Nun ja,
Diese beiden „Beiwerte“ sind ermittelte, gemessene Werte. Sie beziehen sich jeweils nur auf das, meist im Windkanal, gemessene Objekt (Geometrie). Der besondere Clou dieser Beiwerte ist, dass sie dimensionslos sind. Dadurch ist man in der Lage, verschiedene Geometrien, zB. Flügelformen, direkt miteinander zu vergleichen, bezüglich ihres zu erwartenden Widerstandes und der erzeugten Auftriebskraft. Beide Beiwerte sind auf Gedeih und Verderb miteinander verheiratet. Steigt der Auftrieb eines Profiles, dann steigt auch sein Widerstand, daran führt kein Weg vorbei und umgekehrt. Dieser Zusammenhang ist aber, zum Glück für alle Flugzeugkonstrukteure, nicht linear. Es gibt beim Anstellen eines Flugzeugprofiles ( Veränderungen des Anstellwinkels gegenüber dem ihn umströmenden Fluid) Bereiche, in denen der Anstieg des Widerstandes im Vergleich zum Anstieg des Auftriebes geringer ist als anderswo. Um die optimalen Werte herauszubekommen und das möglichst schnell, hat sich Otto Lilienthal vor sehr, sehr langer Zeit einen genialen Trick ausgedacht - Die Polare. Hier werden der Auftrieb und der Widerstand in Abhängigkeit vom Anstellwinkel gegeneinander in einem Diagramm aufgetragen. Die Kurve die dabei entsteht, die sogenannte Polare, hat immer eine „Nierenform“ (Vergleich irgendwo im WWW). An dieser Kurve kann man nun in Sekunden die wichtigsten Daten des Profiles ablesen. Man kann sofort sehen :
a) wie weit ich das Profil anstellen kann bis die Strömung abreisst
b) wann Null-Auftrieb herrscht
c) bei welchem Anstellwinkel ich das optimale Verhältnis zwischen Auftrieb und Widerstand bekomme
oder anders ausgedrückt, wie ich mit gleicher Kerosinmenge am weitesten Fliegen kann.
Der Auftrieb hängt dabei mehr von der überströmten Fläche ab, der Widerstand eher von der angeströmten Fläche. Aber das alles ist nicht ganz so einfach, denn der Gesamtwiderstand setzt sich aus mehreren Einzelwiderständen zusammen, beispielsweise dem Formwiderstand (Geometrie), dem Reibungswiderstand (Oberflächenbeschaffenheit) und dem induzierten Widerstand, der durch Wirbelschleppen an den Flügelspitzen hinter der Tragfläche erzeugt wird, die praktisch wie Bremsfallschirme aus Luft hinter dem Flugzeug hergezogen werden.
Ein symetrisches Profil, dass in eine Luftströmung gehalten wird, erzeugt keinen Auftrieb wenn es keinen Anstellwinkel hat. So liegt es flach in der Strömung und bietet dem ankommenden Luftstrom möglichst wenig Widerstandsfläche. Sein Widerstand ist jetzt minimal. Stelle ich das Profil jetzt etwas gegen die Strömung an, vergrössert sich die angeströmte Fläche (Schattenbild)und wird relativ zur Anströmung asymetrisch. Dadurch wird aber Auftrieb erzeugt. Wir sehen : Steigender Widerstand zieht steigende Auftriebskräfte nach sich. Das geht so weiter bis zu einem bestimmten Anstellwinkel, der von der Geometrie des Profils abhängt. Ab diesem Punkt entsteht hauptsächlich „schädlicher“ Widerstand. Die Strömung beginnt sich vom Profil zu lösen und es entstehen nun auch mitten über den Tragflächen grössere Wirbel, die den Widerstand erhöhen, aber keinen weiteren Auftrieb liefern, also als parasitär zu bezeichnen sind. All diese Faktoren werden zum Widerstandsbeiwert verheiratet.
Der Auftriebsbeiwert hängt ausserdem sehr stark von der gewählten Geometrie der Tragfläche ab (Vergleich NACA-Profile, Göttinger Profile, etc.)
Es gibt asymmetrische Profile, die bereits ohne Anstellwinkel Auftrieb erzeugen. Dadurch verändert sich naürlich die Polare sehr stark gegenüber der eines symmetrischen Profiles, da der Null-Auftrieb erst bei einem bereits negativen Anstellwinkel eintritt, während wir ja weiter oben gelernt haben, dass symmetrische Profile ihren Null-Auftrieb bei 0 Grad Anstellwinkel haben. Und gerade hier wird der Vorteil der Polare besonders klar. Ich kann zwei völlig verschiedene Geometrien auf einen Blick miteinander vergleichen und entscheiden ob sie für meinen Anwendungszweck in Frage kommen. Für einen Passagierjet würde ein symmetrisches Profil beispielsweise überhaupt keinen Sinn machen. Man müsste das Profil so stark anstellen, um den nötigen Auftrieb zu erzeugen, dass die angeströmte Stirnfläche des Flügels so gross wäre, dass ich Unmengen an Kerosin nur dafür bräuchte. Also nimmt man dort ein asymmetrisches Profil, dass schon bei minimaler Stirnfläche maximalen Auftrieb erzeugt. So kann man parasitäre Widerstände möglichst klein halten und „Sprit sparen“.
Bei einem Kunstflieger muss man beispielsweise auch auf dem Rücken fliegen können (was wohl eher weniger zum Anforderungskatalog eines A380 gehört), hier macht ein dickes, symmetrisches Profil einen Sinn, da es in beide Richtungen Auftrieb erzeugt, auch wenn man auf dem Kopf fliegt, man muss es nur richtig anstellen gegen die Strömung. Ein dickes Profil reagiert ausserdem weniger empfindlich auf grosse Anstellwinkeländerungen, so dass die Strömung nur selten abreisst, was den Piloten freuen wird. Was der Vogel bei einem Red Bull Air Race hingegen an Sprit braucht kratzt niemanden.
Der Auftrieb eines Profiles hängt aber ausserdem quadratisch von der Strömungsgeschwindigkeit ab. Will man bei der Landung langsam fliegen, fällt der Vogel einfach vom Himmel wenn man nicht irgendetwas verändert, denn die Auftriebskraft ist bei langsamerem Flug nicht mehr in der Lage das Gewicht des Flugzeuges in der Luft zu halten. Aber was soll man ändern?
In die Berechnung des Auftriebes gehen folgende Faktoren ein:
a) überströmte Fläche des Flügels (Ansicht von oben)
b) Luftdichte
c) Fluggeschwindigkeit (quadratisch)
d) Ca-Wert
An den Punkten a und b können wir wenig ändern,
der Punkt c wird bestimmt davon was der Vogel bei der Landung an Last ertragen kann und wie ich ihn zum Stehen bringen muss.
Einzig der Auftriebsbeiwert Ca kann aktiv von uns manipuliert werden. Aber wie ???
Genau, die Landeklappen. Durch den Einsatz der Klappen wird die Geometrie der Tragflächen stark geändert und auch die überströmte Fläche vergrössert. Durch Klappen an der Vorderkante wird ebenfalls die Kehlung der Tragfläche erhöht wodurch nochmals der Auftrieb steigt. Achten Sie mal bei ihrem nächsten Flug darauf, wozu der während des fast gesamten Fluges sehr schlanke Flügel mutiert wenn der Vogel zur Landung ansetzt.
Man könnte stundenlang so weiter schreiben und wäre noch nicht fertig, aber ich hoffe ich konnte einen kleinen Einblick in die Aerodynamik geben und einige Fragen klären. Wenn nicht, dann einfach weiterfragen, aber dann wenns geht detailliert.
Gruss
paraflysurf