Genitiv-Apostroph plus Alphabet

Hallo, liebe Deutschexperten!

  1. Der überflüssige Genitiv-Apostroph ist mir hinlänglich bekannt. Ich habe ihn bis jetzt für eine Erscheinung der letzten fünf, vielleicht zehn Jahre gehalten, für einen Anglizismus wie viele andere. Nun habe ich den „Zauberberg“ von Thomas Mann gelesen, und zwar in einer Ausgabe, die 1972 gedruckt wurde. Alter Schinken halt. Und dort las ich in einer Zeile:

… Claudia Chauchat’s und Hippes …

In einer Zeile zwei verschiedene Formen, also einmal richtig, einmal falsch? Im Rest des Buches übrigens mal so, mal so. War es um 1920, als Mann das Buch schrieb, korrekt, wie es im obigen Beispiel ist? Es könnte sein, dass der Herausgeber 1972 die Originalzeichensetzung beibehalten wollte, aber dafür müsste es einen Unterschied zwischen den zwei Namen geben, der den Unterschied in der Zeichensetzung bedingt und den ich nicht sehe. Oder hat der Herausgeber 1972 schlichtweg geschludert und wenn ihr das vermutet, was haltet ihr für den Auslöser dieser Schlamperei? Wie steht’s denn in der Originalausgabe?

  1. Diese Frage bezieht sich auf eine Stelle aus demselben Buch, die ich exakt nicht wieder finde. Jedenfalls steht darin etwas von den „25 Buchstaben“ des Alphabets. Sind das nicht 26? :wink: Welcher „fehlte“ damals noch?

Vielen Dank für aufschlussreiche Antworten im Voraus!

Gruß!
Christopher

Hallo, Christopher,

Thomas Mann auch Nietzsche und viele andere Autoren, die ihr Deutsch vor Duden gelernt haben, benutzten den Apostroph bei Genitiven häufiger und freier. Vor allem bei Namen oder bei Fremdwörtern war er durchaus üblich.

Nietzsche z. B. scheibt auch - als Schweizer auf Zeit - meist ss statt ß.

Oder hat der Herausgeber 1972 schlichtweg
geschludert und wenn ihr das vermutet, was haltet ihr für den
Auslöser dieser Schlamperei? Wie steht’s denn in der
Originalausgabe?

Da müssest du die Verlagsleute fragen. Solche Unstimmigkeiten begegnen immer wieder.

  1. Diese Frage bezieht sich auf eine Stelle aus demselben
    Buch, die ich exakt nicht wieder finde. Jedenfalls steht darin
    etwas von den „25 Buchstaben“ des Alphabets. Sind das nicht
    26? :wink: Welcher „fehlte“ damals noch?

Früher wurden „i“ und „j“ nicht so säuberlich geschieden wie heute. Hölderlin schreibt meist „iezt“, noch früher konnte man „izt“ lesen. Noch heute kannst du in alphabetischen Aufzählungen finden, dass nach dem „i“ gleich das „k“ kommt.

Für den Anfang weiß ich nicht mehr zu sagen.

Gruß Fritz

Klasse!
Hallo, Fritz!

Thomas Mann auch Nietzsche und viele andere Autoren, die ihr
Deutsch vor Duden gelernt haben, benutzten den Apostroph bei
Genitiven häufiger und freier. Vor allem bei Namen oder bei
Fremdwörtern war er durchaus üblich.

Sehr einleuchtend!

Früher wurden „i“ und „j“ nicht so säuberlich geschieden wie
heute. Hölderlin schreibt meist „iezt“, noch früher konnte man
„izt“ lesen. Noch heute kannst du in alphabetischen
Aufzählungen finden, dass nach dem „i“ gleich das „k“ kommt.

Ich hatte es mir fast gedacht, aber Du hast mir Gewissheit verschafft. Vielen Dank!

Für den Anfang weiß ich nicht mehr zu sagen.

Alles geklärt, denke ich. Was will man mehr?! :smile:

Gruß!
Christopher

Hallo Christopher & Fritz,

Nun, laut Duden kann man den Apostroph bei Eigennamen setzen, um ihn deutlicher zu machen. Das sieht man heute auch noch oft, so im Sinne von „Inge’s Blumenlädchen“ oder dergleichen. Ich weiß allerdings nicht ob’s auch in diesem Fall zutrifft, bei dem Buch.

Grüße,

  • André

nicht ganz (berichtigt)
Hi André,

Nun, laut Duden kann man den Apostroph bei Eigennamen setzen,
um ihn deutlicher zu machen. Das sieht man heute auch noch
oft, so im Sinne von „Inge’s Blumenlädchen“ oder dergleichen.

der einzige mir bekannte Fall, wo der Apostroph (das Auslassungszeichen!) benutzt werden darf, um das Auslassungszeichen einzufügen, ist das Hervorheben des Eigennamens bei Formen wie „Leyden’sche Flasche“ oder „Legner’sche Buchhandlung“. So steht’s im Duden; dieser Beitrag hat mich übrigens zu der Erkenntnis gebracht, dass der Duden dem Volk aufs Maul schaut und nach hinreichend langem Gebrauch jeder Blödheit den Status „amtlich“ verleiht.

Gruß Ralf

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Ergänzung
Hallo, Ralf!

der einzige mir bekannte Fall, wo der Apostroph (das
Auslassungszeichen!) benutzt werden darf, ist das Hervorheben
des Eigennamens bei Form wie „Leyden’sche Flasche“ oder
„Legner’sche Buchhandlung“.

Dazu gleich eine Frage:
Wenn ich jetzt, sagen wir mal, etwas über die Romane von Günter Grass schreiben will, lautet dann die richtige Form „Grass’sche Romane“? (Oder etwa „grassistisch“? *gg*) Ich erinnere mich an eine Möglichkeit, das ganze klein und/oder zusammen, also „grass(’)sche“ (ist jetzt ein schlechtes Beispiel mit den beiden ‚s‘ am Ende), schreiben zu können. Gibt es da noch eine zweite Möglichkeit?

Aber zum Genitiv zurück: Hier ist der Apostroph als Kennzeichnung wohl nur in dem Fall möglich, wenn ohne Setzen eines Apostrophes unklar bliebe, wie der Name des Besitzers/Inhabers/Verursachers/… lautet: Beispielsweise könnte man bei „ Andreas Frisiersalon “ auch an einen männlichen Besitzer denken, während die Schreibweise „ Andrea’s Frisiersalon “ Klarheit verschafft. Dass bei einem männlichen Besitzer dort „Andreas “ (also mit Apostroph hinter dem ‚s‘, man sieht das schlecht) stehen müsste, ist eigentlich Eindeutigkeit genug, aber ich meine von o.g. Regel mal gehört zu haben.

Zählt wahrscheinlich auch zu den Fällen, in denen der …

Duden dem Volk aufs Maul schaut und nach hinreichend langem
Gebrauch jeder Blödheit den Status „amtlich“ verleiht.

Man sollte sich einen DUDEN von 2000 aufheben und einfach bis ultimo danach schreiben :wink:

Gruß!
Chris

Hi, Ralf,

dass der
Duden dem Volk aufs Maul schaut und nach hinreichend langem
Gebrauch jeder Blödheit den Status „amtlich“ verleiht.

ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass der Duden nichts „amtlich“ festsetzt.
Diese Funktion hatte er nur in den ersten zwanzig Jahren der Bundesrepublik durch einen Beschluss der Kultusministerkonferenz.
Seit Ende der Sechzigerjahre beschreibt der Duden nur noch: Wie die Leute reden und schreiben! Und da ist es seine Pflicht auch die „Blödheiten des Volks“ zu registrieren

Wenn die Süddeutschen sagen: Ich bin gestanden oder der Butter so gehört das ebenso in den Duden wie Irene´s Wolllädchen und Ralf´s Werkzeug´s Shop und wenn das noch so blöd ist.

Gruß Fritz

Hi Chris,

lautet dann die richtige Form „Grass’sche Romane“?

von richtig spricht der Duden nicht, er erlaubt diese Schreibweise (ganz im Hinterstübchen: „…kann der Apostroph verwendet werden, um…“)

„grass(’)sche“

in Kleinschreibung ist mir völlig fremd.

Gibt es da noch eine zweite Möglichkeit?

Ja, zB Brownsche Molekularbewegung

Aber zum Genitiv zurück: Hier ist der Apostroph als
Kennzeichnung wohl nur in dem Fall möglich…

Ich bin da etwas stur und komme wieder auf den Apostroph zurück. Das sagt der Duden dazu:

_Apo|stroph der; -s, -e [spätlat.
apostrophos
Und wo ich nichts auslasse, da kommt mir auch kein Apostroph hin.

Gruß Ralf_

Lieber Fritz,

ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass der Duden nichts
„amtlich“ festsetzt.

damit hast du natürlich recht, sogar ich weise hin und wieder darauf hin. Solange aber noch ein einziger Deutschlehrer einem Schüler gegenüber mit dem Duden dräut, lasse ich mir das „amtlich“ nicht nehmen.

Seit Ende der Sechzigerjahre beschreibt der Duden nur noch:
Wie die Leute reden und schreiben!

Wäre schön, wenn das gleich auf dem Deckblatt stünde.

Gruß Ralf

Moin,

Andrea’s Frisiersalon “ Klarheit verschafft.
Dass bei einem männlichen Besitzer dort „Andreas
(also mit Apostroph hinter dem ‚s‘, man sieht das schlecht)

etwas nördlich von hier würde man „dem Andreas sein Frisörsalon“ sagen.

Man sollte sich einen DUDEN von 2000 aufheben und einfach bis
ultimo danach schreiben :wink:

Das war der Plan als ich mit etwas Mühe in 2001 noch einen Duden nach richtiger Rechtschreibung bei ebay ersteigert habe.

Gruß,
Christian

Hi Christian,

etwas nördlich von hier würde man „dem Andreas sein
Frisörsalon“ sagen.

im Saarland ginge aber auch „dem Andrea sein Frisörsalon“.

Gruß Ralf

Dudens Selbstverständnis erweitert
Lieber Ralf,

du hast schon Recht. Wenngleich ich „amtlich“ für zu hart formuliert halte, spricht der Universalduden in seinem Vorwort sowohl von „Bestandsaufnahme“, was einfach eine Erfassung des Sprachgebrauchs wäre, aber auch von „Wegweisung“, worin doch eine gewisse Normierung zu finden ist. Den von mir erdachten „Werkzeug´s Shop“ lässt er z. B. zu Recht nicht gelten.
Aber es gibt dabei genug Freiheiten, vor allem was die Neue Rechtschreibung angeht.

Gruß Fritz

Ich füge den Wortlaut des Duden-Vorworts bei:

_Vorwort

Seit seiner ersten Auflage im Jahre 1983 ist das Deutsche Universalwörterbuchvon langjährigen Benutzern auch Universal-Duden genanntzu einem Standardwerk geworden, das im deutschen Sprachraum und darüber hinaus weltweit als verlässliches Nachschlagewerk für die deutsche Sprache geschätzt und genutzt wird.
Seither haben sich die Entwicklungen im politischen und gesellschaftlichen Leben, nicht zuletzt durch die Vereinigung der beiden über 40 Jahre getrennten deutschen Staaten, auch in der deutschen Sprache niedergeschlagen und sie in Form von Neuschöpfungen und Neubedeutungen bereichert. Dies gilt zum Beispiel für Bereiche wie Umwelt, Technologie, Medien und Kultur.
An der Schwelle einer neuen Ordnung in Europa, die weniger durch die Zufälligkeit der Jahreszahl 2000 als vielmehr von der Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung und den damit verbundenen neuen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Strukturen bestimmt sein wird, wird die Frage nach dem Stellenwert der deutschen Sprache im gesamteuropäischen Kontext neu zu stellen und zu beantworten sein.
In dieser Situation ist die aktuelle, umfassende, objektive und zuverlässige Darstellung der deutschen Sprache an der Jahrtausendwende ein wesentlicher Beitrag zum Selbstverständnis des Deutschen in einer sich zunehmend globalisierenden sprachlichen Umwelt. So gesehen erhebt die Neubearbeitung des Deutschen Universalwörterbuchs den Anspruch, sowohl Bestandsaufnahme als auch Wegweiser zu sein. Sie will dazu beitragen, dass die deutsche Standardsprache weiterhin als Trägerin der politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklung verlässlich bleibt._

Mannheim, im Januar 2001
Die Dudenredaktion

© Duden - Deutsches Universalwörterbuch 2001

Zu meiner Schulzeit, als wir noch richtig schwere Diktate schrieben (vor PISA), gab es in den Richtlinien zur Bewertung der Rechtschreibung den Passus:
Im Zweifelsfalle gilt die Rechtschreibung des Dudens

Apo|stroph der; -s, -e [spätlat.
apostrophos
Und wo ich nichts auslasse, da kommt mir auch kein Apostroph
hin.

Naja, aber das ist ja, wie oben schon besagt, nur die halbe Wahrheit.
Grüße,

  • André

Hi!

du hast schon Recht. Wenngleich ich „amtlich“ für zu hart
formuliert halte, spricht der Universalduden in seinem Vorwort
sowohl von „Bestandsaufnahme“, was einfach eine Erfassung des
Sprachgebrauchs wäre, aber auch von „Wegweisung“, worin doch
eine gewisse Normierung zu finden ist. Den von mir erdachten
„Wergzeug´s Shop“ lässt er z. B. zu Recht nicht gelten.
Aber es gibt dabei genug Freiheiten, vor allem was die Neue
Rchtschreibung angeht.

Stimmt. :wink:
Die größte Freiheit der Neuen Rechtschreibung ist es, Lehrer nach der Korrektur eines Diktates mit einem Gerichtsverfahren zu drohen, wenn bestimmte als fehlerhaft angestrichene Stellen nicht augenblicklich als korrekt hingenommen werden Der Duden hat seinen Alleinvertretungsanspruch für die Schreibweise des Deutschen mit Einführung der Neuen Rechtschreibung definitiv verloren. Das Bertelsmann-Rechtschreib-Wörterbuch gilt als gleichberechtigt - nur gibt es da etliche Abweichungen gegenüber dem Duden. Da jubiliert der klagefreudige Deutsch-Schüler! :wink:

Grüße
Heinrich