Gibt es eine Möglichkeit die in Kirchen befindlichen Gemälde irgendwo online
anzuschauen? Ich suche eine Madonnendarstellung, eher kleiner, die ich in der oben genannten Dominikanerkirche sah. In der Basilika befindet sich eine Art Marienkapelle. Wenn man davor steht hängt das Gemälde, ca. 80 x 100 cm oben links seitlich…eher unauffällig. Es zeigt eine Frauenfigur, Oberkörper mit davor erhobenen / verschränkten Armen. Ich meine, es war auch Wasser und ggf. andere Gestalten drauf zu sehen. Bin für jeden Tipp dankbar.
Die Basilika hat eine große Menge von Kapellen, darunter viele, die Frauengestalten geweiht sind. Damit eine Suche möglich ist, suche doch aus → diesem Grundriss vielleicht mal die raus, die du meinst.
Zu der Chapelle de l’Assomption de la Vierge (in der Graphik Nr. 9, Mariä Himmelfahrt, die auf ihrem Altarbild allerdings über der Brust gekreuzte Arme zeigt) findet sich der Kommentar: „au sommet une peinture de la même époque représente sainte Agnès de Montepulciano“ („am Gipfel ein Gemälde aus derselben Epoche stellt die Hl. Agnes von Montepulciano dar“).
Schönen Gruß
Metapher
Ich sehe gerade: Das Bild in der Annonce der Gemeinde von Sainte Marie-Madeleine ist nicht das Altarbild aus der Kapelle, sondern ein Gemälde von Murillo aus dem Prado. Der Altaraufsatz ist vielmehr dieser hier:
Man fragt sich, warum sie nicht dieses genommen haben. Das von dir gemeinte Bild ist da leider nicht zu sehen. Deine Beschreibung (gekreuzte Arme) deutet jedenfalls auf eine Assumpta-Darstellung hin. Aber vielleicht ist die von dir gemeinte Kapelle ja eh eine von den zahlreichen anderen.
Herzlichen Dank! Im Grundriss befindet es sich ca an Position a (klein) oberhalb des Säulenbogens. Es ist wie gesagt eher dezent und fällt vom Stil her auf (eher freizügige Darstellung, etwas holzschnitthaft gemalt). Zum Glück habe ich nun eine Darstellung in einem reisebericht gefunden. Leider weiss ich nicht, von wem es wann erstellt wurde.
Ah ja, ein interessantes Gemälde. Interessant deshalb: Gerade wollte ich noch hinzufügen, daß die Assumpta-Geste (vor der Brust gekreuzte Arme) in der Geschichte der Ikongraphie nicht nur der „Virgo“ Maria (Mutter Jesu) zugeordnet wird. Denn auch die Magdalena wurde einigen Legenden nach leiblich in den Himmel „aufgenommen“ (daher „assumpta“). So finden wir Magdalena (!) als Assumpta in diesem Habitus dargestellt bei Ribera 1636:
oder bei Antolinez 1672:
Und nun hast du ein Gemälde, in dem genau diese Geste eine ganz andere Bedeutung hat, nämlich die schamhafte Bedeckung der Brust. Und dies zusammen mit dem deutlich erkennbaren (man kann in dem Reisebericht das Bild ja vergrößern) Ölgefäß bezieht sich deutlich auf Lukas 7.36-50, wo auf einem Festgelage eine „stattbekannte Sünderin“ (gemeint ist eine Prostituierte) Jesus die Füße salbt. Die btw. nackte Dargestellte hat ja auch sehr langes Haar, das bei der Ölung eine besondere Rolle spielt, Sie bleibt bei Lukas namenlos. Aber weil es eine weitere Fußölungsszene derselben Art bei Johannes 12.1-8 gibt, wo diese Lady eine Freundin (Schwester des Lazarus und der Martha) Jesu aus Bethania ist, die Maria heißt, weiter aber eine Maria aus Magdala (ein Ort in der Nähe von Nazareth) bei Johannes eine entscheidende (und mit Jesus sehr eng vertraute) Rolle im Ostergeschehen spielt, hat legendäre Spekulation etwa seit dem 6. Jhdt. diese drei Frauengestalten (die Anonyma und die zwei Marias) miteinander vermischt bzw. identifiziert.
Seitdem ist im Volksglauben vor allem die Magdalena mit der „Sünderin“ legendär identisch geblieben. Und in dieser Tradition ist offenbar dein Gemälde entstanden. Denn an so exponierter Stelle gerade in dieser Basilika ist es nicht zweifelhaft, wegen der Pose und dem Ölgefäß, daß hier die johanneische Magdalena, identifiziert mit der lukanischen „Sünderin“, gemeint ist. Den Zweifel (insbesondere auch des Autors deines Reiseberichtes) kann man getrost fallen lassen.
Überraschend jedenfalls (ich finde es ikonographisch sogar sensationell) die Identität der Geste mit dem Assumpta-Habitus. Daher danke für den Hinweis, der durch deine Frage entstanden ist. Und auch dank des Reiseberichtes, denn diese Bild wird man wohl kaum in einer anderen Dokumentation finden.
Schönen Gruß
Metapher
Der Legende nach sollen ja Maria aus Bethania, Lazarus sowie Maria aus Magdala nach dem Ostergeschehen noch hier in die Provence gelangt sein. Der Vermischung der Identitäten wäre sicher nochmal interessant, vor dem Hintergrund der nicht in die Bibel eingegangenen Evangelien nachzuspüren. Wo könnte ich genauere Hinweise auf Urheber und Datierung des Bildes bekommen?
Ist der Totenschädel so zu deuten, dass sie sich bereits in einem Grab befindet und die Himmelfahrt unmittelbar bevorsteht?
So ist es. Das geht auf die → Legenda Aurea (Jacobus de Varagine, ca. 1264) zurück. Der Ursprung dieser Legenden-Episode ist unbekannt, der Autor wird sie kaum selbst erfunden haben. Die Frauen unter Führung der Madeleine seien in Saintes-Maries-de-la-Mer mit einem Boot gelandet, haben in einer Höhle Station gemacht (und zwar in den Klüften bei Saint-Maximin-la-Sainte-Baume) und hätten von dort aus in der Provence das Evangelium verbreitet. In der gesamten Provence wurde (und wird) ja die Magdalena geradezu göttlich verehrt. Das fällt übrigens zusammen mit einer imposanten Entwicklung von Kult und Theologie der Maria (Mutter Jesu) im 12./13. Jhdt. speziell in Südfrankreich.
Die Zitate aus den 4 kanonisierten Evangelien geben ja allein schon ein verwirrendes Bild über die Identität dieser Gestalt. (Wenn es dich interessiert, kann ich dir gern mal eine Liste dieser NT-Zitate zusammenstellen). Aber es kommt dazu, daß ab dem 2. Jhdt. im südlichen Mittelmeerraum eine enorme Verbreitung der Verehrung der Madeleine stattfand. Das setzte sich dann bis ins 4. Jhdt fort. Hier wäre vor allem zu nennen:
- Das „Evangelium der Maria“ aus dem Codex Berolinensis, Mitte 2. Jhdt.
- Die „Pistis Sophia“ aus dem koptischen Codex Askewianus, deren griechische Urversion ebenfalls ins 2. Jhdt. zu datieren ist.
- Erwähnt wird sie auch im „Thomas-Evangelium“, das vielleicht sogar aus dem 1. Jhdt. stammen könnte, und gefunden wurde in Nag Hammadi (NHC II,2)
– Und im „Philippus- Evangelium“, ca. 3. Jhdt., das in koptischer Sprache unter den Funden aus Nag Hammadi (NHC II,3, ca. 4. Jhdt) vorliegt.
Interessant an diesen (nicht-kanonisierten) Texten (Apokryphen, Pseudepigraphen) ist, daß die Magdalena als eine überaus rhetorisch gewandte und argumentativ durchsetzungsfähige Frau präsentiert wird, die sogar dem Wortführer Petrus deutlich und erfolgreich die Stirn bietet und Inhalte aus ihren persönlichen vertrauten Gesprächen mit Jesus outet, welche die anderen Jünger nicht kannten. Selbst, wenn man (einigermaßen gewaltsam) argumentieren möchte, daß diese Inhalte alle frei erfunden wären (warum auch?), ist die Präsentation einer solche Frauengestalt für diese Zeit der Spätantike im Raum zwischen Alexandria und Antiochia, bzw. Ephesus, enorm revolutionär. Besonders wenn man sie vergleicht mit der Frauenrolle in der (kanonischen) paulinischen Literatur des 1.Jhdts.
Und, nein, dafür, daß Jesus und Maria verheiratet waren, oder sogar Nachkommen hatten, bieten diese Texte keinen Hinweis. Daß ist rührende und vom durchaus frommen Wunsch begeisterte weitere Legendenbildung. Das rührt daher, daß in einigen der antiken Texte von Küssen die Rede ist, auch das schwer zu interpretierende „noli me tangere“ (siehe unten) aus Joh. 20.17 geht in diese Richtung. Aber das Küssen gehörte ohne erotische Valenz zum gesellschaftlichen Umgang (Judas küßt auch Jesus in Gethsemani, und auch Jesus küßt seinen Bruder Jakobus in einem der Texte).
Eine besonders intime Nähe (obwohl hier, wie gesagt, kein Name erwähnt wird) zeigt sich jedoch in der rührenden Szene in Lukas 7.38 (ich zitiere möglichst wortgetreu) „… und kam von hinten zu seinen Füßen, weinend, begann seine Füße mit Tränen zu benetzen, und trocknete sie ab mit den Haaren ihres Kopfes [sc.: Daher ihre Ikonographie mit durchweg sehr langem Haar. Mit einer Symbolik als Prostituierte, wie oft in katholischen Deutungen zu lesen, hat das nichts zu tun!], und küßte seine Füße, und salbte sie mit dem Salböl …“ In der analogen Szene in Joh. 12. 1-8, wo Maria aus Bethanien die Handlende ist, handelt es sich um Nardenöl, das damals teuerer war als Gold. Es gibt eine Schätzung, daß der Wert für einen solchen Ritus ca. 20 000 € entsprochen habe.
Der Totenschädel auf dem Gemälde: Ich vergaß zu Erwähnen, daß der Schädel zusammen mit Buch (= die Evangelien), Öl- bzw. Salbtopf und oft Kreuz, zu der ikonographischen Signatur der Heiligen zählen. Allein daran kann man erkennen, daß in deinem Bild die Magdalena gemeint ist. Alle Heiligen haben solche Signaturen.
Es gibt in der Malerei einige Standardmotive der Magdalena:
„Noli me tangere“: „berühre mich nicht!“ aus der Auferstehungsszene Joh. 20.11-18
„Magdalena in der Höhle“: Bezieht sich auf die Provence, sehr oft nackt dargestellt.
„Magdalena in Ekstase“: Eine Meditationsszene. Die Hände zum Himmel erhoben.
und
„Magdalenas Himmelfahrt“ bei der sie in der Regel von Engeln getragen wird.
Das häufigste Motiv ist aber
„Magdalena als Büßerin“: Dazu gehört entweder ihr (trauernder) Blick auf den Totenschädel 8auf oder unter dem Buch) oder der (flehentliche) Blick in den Himmel. Aber niemals - wie hier - mit ihrem Blick direkt auf den Maler! Zumal es hier auch noch ein sehr koketter Blick ist. Das ist das weitere Erstaunliche an diesem Gemälde. Das seltsame Gebilde vor ihr, an dem auch der Schädel lehnt, kann ich nicht entziffern.
Unter den möglichen Malern neige ich dazu, an den (ursprünglich flämischen) Antoine Ronzen (oft fälschlich „Rozen“ genannt) zu denken. Er gehörte zu den provencalischen → „peintres primitifs niçois“ des 14. bis 16. Jhdts, die sich auf religiöse Motive spezialisiert hatten. Auf Ronzen geht ja ein Großteil der Malereien in der Basilique Seinte-Marie-Madeleine zurück, und nach dem, was ich finde, scheint mir auch die Malweise zu passen. Daß der Totenschädel am Rand abgeschnitten ist, stört gewaltig die Komposition. Daher vermute ich, daß man hier ein ursprünglich komplettes Tableau abgesägt hat, um es in das Oval einzupassen.
Vielleicht findet sich in → diesem Buch über Ronzen Näheres?
Gruß
Metapher