Guten Tag, hier eine ganz fundamentale Frage mit einem konkreten Beispiel:
Wir sind (theoretisch) ein Rechtsstaat, weil die Mehrheit der Bevölkerung davon ausgeht,
dass es fairer zugeht, wenn Verhalten per Vorschriften geregelt wird, Fehlverhalten ggf. bestraft wird.
Gibt es seriöse Studien oder Schätzungen, wieviel % es ca. mehr (bisher als solche definierte) Straftaten, Ordnungswirigkeiten u. dgl. gäben bei Straffreiheit?
Gäbe es nicht deutlich mehr Morde in der BRD, wenn dies völlig legal wäre? Gibt es dazu prozentuale Schätzungen?
Noch konkreter: Stimmt Ihr der These zu, dass der sexuelle Missbrauch von (schutzbefohlenen) Kindern durch katholische Priester zum großen Teil dadurch verschuldet worden ist,
dass diese Priester zuvor zutiefst verinnerlicht hatten, dass sie real, faktisch als Priester mit Übermacht, bei denen weggeschaut wird, straflos davonkommen würden?
Umgekehrt: Wären solche Priester von Anfang an und konsequent und öffentlichkeitswirksam fair bestraft worden, hätte es die meisten solcher Missbrauchsskandale nicht gegeben?!
Faire Strafe wäre gewesen: Entlassung, Berufsverbot, Streichung der Ruhestandsbezüge, Gefängnis.
Nochmals: Gibt es seriöse Studien, Schätzungen, wieviel Prozent ca.
von Ordnungswidrigkeiten, Straftaten und schwersten Verbrechen durch angemessene und real umgesetzte Bestrafung verhindert werden?
frdl. Grüße Karl
Wenn es legal ist, gibt es keinen Mord. Wenn es
gibt, ist es keine Straftat.
Rosen, sie reden irre.
Ich denke, auch @anon45458312 weiß, was gemeint ist.
Sollte doch in jedem 1. Semester Jurastudium ein Thema sein:
Wieviel % jurist. relevantes Fehlverhalten wird denn durch Gesetze und Sanktionen ca. verhindert?
Hi.
Das wird dir niemand beantworten können. Wie denn auch? Solange es eben Gesetze und Sanktionen gibt, findet man keine Vergleichswerte.
Auch der Bezug auf Priester etc. ist nicht mehr als: „Hätte, hätte, Fahradkette“.
Warum ist das eigentlich interessant?
Wie in aller Welt soll man das feststellen können?
Auch Priester wissen, dass sexueller Missbrauch von Kindern strafbar ist. Und entgegen des allgemeinen Eindrucks, der durch die Berichterstattung entstanden ist, werden katholische Priester nicht häufiger zu Tätern als evangelische Pfarrer, atheistische Lehrer, engagierte Sporttrainer, arbeitslose Pflegeväter etc.pp. - lediglich die Vertuschungspraktiken sind in der katholischen Kirche ausgeprägter (gewesen) als in manch anderen (aber keineswegs allen - man denke beispielsweise an die Odenwaldschule) Institutionen.
Das Entscheidende bei sexuellem Missbrauch von Kindern ist nicht die Fehlannahme, dass er nicht strafbar sei, sondern die Tatsache, dass sich der Täter dem Opfer gegenüber in einer Machtposition befindet und deshalb davon ausgeht, dass die Tat niemals an die Öffentlichkeit kommt.
Als ich im Gefängnis war, habe ich dort zahlreiche böse Menschen kennengelernt. Logo, wird jetzt manch einer sagen, ist ja auch ein Gefängnis. Aber die waren wirklich böse, so, dass es auch mir Unbehagen bereitet hat, in ihrer Nähe zu sein. Das waren Menschen, die Freude daran empfunden haben, anderen Menschen entsetzliches Leid zuzufügen, meist vollkommen unschuldigen Menschen. Gewalt wurde um ihrer selbst Willen ausgeübt und nicht, wie bei vielen anderen Kriminellen, als Mittel zum Zweck. Der einzige Grund, der diese bösen Menschen davon abgehalten hat, ihre Bösartigkeit voll auszuleben, war die Angst vor Strafverfolgung und Verurteilung. Straffreiheit, im Stile von „The Purge“, würde insbesondere die Schwächsten zu Opfern machen und eine konstante Verrohung der Gesellschaft zur Folge haben
Ich denke, seriös im Sinne zahlenmäßig korrekt, ist auch bei Themen wie Schwarzarbeit oder Steuerhinterziehung schwer bis unmöglich.
Ein paar grundsätzliche Gedanken zu deinem Thema (etwas offtopic):
Nennen wir es weltlicher Rechtsstaat, neben einem Kirchenstaat (im weltlichen Staat) mit Kirchenrecht. Darüber hinaus haben wir beispielsweise Sportgerichtsbarkeiten, die in den einzelnen Verbänden die Belange regeln, ein Fußballspieler kann zu einer Geldstrafe vom Verein „verurteilt“ werden, unterschiedliche Compliance-Regeln in anderen wirtschaftlichen/gesellschaftlichen Bereichen, usw., schier endlos.
Das Gemeinsame ist, dass sie alle über allgemeine Regeln hinaus - der weltliche Rechtsstaat ist der übergreifende Rahmen - ihre eigenen, spezifischen Spielregeln haben, und zugehörige Maßregelungsmöglichkeiten (Strafen).
Das ist so nicht korrekt. Das Kirchenrecht hat durchaus Regelungen und Maßnahmen vorgesehen, auch gegen sexuellen Missbrauch. Lesenswert imho
(am Ende zwei weitere Links, die man mitnehmen sollte). Es gibt keine Straffreiheit in diesem Zusammenhang in der Kirche.
Sexueller Missbrauch von Kindern in der Kirche ist ein emotional hochbelastetes Thema.
Dabei sollte man nicht übersehen, dass auch in der sonstigen weltlichen Gesellschaft dieses Thema mit einer hohen Zahl an Taten und Dunkelziffer belastet ist. Und der „weltliche Rechtsstaat“ auch an seine Grenzen kommt.
Dass es erst jetzt zur größeren Aufklärungswelle kommt, liegt wohl daran, dass
- die Kirche ein sehr strenges, abgeschottetes internes System betreibt
- die restliche Gesellschaft sehr unterschiedliche Werte und Bewertungen in sich trägt, beispielsweise Abtreibung betreffend, oder allgemein verbindliche Grenzen zwischen Pädophilie und Missbrauch sucht, über Pädophilie und deren Strafbarkeit nachdenkt,…, und mit solchen Themen und deren Regelung selbst beschäftigt und nicht am Ziel ist.
Ich meine, dass es Veränderung bereits gibt (die Zahl staatsanwaltlicher Zugriffe steigt), weitere geben wird, und es grundsätzlich auf einem guten Weg ist.
awM
PS: Dein anderes Thema „Straffreiheit“ oder „Strafe, Vergeltung, Sühne“ würde ich allgemeiner im Philosophieforum anbringen. Könnte sehr spannend werden.
Du solltest endlich verstehen, dass allein Gesetze festlegen, was juristisch relevant ist. Du willst stattdessen eine nicht festgelegte, diffuse Moral als eigentliches Gesetz darüber stellen - das aber gar nicht definiert sein kann.
Äpfel und Birnen zu vergleichen hat noch nie zu irgendwas geführt.
Moin,
du vermischst hier m.E. zwei Themen. Sexueller Missbrauch durch Priester und die Angst vor Strafe.
Zum sexuellen Missbrauch hat @kamikazekatze schon etwas geschrieben.
Zur Straffreiheit: Drakonische Strafen (wie z.B. die Todesstrafe in einigen Bundesstaaten der USA) helfen nicht, um Verbrechen spürbar sinken zu lassen. Texas hat die meisten Todesstrafen ausgesprochen und die meisten Hinrichtungen vorgenommen. Trotzdem ist Dallas eine der gefährlichsten Städte der Welt.
Selbst die wirklich umstrittene und extrem inhumane Threestrikes-Regel (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Three_strikes) hilft nicht in der prophylaktischen Verbrechensbekämpfung.
Deine eigentliche Frage kann nicht seriös beantwortet werden, einfach, weil es dazu keine Erhebungen gibt. Wozu auch? Es nützt mir am Sonntag nix, dass ich am Samstag die Zahlen 5,6,7,8,9 und 10 im Lotto angekreuzt haben müsste, um im Lotto zu gewinnen.
Soon
Weiß ich nicht. Aber selbst wenn man ein Verbot wegfallen läßt, braucht es eine Zeit, bis diese neue Gesetzeslage ihren Weg in die gesellschaftlichen Werte- und Moralvorstellungen gefunden hat.
Möglicherweise gibt es solche Beispiele, und möglicherweise hat das jemand wissenschaftlich untersucht. Wäre tatsächlich mal interessant.
Kleine Anektode dazu:
In unserer (Klein)stadt waren mal beide Politessen krank. Es stand ein Artikel in der Tageszeitung, dass die Parkkontrollen wohl erstmal nicht so konsequent wie bisher weitergeführt werden können.
In der Folge sah man tatsächlich mehr abgelaufene Parkuhren und Autos im Parkverbot als vorher.
Trotzdem haben alle Falschparker darauf geachtet, dass niemand behindert wird - „Rücksichtnahme auf andere“ hatte man also schon noch irgendwie im Kopf.
Das ist natürlich ein anderes Kaliber. Ob man jemanden umbringt, weil es nicht sanktioniert wird, hat weitreichendere Folgen als ein ordnungswidrig abgestelltes Auto.
Jede Gesellschaft weltweit, ob in Deutschland, in China oder im brasilianischen Regenwald, hat sich bestimmte Werte und Regelwerke definiert, um ein langfristig erfolgreiches Zusammenleben zu ermöglichen. Und jede Gesellschaft hat sich auch Strafen für Regelverstöße überlegt. Scheint also zwingende Voraussetzung für ein funktionierendes Miteinander zu sein.
Wäre Mord (oder auch Körperverletzung, Eigentumsdelikte, …) straffrei, würden sich wohl langfristig Zustände entwickeln, die man nicht mehr „Leben“, geschweige denn „Zusammenleben“ nennen könnte.
Das zu untersuchen dürfte kaum möglich sein. Evtl. findet sich in den sog. „Failed States“ Material für so eine Studie.
Mit Sicherheit hätte es wohl weniger gegeben. Aber viele Straftäter haben ja auch irgendwo die Hoffnung bzw. den Glauben „mich kriegen sie nicht“. So jemanden hält auch die Todesstrafe nicht von seiner Tat ab.
Gruß,
Kannitverstan