Gesundheitssysteme in anderen Ländern

Hallo Wissende,

im Inlandsbrett wird gerade die ewigwiederkehrende Gesundheitsreform hoch- und runtergesprochen. Es stellt sich immer wieder die Frage, wie es andere Länder machen. Wie sind die Gesundheitssysteme dort im Vergleich zum deutschen System? Wie läuft es dort? Erzählt doch mal.

Gruß
Carlos

ZA + KSA
Hallo Carlos,

meine Erfahrungen mit Südafrika und Saudi Arabien
(oder zu weit hergeholt?)

Südafrika: wer Geld (einen Job hat) versichert sich
selbst. Viele Firmen haben mit KVs einen Vertrag
geschlossen, die Arbeitnehmer müssen sich bei dieser
KV versichern.
Leistungen sind von KV zu KV unterschiedlich.
Überall zahlt man voraus und bekommt - je nach KV
mehr oder weniger - ersetzt.
Bei vielen KVs zahlt man MEHR zu, wenn größere Dinge
(Operationen) anstehen. Wenn man einen „netten“ AG
hat, gibt der einen Kredit zu guten Konditionen.
In Privatkrankenhäusern muss man oft mit Kreditkarte
erstmal vorzahlen, bevor man aufgenommen wird.
Aus diesem Grund haben viele private KHs keine Not-
aufnahme.

Menschen ohne KV müssen in die staatlichen Krankenhäuser,
Wartezeiten sind lang, der Service u.U. besch… (es gibt
aber auch sehr, sehr gute). Selbst hier muss aber
eine kleine, für manche schwer aufzutreibende Summe
bezahlt werden. Es gibt aber Kliniken, die durch
Spenden ganz umsonst arbeiten.

Saudi Arabien:
Theoretisch ist für saudische Staatsbürger ein
Krankenhausbesuch oder eine Arztkonsultation im KH
kostenlos. Gilt nur für staatliche KHs.
Wer es sich leisten kann, geht privat.
Krankenhausstandard von gut bis opulent.
Entweder man
ist versichert oder man zahlt selbst.
Zum großen Teil gilt Vorkasse, auch für Versicherte.
Vor einer geplanten Operation steht ein mehrstündiger
Gang zum Finanzmanager des KHs an, mit dem man den
Preis aushandelt.
KV sind sehr unterschiedlich in den Leistungen, manche
sind an bestimmte KHs gebunden (keine freie Arztwahl).
Ausländer (von denen es in Saudi viele gibt) sind entweder
in einer ausländischen KV (d.h. Vorkasse und sie bekommen
ersetzt, je nach Konditionen) ODER in einer relativ
restriktiven KV, die ihr Arbeitgeber bestimmt.

Eigene Erfahrung: wegen geplanter Gallenop, handelte
mein Mann sehr gute Konditionen aus - da er selbst
im KH arbeitet, kannte er den Finanzmanager, die OP-
Kosten betrafen wenig mehr als die Hälfte des PReises
in Deutschland (ich hatte damals nach einer groben
SChätzung hier im Brett nachgefragt). Allerdings war
es der „Pauschalpreis“ (1 Gallenop = xx Betrag),
unsere KV in Deutschland weigerte sich das zu bezahlen
und bestand auf der detailierten Rechnung, wo jeder
WAttebausch aufgezählt wurde. Auch noch, als klar wurde,
dass die Kosten sich damit fast verdoppelten.

Gruß
Elke

****** (o.w.T.)

CH (+ A)
Hallo Carlos,

ich kenne das deutsche System nicht gut, nehme aber an, das das österreichische sehr ähnlich ist:

Die Grundversicherung ist staatich geregelt; welche Gesellschaft dich versichert, hängt nicht von deinen Wünschen, sondern von deinem Job ab. Üblicheweise werden fast alle Leistungen vollständig abgedeckt, ausgenommen sind nur sehr teure (z. B. Zahnkronen) oder medizinisch nicht notwendige Behandlungen, etwa viele kosmetische Operationen oder Impfungen für Fernreisen. Besonders aufwändige Untersuchungen bedürfen der Zustimmung der Versicherung.
Einige Versicherungen verlangen einen Selbstbehalt, zudem hat nicht jeder Art mit jeder Versicherung einen Vertrag. Im Großen und Ganzen ist der staatliche Versicherungsschutz aber sehr umfassend - und auch nicht ganz billig. Das fällt aber weniger auf, weil der entsprechende Betrag direkt vom Gehalt abgezogen wird und so nur am Lohnzettel aufscheint.
Die Beiträge sind nach dem Einkommen gestaffelt, der kleine Arbeiter zahlt also viel weniger als der Generaldirektor. Letzterer kann sich aber - wie in Deutschland - mit privaten Zusatzversicherungen sein Leben als Kranker verbessern. Auch wenn viele Österreicher eine solche Zusatzversicherueng haben (manche Arbeitgeber handeln hier für ihre Mitarbeiter auch Sonderkonditionen aus), dürfte deren Bedeutung dennoch geringer sein, als in Deutschland.

Recht anders ist es in der Schweiz, wo es zahlreiche Krankenkassen gibt, die sich eher mit den privaten Kassen in Deutschland vergleichen lassen. Die Prämien werden nicht direkt vom Lohn abgezogen und sind für jeden gleich hoch - egal ob man 2000 Euro im Monat bekommt oder eine Million. Bei ausgesprochenen Niedrig-Verdienern bezahlt der jeweilige Kanton üblicherweise einen Teil der Prämie.
Auch in der Schweiz ist eine Grundversicherung obligatorisch - für beide Seiten. Jeder muss sich versichern lassen und jede Versicherung muss umgekehrt jeden Patienten akzeptieren. Diese Grundversicherung ist relativ (für Schweizere Verhältnisse) preisgünstig, allerdings weit weniger umfangreich als in anderen europäischen Ländern. Zahnarztbesuche beispielsweise werden nicht abgedeckt, hier kann eine eigene Versicherung abgeschlossen werden. Zudem ist jedes Kalenderjahr ein gewisser Beitrag (die sogenannte Franchise von mindestens 200 Euro) vom Patienten selbst zu bezahlen. Erst wenn die Behandlungskosten diesen Betrag überschreiten, zahlt die Versicherung - auch hier existiert ein Selbstbehalt.
Natürlich bietet jede Versicherung eine Reihe von zusätzlichen Paketen an, aber das ist alles nur ein Zusatz zur Grundversicherung. Im allgemeinen ist das Versichelungssystem ein typisch schweizerisches: das Staat übernimmt nur ein Minimum der Verantwortung, für den Rest ist jeder selbst verantwortlich. Zudem werden die Großverdiener auch hier nicht gerade benachteiligt :smile:

Ich hoffe, etwas geholfen zu haben…

Bernd

ROK
Hallo.

Die Beitragszahlung für eine KV richtet sich in Südkorea nach der Art der Tätigkeit:
-Arbeiter zahlen 3% ihres Lohns in die KV ein (die Hälfte davon leistet der AG)
-Beamte, Staatsbedienstete und Militärangehörige zahlen ein oder zwei Prozentpunkte mehr, das weiß ich nicht genau
-bei Angestellten und Selbständigen zieht man zusätzlich Privatvermögen und Familiengröße zur Beitragsbemessung heran.

Die Kosten für Behandlung, Krankenhausaufenthalt, Operation, etc. werden von den Krankenkassen nicht vollständig getragen. Der Patient muss mindestens 20-30% der Kosten selbst tragen, das kann aber je nach Fall, z.B. für „non-standard treatments“ oder Spezialbehandlungen, bis zu 60% gehen (wofür es aber private Zusatzversicherungen gibt - wenn man es sich leisten kann). Ein normaler Arztbesuch z.B. wegen Grippe ist vergleichsweise billig, da es vom Staat festgesetzte Beträge gibt, ist man jedoch chronisch krank oder hat viele „Wehwehchen“, wird es teuer. Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen und natürlich kosmetische Operationen werden nicht bezahlt. Ebenso kann es passieren, dass man die Behandlung zu 100% bezahlen muss, wenn man sich beim Begehen einer Straftat verletzt.

mfG Dirk

Herzlichen Dank euch Dreien (o.w.T.)

CH
Genaugenommen sind die Prämien für die Grundversicherung OKP abhängig von Alter, Geschlecht, Franchisen und Wohngemeinde. Letzteres verstehe ich offen gesagt auch nicht wirklich. Argumentiert wird aber daher, dass es in Städten mehr Ärzte gibt als auf dem Land udn die Leute in ländlichen Gebieten generell etwas „härter“ sind, während sie in der Stadt scheinbar wegen jedem „Hüstel“ zum Arzt springen.

Die Vertragsfreheit ist relativ weitgehend. Je nach Vertrag mit der KV kann der Kunde/Patient direkt Spezialisten aufsuchen. Die Höhe der Franchise, also den Betrag den man gewillt ist pro Jahr selbst zu übernehmen ist ebenfalls ein Mittel zur Prämiensenkung. Bei sehr hohen Franchisen (z. B. 5000 CHF) sinken die Prämien massiv. Nutzen/Risiko muss wohl jeder selbst versuchen abzuschätzen.

Für die Zusatzversicherungen existieren zahlreiche weitere Voraussetzungen die das KV-Unternehmen definiert. So sind z. B. häufig ärtzliche Atteste gefordert.

Hi Carlos,

Irland:

  • jeder Arbeitnehmer(+ Arbeitgeberanteil) bezahlt PRSI (= pay related social insurance)
  • die staatliche Versorgung ist schlecht - ohne PKV in’s Krankenhaus zu kommen heisst meist ein paar Tage auf dem Gang liegen, Wartezeiten von bis zu 2 Jahren und mehr auf OPs etc.
  • Hausarzt kostet mittlerweile um die €50 pro Besuch, Fachaerzte gerne das Doppelte und mehr, auch im Krankenhaus muss man zahlen (keine Ahnung wieviel das heute ist, vor 5 Jahren waren’s £25.-/Tag)
  • sich privat zu versichern ist moeglich, einige Arbeitgeber zahlen die Grundversorgung ganz (mein ehemaliger AG war so nett)
  • mit PKV gibt’s z.B. mehr oder weniger sofort einen OP Termin und Kosten werden, je nach Art der Versicherung, teilweise oder ganz erstattet
  • Zahnarzt z.B. kostet zwischen €50 und €120 fuer eine Fuellung, fuer Wurzelbehandlung, Kronen & Bruecken wird Nordirland als preiswerter empfohlen
  • es gibt die Moeglichkeit sich die Kosten vom Staat (z.B. Check-Up beim Zahnarzt, Sehhilfe, Medikamente) zumindest teilweise erstatten zu lassen aber das muss man selbst herausfinden - Aufklaerung findet nicht statt

liebe Gruesse,
Astrid

* Herzlichen Dank - sehr aufschlußreich (o.w.T.)

S - Schweden
Hallo!

In Schweden ist das Krankenversicherungssystem 100% steuerfinanziert und kommunal organisiert. Jeder ist automatisch versichert, es gibt nur eine Einheits-Krankenkasse (Försäkringskassa).

Hausärzte gibt es nicht, man geht in eine Art Ärztecenter, wo man sich vorher in langwierigen Prozeduren anmelden muss. Mit viel Glück bekommt man einen Termin in zwei bis drei Wochen. Jeder Besuch kostet zurzeit SEK 150,-- (ca. 14 EUR), Medikamente müssen bis zu einem Jahreshöchstbetrag von ca. 200 EUR zu 100% selbst bezahlt werden.

Zahnarzt und Zahnersatz muss 100% selbst bezahlt werden (auch Füllungen), für Kinder bis 19 Jahre frei.

Es gibt Wartelisten für Operationen, mit je nach Erkrankung/Dringlichkeit bis zu 5 Jahren! Wartezeit.

Es wird oft sehr lange herumgedoktert und versucht mit Tabletten oder Telefondiagnose zu helfen. Oft hilft dann nur ein Drohen mit an die Öffentlichkeit gehen, damit was passiert.

So ganz kann ich es also nicht verstehen, warum das schwedische Gesundheitssystem immer in Deutschland als Vorbild verkauft wird. Zumindest der Einfluss von Lobbyisten ist dort kleiner, was ja auch schon zur Kostensenkung beiträgt.

Gruß

/Reinhard

* (o.w.T.)