Gehört der Himmel zur Landschaft ?

Ich bin gerade dabei eine Facharbeit zu schreiben; ich muss mich mit den Bildern von Philipp Otto Runge auseinander setzen in diesem Fall „Die Ruhe auf der Flucht“.
Mein schwepunkt ist die genauere Betrachtung der Landschaft. Zweifellos spielt der Himmel eine Rolle in diesem Zusammenhang, er ist die Quelle für das Licht welche Einfluss auf jeden Gegenstand und jede Person in dem Bild hat, aber kann man den Himmel direkt mit zur Landschaft zählen?
Wenn das so wäre hätte ich deutlich mehr Infos zum Ausführen und damit mehr Text! :smile:

Hallo!

aber
kann man den Himmel direkt mit zur Landschaft zählen?

Entschuldige, aber was für eine unsinnige Frage.
Der Himmel ist die Grenze/Horizont der Landschaft, insofern ist er nicht nur ein Teil, sondern ein ganz wesentlicher Teil der Landschaft.

Um es, dem Brett gemäß, philosophierend mit Heidegger (ganz die Systemtheorie und die Differenzphilosophie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorwegnehmend) zu sagen:

"Die Grenze ist jenes, von woher etwas sein Wesen beginnt."

E.T.

Hallo Ulrich,

Der Himmel gehört nicht zur Landschaft, wohl aber zur Aussicht !

Mit Gruss: harta

Funktion des Himmels im Runge-Bild
Hi.

Ich bin gerade dabei eine Facharbeit zu schreiben; ich muss
mich mit den Bildern von Philipp Otto Runge auseinander setzen
in diesem Fall „Die Ruhe auf der Flucht“.

Zweifellos spielt der Himmel eine Rolle in diesem
Zusammenhang, er ist die Quelle für das Licht welche Einfluss
auf jeden Gegenstand und jede Person in dem Bild hat, aber
kann man den Himmel direkt mit zur Landschaft zählen?

Deine Frage hat mit Landschaftsmalerei zu tun, wurde von Harta also missverstanden, der sie auf natürliche Landschaften bezieht, zu denen der Himmel selbstverständlich nicht unmittelbar zählt.

Ich kann auch ET nicht in dem Sinne zustimmen, wie er ein Ja begründet. Der Himmel hat in der Landschaftsmalerei nicht die Funktion eines Horizontes, erstens , weil ein Horizont Landschaft und Himmel trennt und zugleich verbindet, also nicht zum Himmel gehört. Genau genommen gehört er zur Landschaft.

Zweitens gehört der Himmel in der Landschaftsmalerei zur Landschaft, weil „Landschaft“ hier nun einmal das Gesamt von (natürlicher) Landschaft und Himmel bedeutet. Der Himmel macht hier oft die Hälfte oder noch mehr von der Stimmung aus, die vom Gesamtmotiv ausgeht. Das ist z.B. bei dem englischen Landschaftsmaler John Constable sehr spürbar, der für jedes Bild zahlreiche Himmelstudien anfertigte.

Im Bild des Katholiken Runge

http://www.kunstkopie.de/kunst/phillip_otto_runge/ru…

hat der Himmel, anders als bei den eigentlichen Naturmalern (wie Constable oder später den Impressionisten), eine „metaphysische“ Funktion: er steht (im christlichen Kontext formuliert) für das göttliche Lichtreich, dem die Christusfigur und die (im Katholizismus als Gottesmutter verklärte) Marienfigur entstammen oder mit dem diese zumindest in Verbindung stehen. Runge demonstriert das durch die Lichtreflexionen auf den erhobenen Händen des Christkindes und dem Gesicht der Maria. Die hellste Stelle des Bildes liegt im Zentrum, was die die religiöse Idee veranschaulicht, dass das Göttliche das Zentrum aller Dinge bildet. Eine seltsame Wolkenformation, die dieses Lichtzentrum von rechts begrenzt, erinnert deutlich an ein Teufelsgehörn, was Zufall sein mag, möglicherweise aber von Runge beabsichtigt war (dazu müsste man genauer über das Bild recherchieren). Links wird das Lichtzentrum vom Kopf des Joseph begrenzt, der eine, von Runge bewusst oder unbewusst suggerierte, Verkörperung des Gottesvaters darstellen könnte, ein Eindruck, der sich durch die Nachbarschaft des Kopfes zum göttlichen Licht irgendwie aufdrängt.

Chan

Hi!

Ich kann auch ET nicht in dem Sinne zustimmen, wie er ein Ja
begründet. Der Himmel hat in der Landschaftsmalerei nicht die
Funktion eines Horizontes, erstens , weil ein Horizont
Landschaft und Himmel trennt

Nein, nein, mein Lieber :wink:
Ich habe eine differenzphilosophische Perspektive eingenommen (da zähle ich auch Heidegger als deren Großvater dazu).
Aus dieser Perspektive trennt nicht der Horizont Landschaft und Himmel, sondern er ERZEUGT Landschaft und Himmel. Primat der Differenz.

Bei manchen Bilder ist schön zu sehen, wie der Horizont die im Bild verdoppelte Grenze von Bild und dem Außen des Bildes ist. Also quasi, der in das Bild aufgenommene Bilderrahmen.

Der Himmel macht
hier oft die Hälfte oder noch mehr von der Stimmung aus, die
vom Gesamtmotiv ausgeht.

Das ist ein sehr wichtiger Punkt.
Übrigens besonders auch im Zusammenhang des Einsatzes von (imaginierter) „Landschaftsmalerei“ in psychotherapeutischen Imaginationsverfahren.

E.T.

1 Like

Zum Himmel noch mal
Hi ET.

Der Himmel hat in der Landschaftsmalerei nicht die Funktion eines Horizontes, erstens, weil ein Horizont Landschaft und Himmel trennt

Ich habe eine differenzphilosophische Perspektive eingenommen

Nichts dagegen, aber die Frage ist, wie man diese Perspektive sinnvoll anwendet. Dass es dir in diesem Fall gelungen ist, darauf würde ich nicht wetten.

(da zähle ich auch Heidegger als deren Großvater dazu).

Hegel vergessen? (z.B. „Phänomenologie des Geistes“)

Ohne ihn gäbe es keine Differenzphilosophie.

Aus dieser Perspektive trennt nicht der Horizont Landschaft und Himmel, sondern er ERZEUGT Landschaft und Himmel. Primat der Differenz.

Das ist zu einseitig gedacht.

  1. Zunächst mal trennt eine Differenz, das Trennen ist ja gerade ihr Job. Der differenzphilosophische Gedanke besagt, dass durch die Trennung das Getrennte definiert und also „erzeugt“ wird. In deiner Darstellung geht diese Dialektik (die von Hegel kommt) verloren, du betonst nur das Erzeugende, vergisst aber das (vorausgehende) Trennende.

  2. Man kann eine Landschaft als Landschaft auch ohne einen Himmel bzw. dessen Ansicht würdigen, z.B. wenn der Horizont dem Blick aus irgendeinem Grund verdeckt ist. Das gleiche gilt für den Himmel. Wer im Gras liegend in den Himmel schaut, sieht nur ihn und eventuelle Wolken, aber keinen Horizont. Das sind simple Fakten, die du - versunken in die Theorie des Differenzphilosophischen - einfach übersiehst.

Diese simplen Dinge kann man auch in der Malerei finden, in Bildern, die entweder nur die Landschaft unterhalb des Horizontes bzw. bei Verdecktheit des Horizontes darstellen (z.B. manche Gartenlandschaften oder Ansichten eines Waldinnern) oder nur den Himmel (Wolkenstudien z.B., die auch Kunstwerke sind). Keiner wird da behaupten, dass, weil der Horizont fehlt, Landschaft oder Himmel nicht vorhanden sind. Deine Theorie passt leider nicht zur Realität der menschlichen Wahrnehmung.

Was du meinst, das ist mir, denke ich, schon klar. Philosophisch ist da was dran. Aber du verallgemeinerst zu sehr. Ich hoffe, das belegt zu haben. Du weißt ja: schon eine Ausnahme widerlegt ein Gesetz. Es gibt aber zahllose Ausnahmen von dem Gesetz, auf das du anzuspielen scheinst.

Beispiele:

http://www.google.de/imgres?q=van+gogh+landschaftsma

http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/Joh

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/aa/M

Chan

Hi Chan!

Ich habe eine differenzphilosophische Perspektive eingenommen
(da zähle ich auch Heidegger als deren Großvater dazu).

Hegel vergessen? (z.B. „Phänomenologie des Geistes“)

Ohne ihn gäbe es keine Differenzphilosophie.

Schwieriges Thema, welche philosophischen Richtungen ohne welchen Philosophen es nicht gäbe.
Unstrittiger ist die Einsicht, dass Hegel, gerade auch der Hegel der Phänomenologie, ein großer Denker der Identität war. Nur in diesem Rahmen der Identität (Substanz, Subjekt) ist bei ihm die Differenz zu verorten.

  1. Zunächst mal trennt eine Differenz, das Trennen ist ja
    gerade ihr Job. Der differenzphilosophische Gedanke besagt,
    dass durch die Trennung das Getrennte definiert und also
    „erzeugt“ wird.

Aus der Sicht der Differenzphilosophie ist dem eben NICHT so.
Die Differenz trennt nichts vorher Ungetrenntes, sondern das „ursprüngliche Ungetrennte“ ist, simpliziert ausgedrückt, eine metaphysische Rückprojektion, die Fiktion einer ursprünglichen Einheit.

  1. Man kann eine Landschaft als Landschaft auch ohne einen
    Himmel bzw. dessen Ansicht würdigen, z.B. wenn der Horizont
    dem Blick aus irgendeinem Grund verdeckt ist. Das gleiche gilt
    für den Himmel. Wer im Gras liegend in den Himmel schaut,
    sieht nur ihn und eventuelle Wolken, aber keinen Horizont. Das
    sind simple Fakten, die du - versunken in die Theorie des
    Differenzphilosophischen - einfach übersiehst.

Das bestreitet doch kein Mensch.
Es sollte aber doch klar sein, dass ein Bild, bei dem ich die Hälfte zudecke, wegschneide oder ausradiere nicht mehr das gleiche Bild ist.

Im konkreten Bild der Ausgangsfrage ist das eine aber nicht ohne das andere. Und wem dem so wäre, dann hätte sich die Ausgangsfrage auch gar nicht ergeben …

Diese simplen Dinge kann man auch in der Malerei finden, in
Bildern, die entweder nur die Landschaft unterhalb des
Horizontes bzw. bei Verdecktheit des Horizontes darstellen
(z.B. manche Gartenlandschaften oder Ansichten eines
Waldinnern) oder nur den Himmel (Wolkenstudien z.B., die auch
Kunstwerke sind). Keiner wird da behaupten, dass, weil der
Horizont fehlt, Landschaft oder Himmel nicht vorhanden sind.

Begreife doch bitte, dass die Ausgangsfrage gerade um die Differenz Landschaft/Himmel geht.
In dem angesprochenen Bild Runges ist fast genau im Zentrum eine große ‚Farbfläche‘ (um es neutral auszudrücken), die man nicht ohne weiteres entweder der Landschaft oder dem Himmel zuordnen kann. Wir haben also Grenzfragen zentral im Bild.
Hier zu fragen, ob der Himmel zur Landschaft gehört, wie es der UP macht, das ist ja fast schon grotesk.

Kein Mensch bestreitet überdies, dass es auch andere Bilder gibt.

E.T.

Hi Chan.

  1. Zunächst mal trennt eine Differenz, das Trennen ist ja
    gerade ihr Job.

„Damit bleiben trotz der Differenz Sein und Seiendes aufeinander bezogen. Keines ist ohne das andere denkbar: Ihr Verhältnis besteht in der Identität der Differenz.“

siehe:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ontologische_Differenz

Ihre Identität und nicht Trennung!
Du scheinst Heideggers
Terminus nicht zu kennen.

Oder wie er selbst sagt:
Er fragt nun nicht mehr nur nach dem Trennenden,
sondern auch nach der Selbigkeit von Seiendem und Seyn.

  1. Man kann eine Landschaft als Landschaft auch ohne einen
    Himmel bzw. dessen Ansicht würdigen, z.B. wenn der Horizont
    dem Blick aus irgendeinem Grund verdeckt ist. Das gleiche gilt
    für den Himmel. Wer im Gras liegend in den Himmel schaut,
    sieht nur ihn und eventuelle Wolken, aber keinen Horizont.

Was schlägst du dem Frager also vor?
Wenn Runge im Gras liegend nur den
Himmel gemalt hätte, dann gäbe es keinen
Horizont und auch keine Landschaft?
Sehr hilfreich! Es geht um genau dieses
Bild und nicht um deine Assoziationen dazu.

Oder ganz einfach naturwissenschaftlich gefragt,
wo wäre die Landschaft, das Gras, die Bäume, die
Lebewesen etc. ohne regenbringende Wolken, ohne
Sonne und Photosynthese?

E.T. hat ganz eindeutig Recht!

Der Knackpunkt des Bildes und das dürfte
wohl hinlänglich bekannt sein, ist die
Hand des Kindes, die aus dem Schatten
in die Sonne greift. Die Sonne als
Gottesmetapher, wie also könnte man den
Himmel nicht miteinbeziehen?

Und warum sollte man E.Ts kluger Antwort
widersprechen?

Deine Relativierungen machen wenig Sinn.

Gruß
Paul