Ein kleiner Ausflug: Lobbyismus
Hallo Raimund!
Außerdem: wo fängt die gefährlichkeit
an? Jeder der in einen Sportverein geht, ist wesentlich mehr
gefährdet, als die, die in keinen gehen. Da gäbe es genug
Beispiele. Selbst Dauerlauf (heute heißt das „Jogging“, ist
aber das gleiche) ist die Verletzungsgefahr groß. Auch die
Überbeanspruchung der Gefäße und der Gelenke.
Was honoriert werden muss: das Rauchen! Es gibt keinen Grund,
warum die Gemeinschaft für die Krankheiten, die aus einer
Rauschgiftsucht entstehen, geradestehen soll.
Da möchte ich Dir zumindest in der Weise widersprechen, dass jemand ebensowenig gewisse Sportarten ausüben müsste. Und ganz rigoros gesehen: Es sind nur jene Sporarten erlaubt, die die jeweilige Krankenkasse als sinnvoll und ungefährlich betrachtet, muss ihr doch daran liegen, Sportverletzungen zu vermeiden, die Kosten verursachen würden. (Was ist eigentlich mit Alkohol?)
Ansonsten wundere ich mich darüber, weshalb es immer wieder heisst, das System wäre zu teuer, die Kassen wären leer usw., wenn doch Beiträge steigen und Leistungen abnehmen. Früher ging es doch auch, denke ich mir, und als Gegenargument habe hierzu bis jetzt nur gehört, dass man früher über seine Verhältnisse gelebt hätte, was wir heute ausbaden müssten. In Bernt Engelmanns „Schwarzbuch Helmut Kohl“, S. 80/81, liest es sich ein wenig anders, und ich glaube kaum, dass sich an diesen Verhältnissen - gerade in der heutigen Zeit - wesentlich etwas geändert hat:
Für Dr. Scholl [1969 F.D.P.-Fraktionsvorsitzender im Landtag in RP; Anm. MM] gab es zudem eine spezielle Aufgabe: Zum Regierungsprogramm der sozialliberalen Bonner Koalition gehörte im Rahmen der Gesundheitsreform auch eine gründliche Novellierung der Arzneimittelgesetzgebung, und dies tangierte die wichtigsten Interessen (sprich: die enormen Profite) der Pharma-Industrie, deren Verbandshauptgeschäftsführer er war.
Von der Pharma-Industrie wurden deshalb hohe Millionenbeträge bereitgestellt, die Dr. Scholl, nachdem sie bei der „SV“ [„Staatbürgerliche Vereinigung“; Anm. MM] in Koblenz „gewaschen“ und steuerabzugsfähig gemacht worden waren, gezielt zu verteilen hatte. Es ging darum, diejenigen Politiker und auch Beamten zu „fördern“, die Einfluss auf die Arzneimittelgesetzgebung und die Gesundheitspolitik hatten.
In der Bundesrepublik wurden zu Beginn der Aktivitäten des Dr. Scholl jährlich etwa acht Milliarden für Arzneimittel ausgegeben. Als seine Tätigkeit Anfang der achtziger Jahre endete, waren es jährlich rund 17 Milliarden DM, also mehr als das Doppelte. „Fast die Hälfte der gigantischen Steigerung, die alle Bundesbürger belastet, hätte“ - so „Der Spiegel“ im Juni 1985 - „sich einsparen lassen“, wären damals nicht die Kernpunkte der geplanten Reform der Arzneimittelgesetzgebung „von der Pillen-Lobby herausgeschossen“ worden.
Die vom damaligen Pharmaverbands-Hauptgeschäftsführer Dr. Scholl mit sehr viel Geld betriebene Beeinflussung des Gesetzgebungsverfahrens hat sich für die Arzneimittelhersteller also glänzend gelohnt. Sie lohnte sich aber auch für Dr. Scholls Freunde in der CDU:
So hatte CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep „zugleich im Namen von Herrn Dr. Kohl und Herrn Professor Biedenkopf“ runde 70000 DM kassiert - von Curt Engelhorn, Chef des Familienunternehmens „Boehringer Mannheim GmbH“ (damaliger Pharma-Umsatz: 1,2 Milliarden DM), und zwar über Dr. Scholl und die „SV“. Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Alfred Dregger hatte - so die Staatsanwaltschaft - „enige hunderttausend Mark abkasssiert“ - bei der „Wella AG“ in Darmstadt und ebenfalls über Dr. Scholl und die „SV“. Vom Pharma-Werk E. Merck in Darmstadt erhielt die CDU-Prominenz rund eine Million DM, und wären die Spendenlisten, zumal deren wichtigste Teile, nicht durch äussere Umstände der Öffentlichkeit entzogen worden, liessen sich gewiss noch weitere, zusammen mehr als 20 Millionen DM nachweisen, die Dr. Scholl an CDU- und F.D.P.-Prominenz, zumal an seine engsten Spezis grosszügig verteilt hat.
Marco