Hallo Claudia,
Glaubst Du, dass wenn ich dafür gesorgt hätte, dass Geldmangel
in meinem Leben unwichtig ist, dass dem auch so ist?
ich verstehe die Frage nicht so ganz. Ich vermute, du möchtest wissen, ob du - wenn du dir ein Ideal setzt - dieses auch wirklich durchhalten kannst - im realen Leben. Habe ich das so richtig verstanden?
Bei zwei Menschen entstehen doch automatisch neue
Wertemaßstäbe?
(ich brauche wenig Essen im Gegensatz zu meinem Mann. Ich lege
Wert auf Qualität bei Kleidung - ihm ist das für sich egal)
Zwei und mehr Menschen brauchen wesentlich mehr Geld als nur
ein Mensch. (Schulkinder werden mit zunehmenden Alter teuere -
dank der Schulen und Lehrer)
Natürlich ändern sich mit den gegebenen Umständen auch die Anforderungen. Deshalb ist es ja zu einem späten Zeitpunkt viel schwieriger, sein Leben zu ändern.
Im Grunde genommen ist alles eine Frage der Abwägung, also der Setzung von Prioritäten. Ich würde auch gern jeden Tag mindestens ein Drei-Gänge-Menü und das am liebsten noch im schönen Frankreich essen. Wenn ich mir das als Priorität gesetzt hätte, hätte ich vielleicht versucht, an der Börse zu spekulieren oder versucht eine reiche Frau zu heiraten oder eine Bank überfallen - eben weil das Essen bei mir auf Punkt 1 meiner Prioritätenliste gestanden hätte. Vielleicht wäre mir das sogar schon heute möglich, wenn ich mich nicht für die Gründung einer Familie mit Kindern entschieden hätte, die natürlich die Wahlmöglichkeiten bedeutend einschränkt. Aber das habe ich mir sehr lange überlegt - wirklich sehr lange.
Was ist mit dem Umfeld, dass einen nur mit einem bestimmten
Wohlstand akzeptiert - sprich unsere Gesellschaft wertet sich
durch Statussymbole auf. (unser Freund ist Existenzgründer,
Versicherungskaufmann, wird nur mit BMW als Kompetent
erachtet)
Wenn ich für mich antworten soll: Für mich sind Statussymbole unwichtig. Ich besitze kein Auto, einen einfachen Fernseher, Kühlschrank und Herd sind einfachste Ausstattung. Die Mikrowelle habe ich geschenkt bekommen, sie ist hilfreich, aber ich könnte auch ohne sie leben. Worauf ich Wert lege? Darauf, dass mein Computer einigermaßen funktioniert, jedenfalls für meine Anwendungen, dass ich genügend Geld zurückgelegt habe, um ihn bei einem Ausfall ad hoc reparieren lassen zu können, dass ich mir genügend Bücher leisten kann und genügend Zeit zum Lesen dieser Bücher habe - und dass ich gelegentlich tatsächlich ein Drei-Gänge-Menü (vielleicht sogar im schönen Frankreich) essen kann.
Wenn ich für meine Arbeit eben einen Führerschein und einen BMW oder sonst etwas bräuchte, dann wäre das natürlich ein guter Grund, mir etwas Entsprechendes anzuschaffen. Sobald aber nicht mehr der Nutzen, sondern die Eitelkeit dahintersteckt - und das muss natürlich auch jeder mit sich selbst ausmachen -, werde ich nachdenklich und frage mich, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin. Um es noch klarer zu sagen: Aus meiner Sicht muss die Umwelt erzogen werden, diese Statussymbole nicht zu fordern, denn für die Absicht, das Leben angenehmer zu machen - und das wollen wir eigenlich alle -, ist die Statusidee kontraproduktiv. Das wissen eben nur noch nicht alle. Aber natürlich muss auch hier jeder für sich entscheiden, wie weit er gehen will.
Da wir im Feminismusbrett diskutieren, möchte ich es auch gerne anders formulieren: Aus meiner Sicht kommt es darauf an, sich von Unnötigkeiten zu emanzipieren (als Mensch und als Mitmensch). Was für mich als Mensch notwendig ist, muss ich wieder selbst entscheiden. Da hat niemand hineinzureden. Aber was für mich als Mitmensch notwendig ist, darauf muss es erlaubt sein, hinzuweisen.
Als Anregung zum weiteren Nachdenken möchte ich einen Satz schreiben, der auf den ersten Blick betrachtet, hier gar nicht einschlägig ist, aber vielleicht auf den zweiten:
Wir kennen so viele „Krankheiten“, aber nur eine einzige „Gesundheit“. Könnte der Fehler vielleicht schon hier stecken?
Ich freue mich auf deine Antwort.
Herzliche Grüße
Thomas Miller
P. S. Wir machen heute mit unseren Kindern einen Ausflug mit historischen Straßenbahnen, was bestimmt viel Spaß machen wird.
Es muss nicht immer das teuere Ausflugsziel sein.