Unterschiede, Klischees und Realität (länglich)
Hallo Anja,
Vorweg, ich denke, dass jeder Mensch in sich unwahrscheinliche Potenziale mit sich herumträgt. Potenziale betreffen nicht nur, aber auch, Fähigkeiten. Für die meisten Probleme existieren unzählige Lösungswege. Einige dieser Lösungswege sehen vor, dass man ein konkretes technisches Problem direkt in Angriff nimmt und ‚repariert‘ andere Lösungswege gehen dahin, ein Problem mit Hilfe Anderer zu lösen und die eigentliche Problemlösung darin besteht, andere zur
Mithilfe zu ermuntern. Ich denke, jeder von uns beherrscht im Prinzip beide Varianten, von seinen Anlagen her. Nur macht es Männern vermutlich meistens mehr Spaß ein Problem allein, auf technische Art zu lösen, so zumindest das Klischee, und Frauen suchen angeblich eher die Kooperation.
Die meisten Menschen besitzen wohl eine Veranlagung dazu, brilliant zu sein, in dem, was sie tun, wenn man sie nur das Tun lassen würde, was sie tun wollen und wie sie es tun wollen. Sie finden ganz von alleine zu den Lösungsstrategien, die sie am virtuosesten handhaben können und deren Anwendung ihnen am meisten Spaß macht.
Dennoch scheint es zwischen den Geschlechtern Unterschiede in Bezug darauf zu geben, was welchem Geschlecht Spaß macht, weswegen die Grundfähigkeiten wohl unterschiedlich stark trainiert und ausgebildet werden. Eine Frau kann genausogut einen technischen Studiengang absolvieren, sofern sie wirkliches Interesse an der Technik hat. Ein Mann kann ein genausoguter Ballettänzer sein, wenn er das sein will.
Allerdings finde ich es eine stets recht einseitige Angelegenheit, die zur Verkümmerung unserer Potenziale führt, wenn wir uns auf einen ganz bestimmten Zweig festlegen, wie wir gerne Probleme lösen wollen.
Wenn wir also unsere technischen Skills perfektionieren, dafür aber soziale Krüppel sind, ist das genauso schwach, wie wenn wir nicht mal selbst (Handicaps ausgenommen) einen Telefonapparat bedienen können, dafür aber einen unvergleichlichen Draht zu anderen Menschen besitzen.
Ich vermute, dass dies ein durchaus kulturelles Problem ist.
Die chinesische Philosophie mit ihrem Yin und Yang und der Forderung, Ausgleich zwischen den beiden Polen zu schaffen, ist uns in dieser Hinsicht (meine Vermutung) weit überlegen. Die Nutzung zweier Potenziale stellt viel viel mehr dar, als die Summe der beiden Einzelpotenziale.
Wer gerne und erfolgreich Probleme mit seinem Bauchgefühl löst, ist gut beraten sich auch in Syllogismen und Aussagenlogik zu üben, um ungerechtfertigte Angriffe anderer, welche einzig und allein in solchen Syllogismen zu Hause sind, und deren einziges Hobby darin zu bestehen scheint, ‚Bauchmenschen‘ systematisch in die aussagenlogische Pfanne zu hauen, erfolgreich abwehren zu können.
Wer dagegen alle Probleme gerne immer alleine mit Hilfe seines scharfen Verstandes zu lösen gewohnt ist, tut gut daran, zu verinnerlichen, das einmal immer das erste Mal ist. Das erste Mal, wo ihm ein Problem begegnet, welches zu groß für ihn alleine ist. Er tut gut daran, auch seine sozialen Skills zu üben.
Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, beide Bereiche als geistige Heimat zu betrachten.
Der Yin und Yabg-mäßige Ausgleich ist auch in der Art, wie wir eigene Interessen und die Interessen der Anderen berücksichtigen, interessant. Wenn wir nicht beide Pole, die eigenen Interessen und die der anderen gleichermaßen berücksichtigen, schaden wir damit nur uns selbst, aber natürlich auch den anderen.
Tatsächlich weiß ich nicht, was es ist, was den Ausgleich zwischen den Polen so schwer macht. Ob dies einfach unterschwellig tief sitzende Gruppenzwänge sind und auf Konformitätsdruck zurückzuführen ist. Dass Verhaltensunterschiede da sind, zumindest statistisch, zweifle ich gar nicht an. Das ist nun nichts ungewöhnliches. Auch im Tierreich gibt es Verhaltensunterschiede zwischen Männchen und Weibchen. Diese Tatsache an sich als Begründung für einen Kampf oder gar Krieg zwischen den Geschlechtern zu rekrutieren, halte ich für absolut infantil, wo man sich kooperativ ergänzend, mit etwas gutem Willen doch soviel gegenseitig geben könnte.
Ich hab keine Angst vor so einem Krieg, aber ich sehe seinen Sinn nicht ein und ich würde mich einfach vom Kampfschauplatz entfernen, wenn ich in solche Kriegshandlungen verwickelt werden würde. Eine Schlacht mit nur einem Kombattanten ist eine recht langweilige, verletzungsfreie Angelegenheit.
Wenn ich die Chance hätte, eine Message an alle Frauen zu schicken, die denken, der Geschlechterkampf sei die einzige Möglichkeit, würde sie etwa so lauten:
Liebe Frauen, ich weiß nicht, wieso ihr denkt, dass ich ein Feind oder eine Bedrohung für euch darstellen soll. Ich wünsche mir einen freundschaftlichen und fairen gegenseitigen Umgang miteinander. Mir selbst wäre es peinlich, wenn eine Frau, die offensichtlich besser ist, als ich es bin, unter mir arbeiten müsste und genauso fände ich es unangenehm, wenn meine Chefin, meine Chefin ist, nur deshalb, weil sie eine Frau ist, sofern sie mir von ihrer Kompetenz her unterlegen wäre. Ich hätte keine Probleme damit, in Dingen wie Hausarbeit, meinen Anteil zu leisten. Bedenkt bitte, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, mich auf meine Pflichten aufmerksam zu machen. Solche, dass ich meine Pflichten zu hassen beginne und solche, dass ich sie mit großer Freude erledige. Ich wäre für letztere Methode sehr dankbar und würde meine Dankbarkeit durchaus auch zeigen. Ich finde nicht, dass es unterwürfiges Verhalten von euch darstellt, wenn ihr mich mit einem verführerischen Augenaufschlag dazu bringt, etwas zu tun. Ich finde dies einfach nett von Euch und ihr steigt dadurch in meinem Ansehen. Solange ihr den Hauptzweck der Konstellation Männlein-Weiblein darin seht, eine siegreiche Auseinandersetzung mit Kräftemessen zu absolvieren, kann ich euch verraten, dass euch der schönste Teil des Lebens entgeht und dass ich überdies dafür nicht zur Verfügung stehe. Ich gebe zu, dass ich auch nur eine schwache Kreatur bin und nicht etwa so kaltblütig wie ein Terminator. Ich gebe zu, dass ihr manchmal so verdammt verführerisch ausseht, dass meine Knie weich werden. Bitte verurteilt mich nicht dafür. Wenn ihr findet, dass ich es überhaupt nicht verdiene, mich an eurer Schönheit zu erfreuen, bitte beschimpft mich nicht, wenn ich zu schwach bin, meinen Blick von Euch zu lassen, versteckt eure Schönheit meinetwegen vor mir. Denkt bitte nie von mir, dass ich Euch nur rumkriegen will. Egal, wie geil ihr auch immer aussehen mögt, egal wie blond eure Haare sein mögen, egal wie ungeschliffen eure Bildung und Ausdrucksweise sein mag, egal ob ihr in eine soziale Randgruppe gerutscht seid oder nicht, egal ober ihr nun hetero, lesbisch, oder bi seid, ich werde euch stets als vollwertigen Menschen achten und nie als (billiges) Sexualobjekt betrachten. Mir ist bewußt, dass nicht alle meine Geschlechtsgenossen so denken wie ich, aber bitte bestraft mich nicht für die Fehler, die andere begangen haben. Bedenkt auch, dass wie sehr ich mich auch immer anstrengen mag, ich niemals fehlerfrei sein werde, aber ihr seid es schließlich auch nicht, dies stellt aber keine Tragödie dar.
Fragen, wie solche Einparkgeschichten beschäftigen mich eigentlich gar nicht. Und ich teile Menschen auch nicht in Kategorien ein. Für mich ist einfach jeder Mensch ein einzigartiges (nicht immer angenehmes) Individuum. Es fällt mir aber tatsächlich ein Unterschied auf, der die meisten Männer von Frauen unterscheidet. Wirklich gut kommunizieren kann ich meist nur mit Frauen. Viele Männer haben ein recht enges und stereotypes Kommunikationsspektrum. Unterhaltungen mit Männern erscheinen mir persönlich daher öfter wie eine Art Ritual, und nicht wie echte Kommunikation. Das ist natürlich ebenfalls eine Frage der Bildung, aber erstaunlicherweise scheint ein Mann eine wesentlich höhere Bildung zu brauchen als eine Frau, um annähernd gleichwertige Kommunikation bieten zu können.
Mehr will ich für den Anfang nicht sagen.