortritt gelassen und gebeten, dass ich nach einer Stunde zu meiner Frau darf für 15 Minuten. Nach 1:15 Std kamen die Töchter raus und beschwerten sich: „Wir haben wenig Zeit - und möchten unsere Zeit nicht bei einem Kaffee in der Kantine verschleudern“, erst dann kam eine Kurzzusammenfassung des Zustandes meiner Frau.

Die Töchter verlangen: „2. Möchten wir Mama besuchen wie es uns geschickt ist. Manchmal wird es sich spontan ergeben, wenn es mir oder Esther möglich ist einen Termin zu verlegen oder ausfallen zu lassen“.

Vor ein paar Jahren habe ich allen Kindern einen Brief geschrieben - etwa mit dem Tenor: „Meine Frau freut sich sicher, wenn die Kinder sie besuchen. Bevor es zu spät ist.“ Erfolg: im ersten Jahr etwa ein mal im Monat, danach flacht die Häufigkeit ab. Wohlgemerkt, Anreise per Bahn und / Auto ca 1 Stunde.

Bei mir verfestigt sich mehr und mehr der Gedanke: Familienzugehörigkeit gut und schön. Aber Taten zählen. Ich denke, dass ich im Sinn meiner Frau handle, sensible Personen, die auch die Kraft haben, ans Krankenbett mitzunehmen: es sind zwei, eine davon hat meine Frau im Testament nicht unwesentlich bedacht. Meine Frau hat mir mal gesagt: „die inquisitorischen Fragen (einer der Töchter) machen mich fertig. Ich will das nicht mehr“

Ja, Voyeurismus und Sensationslust: Davor werde ich meine Frau schützen. Die Ärzte sagen mir, dass Streicheln und Reden dem Heilungserfolg dienlich sind. Nur das zählt. Nur das, was meiner Frau hilft. Der Sohn saß bei dem bisher einmaligen Besuch ca 1 Meter vom Bett entfernt und las in einem Buch. Still - wohlgemerkt.

Weder meine Gefühle und Ansprüche noch die der „leiblichen“ Kinder meiner Frau dürfen mich beeinflussen. (Siehe den ersten Satz ganz oben)

Ich danke Dir für Deine Meinung. Ich sehe es auch so, dass der enge Keis sich schützend vor meine Frau stellen muss. Ob das Mitglieder der Firma sind oder ein ausgewählter Kreis - das ist eine schwierige Frage

Hallo dh1sbg,

sorry, hat etwas länger gedauert - ist nicht immer leicht, die richtigen Worte zu finden.

Eine „Gehirnblutung“ ist eine sehr ernste Sache, die tödlich enden kann. Ich bin zwar diesbezüglich Laie, aber ich schätze ohne OP wird’s keine Besserung geben(?).

Ich bin der Meinung, dass auch Menschen, die sich nicht artikulieren können, durchaus mitbekommen, was in Ihrer Umgebung vorgeht. Ob sie auch im künstlichen Koma was mitbekommen? Sollte eher nicht so sein, denn sonst bekämen sie die ganzen Schmerzen ja auch mit.
Aus der Sicht Ihrer Frau, verstehe ich die Ansicht Ihrer Kinder. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Ihre Frau in diesem Zustand, in dem sie keine Kontrolle über Ihren Körper und Ihr Aussehen mehr hat, vielleicht nicht von Ihren Freundinnen so gesehen werden will.

Ich habe ein Buch gelesen, geschrieben von einer Engländerin, die aufgrund der „Pille“ mit 34 Jahren einen Schlaganfall erlitt. Sie schreibt darin, wie schmerzhaft für sie die (vielleicht gut gemeinte) Radio- oder Fernsehberieselung war. Ich hab mal bei Amazon nachgeschaut, es müsste „Wenn du noch einmal geboren wirst“ von Christine Purkis heißen.
Wenn man darüber nachdenkt, dass ja im Kopf etwas nicht funktioniert, dann ist das ganz logisch. Und das ist es ja nicht allein, es können Regionen im Kopf angeschwollen sein, die dann durch den ungewohnten Druck allein schon schmerzen. Falls Ihre Frau operiert wurde, hat sie bestimmt Schwellungen im Kopf, die ihr ohne „Koma“ höllische Schmerzen bereiten würden.

Ich denke, es war nicht böse von Ihren Kindern gemeint, keine fremden Besucher auf die Intensivstation mitzunehmen. Es sind ja nicht ohne Grund nur 2 Besucher zugelassen - damit die Patienten ihre Ruhe haben. Überlegen Sie sich mal, wenn Sie an der Stelle Ihrer Frau wären, was würden Sie dann wollen???

Viele Grüße, viel Glück und gute Besserung für Ihre Frau
wünscht Ihnen

Johanna Karkosch

Guten Tag,

Ich meine auch, dass selbst gute Freundinnen jetzt wohl fehl am Platz sind, das hat Zeit, bis es ihr wieder besser geht. Angehörige sollten allerdings schon immer da sein und viel mit ihr sprechen. Etwas dringt immer durch. Ich wünsche dir ganz viel Kraft, diese schwere Zeit zu überstehen.
Liebe Grüße