Geistig Behinderte und Sexualität

Hallo,

meine Schwester (36) ist geistig behindert. Sie besucht eine Förderwerkstätte für Behinderte hier am Ort. Mehr zufällig erfuhr ich von einer Mitarbeiterin der Werkstätte, dass meine Schwester den Wunsch äusserte, dass sie gerne einen Freund hätte.
Die Mitarbeiterin der Werkstätte meinte, dass sie phasenweise richtig traurig darüber sei. Mit mir hat meine Schwester noch nicht darüber gesprochen. Ausser der Werkstatt hat sie eigentlich freizeitmässig relativ wenig. Zum besseren Verständnis: Ich wohne mit meinen Eltern im gleichen Haus (Drei-Fam.-Haus). Natürlich ist Sexualität was normales aber ich weiss nicht wie ich ihr helfen könnte. Meine Eltern sind bezüglich Sex sehr konservativ eingestellt. Ich persönlich z. B. habe mit meinen Eltern über Sex noch nie gesprochen. Die ganze Sache ist also nicht so einfach und normal wie es sein sollte. Nu kann man Leute die „so“ eingestellt sind nicht von heut auf morgen ändern.

Ich möchte mich eigentlich gar nicht in diese Sache einmischen. Dennoch fühle ich mich verantwortlich. Habe aber schon oft die Erfahrung mit meinen Eltern gemacht dass ich dann am Ende der Sündenbock bin.
Muss sagen dass ich bezüglich meiner Schwester sehr nah am Wasser gebaut bin und die ganze Sache macht mich irgendwie fertig. Ich sitze hier und könnt heulen, weil ich keine Lösung sehe.
Ich beantworte gerne weiter Fragen und freue mich über jede Hilfe!

LG

Hallo,

aus „gerne einen Freund hätte“ lese ich nicht unbedingt „will Sex haben“ heraus. Hast Du weitere Informationen jetzt nur nicht weiter gegeben, oder interpretierst Du da mehr hinein als da wirklich ist?

Natürlich sehnen sich auch Menschen mit geistiger Behinderung nach Nähe und Vertrautheit, und sie erleben es auch mit, dass Menschen in ihrem Umfeld Freunde haben, verheiratet sind, … Dies als erstrebenswert zu erachten, halte ich für vollkommen normal, und es stellt sich natürlich zunächst einmal die Frage, wie sie überhaupt jemand kennenlernen kann. Was daraus dann wird, kann durchaus auch sexuell geprägt sein, muss es aber nicht.

Zu meinen Zivizeiten (lange ist es her) habe ich beides erlebt. Da gab es innige Freundschaften mit Händchenhalten, Freundschaftsring, … aber auch nicht viel mehr. Und andererseits Leute die von Bett zu Bett hüpften, was immer dann sehr problematisch wurde, wenn der/die auf der anderen Seite dies nicht wollte, sich dem aber nicht ausreichend widersetzen konnte. Dazwischen natürlich auch die ganze Bandbreite von durchaus auch längerfristig treuen (auch sexuellen) Beziehungen, …

Freunde zu finden ist über die WfB, ein Wohnheim, die Träger entsprechender Einrichtungen, … die Diskos, Feste, … organisieren und anbieten durchaus möglich, und vielleicht kann schwesterlicher Rat, wie man sich an das Ziel der Begierde heranmacht da durchaus dienen.

Natürlich gehört dazu auch, sich vorab einmal in geeigneter Art und Weise darüber zu unterhalten, was es da für Erwartungshaltungen gibt, was die Erwartungshaltungen auf der anderen Seite sein könnten, und wie man dann damit umgeht, insbesondere auch was das Thema Verhütung angeht. Hierzu bieten sich natürlich besonders solche Maßnahmen an, die längerfristigen Schutz, hohes Kontrollpotential und geringe Möglichkeit der „Fehlbedienung“ besitzen. Bei unseren Damen waren damals gespritzte Präparate immer das Mittel der Wahl.

Gruß vom Wiz

Hallo,

aus „gerne einen Freund hätte“ lese ich nicht unbedingt „will
Sex haben“ heraus. Hast Du weitere Informationen jetzt nur
nicht weiter gegeben, oder interpretierst Du da mehr hinein
als da wirklich ist?

Müsst ich nochmal nachfragen. Ich habe das einfach auch so verstanden.

Natürlich gehört dazu auch, sich vorab einmal in geeigneter
Art und Weise darüber zu unterhalten, was es da für
Erwartungshaltungen gibt, was die Erwartungshaltungen auf der
anderen Seite sein könnten, und wie man dann damit umgeht,
insbesondere auch was das Thema Verhütung angeht. Hierzu
bieten sich natürlich besonders solche Maßnahmen an, die
längerfristigen Schutz, hohes Kontrollpotential und geringe
Möglichkeit der „Fehlbedienung“ besitzen. Bei unseren Damen
waren damals gespritzte Präparate immer das Mittel der Wahl.

Danke für deine Hilfe. Werde mir überlegen wie ich das am besten angehe.

LG

Hi,

ich kenne viele Behinderte, die eine Beziehung haben, in sehr verschiedenen Formen.
Ich habe einen geistig behinderten Pflegebruder. Seine Geburtstage erwiesen sich bisher immer als rauschende Feste, mit hohem "Verliebungs"faktor. Vielleicht willst Du ja mal gemeinsam mit Deiner Schwester so eine Partay planen? Unter Schwestern kann man ja durchaus mal drüber sprechen, wenn man so ganz hübsch findet?

Sehr wichtig finde ich aber, dass man trotzdem, in angemessener Weise, über Sexualität, eigene Grenzen und auch Verhütung spricht. Wenn Deine Eltern das nicht können, gibt es bestimmt in der WfB Deiner Schwester Sozilpädagogen, die als Ansprechpartner dienen könnten?

Wünsche Euch viel Erfolg!

Hallo,

gerade Familienmitglieder tun sich mit behinderten Kindern/ Geschwistern emotional oft schwer. In vielen Familien besteht eine starke Neigung, das „arme“, behinderte „Kind“ in Watte zu packen. So, also müsse man etwas gutmachen, was die Natur verbockt hat. Dabei übersieht man gerne mal, dass das „Kind“ keins mehr ist.

Wäre deine Schwester nicht behindert, hättet ihr beide mit hoher Wahrscheinlichkeit längst das eine oder andere Gespräch über Jungs und Liebe und Sex geführt. Aufgrund ihrer Behinderung steht sie aber anscheinend außerhalb der Wahrnehmung, dass sie nicht nur behindert, sondern eben auch Frau ist.

Wie Wiz schon schreibt, ist die Bandbreite an Vorstellungen von einer Partnerschaft groß. Ernstzunehmen ist sie in jedem Fall. Gute Behinderteneinrichtungen, in denen die Bewohner stationär aufgenommen sind, haben sexualpädagogische Konzepte. Dazu zählt immer und in jedem Fall sexuelle Aufklärung.

Vielleicht versuchst du’s mal mit einem Gespräch unter Schwestern? Frag’ sie doch mal, ob sie eigentlich einen Freund hat. Ich denke, sie wird gerne erzählen, was sie sich wünscht. Und für dich wird es dabei leichter werden, einzuschätzen, wo sie vielleicht Unterstützung brauchen könnte.

Schöne Grüße,
Jule

Seine
Geburtstage erwiesen sich bisher immer als rauschende Feste,
mit hohem "Verliebungs"faktor. Vielleicht willst Du ja mal
gemeinsam mit Deiner Schwester so eine Partay planen?

Klasse Idee! Bisher wurde nur in der Familie gefeiert. Also nicht besonders lustig.

Unter
Schwestern kann man ja durchaus mal drüber sprechen, wenn man
so ganz hübsch findet?

Ich weiss von zwei Bekannten wo sie die Namen gerne aufschreibt und ganz frech lacht wenn ich frage warum sie die aufschreibt. Sie geht auch gerne zum hiesigen Kiosk. Ich glaube da könnt auch was dahinterstecken.Das sind aber alles Nicht-Behinderte.

Sehr wichtig finde ich aber, dass man trotzdem, in
angemessener Weise, über Sexualität, eigene Grenzen und auch
Verhütung spricht. Wenn Deine Eltern das nicht können, gibt es
bestimmt in der WfB Deiner Schwester Sozilpädagogen, die als
Ansprechpartner dienen könnten?
Wünsche Euch viel Erfolg!

Danke!

Hallo Melli

Ich finde es toll, dass du dich um deine Schwester kümmerst.

Unsere Tochter ist 16, hat ein Downsyndrom und einen Freund. Bei ihr beschränkt sich das auf Händchen halten und einfach wissen, dass er sie gerne hat.

Gruss
HaegarCH

Danke dir!
o. w. t.

Hallo Haegar,

Ich finde es toll, dass du dich um deine Schwester kümmerst.

Och ja… bin halt ein Familienmensch!
Danke für die Blumen!

LG

Hallo Melli!

Ich habe auch schon mit verschiedensten Menschen mit verschiedensten Ausprägungen von Behinderungen gearbeitet und musste immer wieder feststellen, dass das Thema „Liebe und Sexualität“ gerne totgeschwiegen wird.
Geistig Behinderte Menschen werden oft als asexuelle Wesen betrachtet, was auch damit zu tun hat, dass man mit ihrem geistigen Stand etwas „kindliches“ assoziiert.
Natürlich haben diese Menschen das gleiche Bedüfnis nach Liebe und Sexualität.
Was die Liebe angeht, so wurden ja bestimmte Diskos etc. schon genannt. Außerdem gibt es mittlerweile eine extra Partnervermittlung für Menschen mit Behinderung:
http://www.schatzkiste-partnervermittlung.eu/
Sollte es sich nur um den Wunsch nach Sexualität handeln, ist das etwas anderes. Ich weiß, dass ich bei meinen (gesunden) Geschwistern rein GAR NICHTS über ihre Sexualität wissen möchte, und könnte mir vorstellen, dass der folgende Gedanke darum etwas komisch für dich ist:
Viele behinderte Menschen können sich nicht selbst befriedigen. Andere Länder sind in dieser Hinsicht viel fortschrittlicher, in Deutschland wird das leider immernoch unter den Teppich gekehrt. Vielleicht würde sie sich ja über ein Sextoy freuen.
In einem mir bekannten Wohnheim haben einige Bewohner Dildos und haben die „Anwendung“ z.T. von einer Sexualtherapeutin erklärt bekommen.

Alles Gute dir und deiner Schwester,
Dummbatz

Hallo erst mal .

es ist schön , daß Du Dir soviele Gedanken um Deine Schwester machst .

Aber „nur“ weil Deine Schwester geistig behindert ist , heißt das nicht , daß sie deswegen auf menschliche Nähe zerzichten muß oder möchte .

So wie Du das schilderst , wäre eine Familientherapeutin in lockerer Form natürlich in der Hinsicht , in wie weit sowas zu unterstützen ist und in welcher Form nach Rücksprache entsprechend (behandelnder Arzt , Vormund usw. ) angezeigt . – wenn dieser geistige Defekr weit voran geschritten ist .

Bei geistig behinderten Patienten gibt es aber auch in Kliniken (Landesheilanstalten) Begleitprogramme , wo diese Bedürfnisse der Patienten offen diskutiert werden und Verhaltensmodelle an geboten werden .

Hört man schon . Es ist erst mal zu klären , was der Sache im Weg steht . Und im Rahmen der Behinderung dann eben die Fürsorge oder als Vormund Fürsorgepflicht , wer das ist der neue Partner . Das wird sich nicht umgehen lassen , diese Person zum Wohle Deiner Schwester zu kontrollieren – weil sie ja zu 100 % nicht selbst entscheiden kann – darf .

Insgesamt wäre also zunächst unter Leitung einer qualifizierten Kraft , die auch die näheren Umstände und Deine Schwester kennt ein Gespräch , bei dem alle außer Deine Schwester anwesend sind , die das was an geht . Beim zweiten Gespräch kann man ja den Auserkorenen dazu nehmen .

So ungefähr läuft das in Tageskliniken in Landesheilanstalten ab , wenn im häuslichen Bereich so Sachen erörtert werden müssen .
Diese Werkstätten kann man ja im Prinzip so ähnlich sehen – dann allerdings als Beschäftigungstherapie .

So würde ich das machen >> alle an einen Tisch .
Denn > Hüh > Hott geht bei Behinderten nicht – geistig Behinderten schon mal gar nicht . Die brauchen konkrete Vorgaben , aber auch Liebe und Verständnis .

Was Anderes kann ich Dir auch nicht sagen so durchs Internet – weil jeder „Fall“ individuell zu sehen ist .

Kommt ja auch noch die medizinische Komponente hinzu , in wie weit ein gezeugtes Kind beeinträchtigt wäre . Das muß man Alles bedenken , wenn man die Verantwortung (Vormundschaft) für einen solchen Menschen übernimmt .

Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute Donnervogel

Sexualität ist auch für Behinderte kein Tabu.

Ein guter Freund von mir hat eine Spastik. Er kann sich dadurch noch nicht mal selbst befriedingen.
Nun haben wir die Möglichkeit der Sexualbegleitung entdeckt. da kommt eine Sexualbegleiterin, sie heißt Vimala,zu ihm ins Haus. Sie hilft ihm seine Sexualität zu entdecken, vom Kuscheln bis hin zum Verkehr.
Ihm tut das unheimlich gut,er kann dann sogar seine steifen Hände etwas entspannen, was ihm sonst nicht gelingt.
Manch einer kann das als Prostitution bezeichenen, ist es vielleicht in gewisser Weise auch, doch ich halte es eher für eine Form von Körpertherapie. Hier Vimalas HP: www.trotz-allem-lust.de

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