'Geschwisterparadoxon'

Hi,

nein, es geht diesmal nicht um Zeitdilatation.
Angenommen, man weiss, dass eine Familie 2 Kinder hat. Über die Geschlechter ist nichts bekannt.
Nun sieht man im Dachfenster des Hauses der Familie einen einzelnen Jungen.
Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass das andere Kind auch ein Junge ist?
Meiner Meinung nach ist die Lösung nicht eindeutig, und hängt sehr von der Wortwahl der Fragestellung ab.
Meiner Meinung nach ist 50/50 richtig. Im Statistiklehrgang vor Jahren hat man uns jedoch 1 Drittel eingetrichtert (oder waren es 2 Drittel?)
Was meint ihr?

Gruss,

Urknall
Hallo,

ein Drittel stimmt.
Es gibt vier Möglichkeiten:

(M,M), (M,J), (J,M) und (J,J)

M: Mädchen
J: Junge

Wenn man weiß, dass ein Kind ein Junge ist, fällt die erste Möglichkeit weg.
Von den verbleibenden 3 Möglichkeiten, die alle gleich wahrscheinlich ist, ist nach der letzten gefragt.

Dafür ist die Wahrscheinlichkeit: 1/3

Gruß
Oliver

Hallo,

Du ordnest die Kinder doch zu Paaren an (Kind1, Kind2).

Nach der Beobachtung weis man dann: (J, Kind2).

Also beträgt die Wahrscheinlichkeit für Kind2 = J doch 1/2?

Ulrich

Hallo,

ein Drittel stimmt.
Es gibt vier Möglichkeiten:

(M,M), (M,J), (J,M) und (J,J)

M: Mädchen
J: Junge

Hallo,

Es gibt vier Möglichkeiten:

(M,M), (M,J), (J,M) und (J,J)

Du unterscheidest (J,M) von (M,J) - warum?

Ich würde sagen, es gibt drei Möglichkeiten:

(M/M), (M/J) und (J/J)

wovon die erste ausscheidet. Mithin ist die gefragte Wahrscheinlichkeit 1/2. Klär mich auf!

Gruß
Jochen

Hallo zusammen,

der entscheidende Punkt liegt wohl darin, ob man den gesehenen Jungen als ein bestimmtes Geschwister auffasst oder nicht.
Ich glaube, dass man ihn schon als bestimmtes geschwister auffassen kann, also wäre die Lösung 50%.
Man könnte im Prinzip die (unnötige?) Zusatzinformation bringen, dass der Rootharige ein Junge ist.
Irre ich mich da?
Gruss,

Hallo Helge!
Genau dieses Problem haben wir in unserer WT-Vorlesung besprochen. Wie Du schon selbst sagst, gibt es 2 Möglichkeiten, die Wahrscheinlichkeit zu berechnen. Einmal ist das Ergebnis 1/3, das andere mal aber 1/2.
Stehe eine 0 für einen Jungen, eine 1 für ein Mädchen.
Also, beim 1. Modell ist dann Ω = {0,1}² . Dann interpretiert man (w_1, w_2) als älteres Kind ist w_1, jüngeres Kind ist w_2.
Die Sigma-Algebra sei die Potenzmenge von Ω und P sei die Laplace- Verteilung (also Anzahl der günstigen Fälle durch alle möglichen Fälle). Da wir wissen, dass das erste Kind ein Junge ist, hat man die Information B = { (0,1), (0,0), (1,0) } als mögliche Ereignisse und gesucht ist die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis A = { (0,0)}. Daraus folgt dann mit der Formel für bedingte Wahrscheinlichkeiten:
P (A\B) = P (A∩B) / P(B) = (1/4) / (3/4) = 1/3.
Problem: In diesem Modell ist die W´keit der Hypothese P(B) = 3/4. Diese sollte aber 1/2 sein, weil man ja genauso gut hätte können ein Mädchen sehen.

Deshalb ist im 2. Modell Ω = {0,1}² x {1,2}, wieder Potenzmenge als Sigma-Algebra und P sei wieder die Laplace-Verteilung.
Dann wird (w_1, w_2, i) interpretiert als 1. Kind ist w_1, 2. Kind ist w_2 und i-tes Kind am Fenster gesehen.
Hypothese B = {(w_1, w_2,i) Element Ω: w_i = 0}
= { (0,1,1), (1,0,2), (0,0,1), (0,0,2)}
Hieraus folgt P(B) = 1/2 und
A = {(w_1, w_2, i) Element Ω: w_1 = w_2 = 0}
= {(0,0,1), (0,0,2)}
Daraus folgt dann wieder die bedingte Wahrscheinlichkeit
P(A\B) = (2/8) / (1/2) = 1/2.

Ich hoffe, ich konnte dir so helfen.

Gruß

Läuft das jetzt auf Bose-Einstein gegen Fermi-Dirac hinaus?

Ulrich

Hallo,

(M,M), (M,J), (J,M) und (J,J)

du betrachtest das einseitig von den Geburtsmöglichkeiten aus. Du mußt das aber von den Beobachtungsmöglichkeiten aus betrachten:

Geburt:
(M,M), (M,J), (J,M) und (J,J)

bleibt als Möglichkeit übrig:
(M,J), (J,M) und (J,J)

Beobachtungstechnisch gibt es aber 4 Möglichkeiten (Großbuchstabe = dieses Kind wurde beobachtet):
(m,J), (J,m), (J,j), (j,J)

damit ist die Wahrscheinlichkeit 50/50 für einen Jungen als zweites Kind. Das kommt daher, weil bei den Kombinationen MJ und JM die Wahrscheinlichkeit für einen Jungen bei der ersten Beobachtung nur 50% ist, bei der Kombination aber 100%.

Gruss, Niels

Hallo,

die Wahrscheinlichkeit ist 50%. Siehe dazu meine Antwort an Oliver.

Gruss, Niels

die Wahrscheinlichkeit ist 50%. Siehe dazu meine Antwort an
Oliver.

Jedes Kind für sich hat die Wahrscheinlichkeit 50% für „Junge“. Vom beobachteten Kind ist das Geschlecht mit Sicherheit geklärt. Beim zweiten Kind bleibt es 50% Wahrsch. für „Junge“. Man sollte bedenken, dass alles andere implizieren würde, dass die Beobachtung des einen Kindes die Geburtswahrscheinlichkeit des anderen beeinflusst, was nicht sein kann.
Und bevor jetzt jemand ganz kleinlich ist: ich weiß, dass das Geburtsverhältnis nicht 50/50 Jungen/Mädchen ist.

Gruss, Niels

Hallo Helge,

Angenommen, man weiss, dass eine Familie 2 Kinder hat. Über
die Geschlechter ist nichts bekannt.
Nun sieht man im Dachfenster des Hauses der Familie einen
einzelnen Jungen.
Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass das andere Kind
auch ein Junge ist?

diese Wahrscheinlichkeit beträgt 50 %.

Meiner Meinung nach ist die Lösung nicht eindeutig, und hängt
sehr von der Wortwahl der Fragestellung ab.

An Deiner Aufgabe gibt es nichts zu „interpretieren“. Ihre Formulierung ist klar, unmißverständlich und eindeutig, und deshalb gibt es auch nur eine Lösung.

Meiner Meinung nach ist 50/50 richtig. Im Statistiklehrgang
vor Jahren hat man uns jedoch 1 Drittel eingetrichtert (oder
waren es 2 Drittel?)

1/3 ist die richtige Antwort bei einer anderen Aufgabe, und zwar dieser:

Angenommen, man weiss, dass eine Familie zwei Kinder hat. Man ruft bei ihnen zuhause an. Die Mutter geht ans Telefon. Man fragt sie: „Ist mindestens eines ihrer Kinder ein Junge?“ Die Mutter bejaht dies. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß das andere Kind ebenfalls ein Junge ist?

Diese Wahrscheinlichkeit beträgt 1/3.

Mit freundlichem Gruß
Martin

noch mal an alle
Hallo,

zu denken, dass die W. 1/2 ist, ist ein populärer Irrtum.
Dies gilt nur, wenn man weiß dass ein ganz bestimmtes Kind ein Junge ist. Durch die Art der Fragestellung (man sieht das Kind im Dachfenster!!), weiß man aber nur, dass irgendein Kind ein Junge ist.

Also kann man aus den 4 Paaren

(M,M),(M,J),(J,M),(J,J)

nur das erste Paar ausschließen.

Was anderes ist es, wenn man weiß, dass ein ganz bestimmtes Kind ein Junge ist, z.B. das erste. Dann kann man die ersten beiden Möglichkeiten ausschließen und die W. für (J,J) ist dann 1/2.
Das war hier aber nicht der Fall.

Noch, was:
Für alle die vorgeschlagen haben, statt 4 Paare, 3 Mengen zu verwenden:

{M,M}, {J,M}, {J,J}

Von mir aus. Dann aber bitte mit der richtigen stat. Gewichtung. Denn die W., dass von zwei Kindern eines ein Junge und das andere ein Mädchen ist doppelt so hoch wie die W., dass beide Jungen oder beide Mädchen sind. Also ist die Gewichtung obiger Mengen

P({M,M}) = 1/4
P({J,M}) = 1/2
P({J,J}) = 1/4

oder falls die erste Möglichkeit weg fällt:

P({J,M}) = 1/3
P({J,J}) = 2/3

Und es ändert sich damit natürlich auch nichts an der W.

Nachzulesen ist dieses „Paradoxon“ übrigens in

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3492224431/302…

Gruß
Oliver

Hallo Martin,

Ob ich jetzt anrufe oder es selbst sehe ist doch im Ergebnis egal: ich weiß, dass mindestens ein Kind ein Junge ist.

Gruß
Oliver

An Dich
Hallo Oliver,

folgende zwei Probleme gilt es einander gegenüberzustellen:

a) Angenommen, man weiss, dass eine Familie zwei Kinder hat. Man ruft bei ihnen zuhause an. An der Stimme hört man, daß sich ein Junge meldet. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß das andere Kind ebenfalls ein Junge ist?

Antwort: pa = 1/2

b) Angenommen, man weiss, dass eine Familie zwei Kinder hat. Man ruft bei ihnen zuhause an. Die Mutter geht ans Telefon. Man fragt sie: „Ist mindestens eines ihrer Kinder ein Junge?“ Die Mutter bejaht dies. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß das andere Kind ebenfalls ein Junge ist?

Antwort: pb = 1/3

zu denken, dass die W. 1/2 ist, ist ein populärer Irrtum.

Den „populären Irrtum“ gibt es, aber er besteht darin, zu denken, daß die Wahrscheinlichkeit bei Problem b) 1/2 beträgt.

Dies gilt nur, wenn man weiß dass ein ganz bestimmtes
Kind ein Junge ist. Durch die Art der Fragestellung (man sieht
das Kind im Dachfenster!!), weiß man aber nur, dass
irgendein Kind ein Junge ist.

Wenn man einen Jungen im Dachfenster sieht, weiß man, daß ein ganz bestimmtes Kind ein Junge ist, nämlich das, das man im Dachfenster sieht. Um nur zu erfahren, daß irgendein Kind ein Junge ist, mußt Du gemäß b) die Mutter ans Telefon kriegen. Sobald einer ihrer Söhne (falls vorhanden) drangeht, liegt Fall a) vor.

Mit freundlichem Gruß
Martin

Hallo Oliver,

upps, wir haben uns zeitgleich über Kreuz geantwortet…

Ob ich jetzt anrufe oder es selbst sehe ist doch im Ergebnis
egal: ich weiß, dass mindestens ein Kind ein Junge ist.

Das ist der Knackpunkt an der Geschichte: Es ist eben nicht egal.
Wenn Du einen Jungen im Dachfenster siehst, weißt Du mehr, nämlich, daß er der Junge ist.

Gruß
Martin

und wieder zurück an dich
Hallo Martin,

Prima, jetzt hab ich’s auch verstanden. Danke für die Aufklärung!

Hört sich halt nur komisch an:
Wenn ich bei der Mutter anrufe und frage, ob sie mindestens einen Sohn hat und sie sagt „Ja, er steht grad neben mir.“ dann ist die W., dass der andere auch ein Junge ist gleich 1/3.
Aber sobald der Junge einen Mucks von sich gibt, so dass ich ihn durch’s Telefon hören kann, ist die W., dass der andere auch ein Junge ist auf einmal 1/2.
Das muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen… aber wenn man dahinter gestiegen ist, ist es klar.

Gruß
Oliver

Danke!
Hallo zusammen,

Danke für eure Mühe.

Gruss,

Leicht OT:
Auch hallo,

Wenn ich bei der Mutter anrufe und frage, ob sie mindestens
einen Sohn hat und sie sagt „Ja, er steht grad neben mir.“
dann ist die W., dass der andere auch ein Junge ist gleich
1/3.

Nö, die ist dann 0. Denn wenn sie sagt " er steht grad neben mir", sagt sie damit aus, daß sie nur einen hat :smile:

SCNR,

Kubi