Getto oder Subkultur?

Hallo Wissende,

ich müsste es eigentlich selbst wissen, der ich mal ein paar Semester Soziologie studiert habe. Na ja, ist auch schon knapp 25 Jahre her. Also ich wüsste gerne, ob es einen Unterschied gibt zwischen dem Begriff Getto und Subkultur? Mir scheint der letztere Begriff eher ein beschönigender zu sein, während man mit dem ersteren sowas wie Gewalt, Aggressivität und allerlei anderes, sehr negatives assoziiert. Zumindest geht’s mir dabei so.

Gruß

Hermann

Hi,
der Unterschied ist eigentlich ganz einfach: Getto ist eine sozial-räumliche Kategorie, Subkultur eine sozial-kulturelle. Sprich: Ein Getto ist meist ein Stadtteil oder ein Viertel, in dem Angehörige der Unterschicht leben, bzw. solche, die in irgendeiner Form abgegrenzt sind/werden (vgl. jüdisches Ghetto in Warschau). Eine Subkultur dagegen bezeichnet die Lebens/Ausdrucks/Kulturform jenseits des Mainstreams. Beispiel: Punks. Die haben sich als Gegenkultur/Abgrenzung zum Spießertum gebildet, pflegen eine ganz bestimmte Mode, hören eine ganz bestimmte Musik, lungern auf irgendwelchen Plätzen rum. Das ist die Subkultur der Punks. Würden die sich entweder freiwillig oder von der Gesellschaft gezwungen nur in einem bestimmen Viertel aufhalten (dürfen), könnte man das als Punk-Getto bezeichnen.
Verstanden?
Fragt André

Hi André,

danke für dein Posting.

der Unterschied ist eigentlich ganz einfach: Getto ist eine
sozial-räumliche Kategorie, Subkultur eine sozial-kulturelle.

Alles klar, so in etwa dachte ich mir das auch. Aber: Gibt’s möglicherweise auch Mischformen bzw. das Zusammentreffen von Getto und Subkultur? Ich z.B.- daher komme ich drauf- lebe in einem Stadtteil, in dem mindestens 60% Aussiedler, Kurden und Türken wohnen, der Ausländeranteil bei den Kindern liegt bei 95%- aus 19 Nationalitäten.
Die Kurden und Türken haben so ihre eigene „Art“, die man bei Deutschen z.B. seltener sieht. Sie haben z.B. im Sommer die Angewohnheit, mit Tisch und Stuhl vors Haus zu gehen, dort ihren Tee zu trinken, zu quatschen etc… Scheint in der Türkei eben üblich zu sein, also sozusagen ein „Import“ aus einer anderen Kultur, hier aber- wenn überhaupt- nur auf dem Campingplatz anzutreffen. Klar, das ist hier kein Getto im Sinne des Warschauer Gettos, aber…
ich neige trotzdem dazu, von einem solchen zu sprechen.

Sprich: Ein Getto ist meist ein Stadtteil oder ein Viertel, in
dem Angehörige der Unterschicht leben, bzw. solche, die in
irgendeiner Form abgegrenzt sind/werden (vgl. jüdisches Ghetto
in Warschau). Eine Subkultur dagegen bezeichnet die
Lebens/Ausdrucks/Kulturform jenseits des Mainstreams.
Beispiel: Punks. Die haben sich als Gegenkultur/Abgrenzung zum
Spießertum gebildet, pflegen eine ganz bestimmte Mode, hören
eine ganz bestimmte Musik, lungern auf irgendwelchen Plätzen
rum. Das ist die Subkultur der Punks. Würden die sich entweder
freiwillig oder von der Gesellschaft gezwungen nur in einem
bestimmen Viertel aufhalten (dürfen), könnte man das als
Punk-Getto bezeichnen.
Verstanden?
Fragt André

Verstanden- frage ich zurück.

Hermann

Hi André,

danke für dein Posting.

der Unterschied ist eigentlich ganz einfach: Getto ist eine
sozial-räumliche Kategorie, Subkultur eine sozial-kulturelle.

Alles klar, so in etwa dachte ich mir das auch. Aber: Gibt’s
möglicherweise auch Mischformen bzw. das Zusammentreffen von
Getto und Subkultur?

Klar gibt es das: In einem Getto kann natürlich eine Subkultur entstehen, das ist sogar sehr häufig so. Denk mal an HipHop. Die Musikkultur ist in den schwarzen Gettos von New York entstanden. Allerdings ist die Kategorie Subkultur etwas schwammig. Ich bin mir nicht sicher, ob der Begriff nicht nur für neu entstandene Kulturphänomene gebraucht wird. Dass sich deine Nachbarn zum Teetrinken auf die Straße setzen - wohnst du in Neukölln? - dürfte vielmehr ein Brauch aus ihrer Heimat sein. Ob das jetzt schon eine Subkultur ist, keine Ahnung.
Gruß
André

Hi André,

Alles klar, so in etwa dachte ich mir das auch. Aber: Gibt’s
möglicherweise auch Mischformen bzw. das Zusammentreffen von
Getto und Subkultur?

Klar gibt es das: In einem Getto kann natürlich eine Subkultur
entstehen, das ist sogar sehr häufig so. Denk mal an HipHop.
Die Musikkultur ist in den schwarzen Gettos von New York
entstanden. Allerdings ist die Kategorie Subkultur etwas
schwammig.

Habe ich auch mal vermutet, da eine Subkultur eben weniger „knackig“ ist als „Getto“- mit dem letzteren Begriff kann man meist was anfangen- also auch der sozialwissenschaftlich nicht beschlagene Mensch assoziiert wohl meist das richtige damit. Aber was zum Deibel noch einmal ist eine Subkultur :wink:?

Ich bin mir nicht sicher, ob der Begriff nicht nur
für neu entstandene Kulturphänomene gebraucht wird. Dass sich
deine Nachbarn zum Teetrinken auf die Straße setzen - wohnst
du in Neukölln? - dürfte vielmehr ein Brauch aus ihrer Heimat
sein. Ob das jetzt schon eine Subkultur ist, keine Ahnung.

Ja, das ist doch jetzt eine spannende Frage: Ist es deswegen ein „subkulturelles Phänomen“, weil es aus der Heimat entstanden ist oder muss es HIER und in diesem Kulturkreis neu entstehen, um als Subkultur zu gelten? Ich glaube, damit bekommt man die richtige Sichtweise. Im Falle, dass es einfach aus der Heimat ist, ist es halt ein Brauch und keine Subkultur. Im Falle, dass es aus der Wohn- und Lebenssituation in der Fremde entsteht, könnte man es doch u.U. als Subkultur bezeichnen. Zumindest müsste man doch sehr genau unterscheiden, ob sich jemand auf die Straße setzt, weil er somit mit seinesgleichen in Kontakt kommt, um damit also Isolation abzubauen oder ob er einfach einem Brauch nachgeht, den er/sie aus der Heimat hat.

Was ist eigentlich Neukölln für’n Viertel / Getto / Subkultur? Mach’ mich schlau- please :smile:.

Also für den Fall, dass es ein extremes Beispiel für Getto und / oder Subkultur ist, will ich mal ein bisschen beschreiben, was hier so abgeht: Ich lebe- wie gesagt- in einem von ca. 70% mit ausländischen Mitbürgern beseelten Viertel, viele davon haben Migrationshintergrund (mein Gott, wie gescheit ich doch heute wieder mal bin!). Diese Siedlung hier war früher mal von den Engländern bewohnt- das war ein echtes Getto, würde ich sagen, auch wenn der Faktor Armut und Kriminalität da gefehlt hat. Aber immerhin: Die Engländer waren hier stationiert, und alle haben in diesem Viertel gewohnt. So weit, so gut oder auch nicht gut. Dann- anfang der 90er- sind die Engländer verschwunden. Und dann geschah’s: Weil es ja so schön schon ein Viertel war, womit die Bewohner der Kernstadt was besonderes (ha, ha) verbanden, hat man es auch gleich so gelassen und hat Aussiedler, Kurden, Türken, all das ganze „Gesocks“ hierher verfrachtet und - o Wunder- wundert man sich jetzt über die fehlende „Integration“; mich wunderts nicht. Also wenn du jemanden kennst, der gerade über dererlei eine Magisterarbeit schreibt und / oder eine Diplomarbeit etc. pp: Hierher mit ihm.

Doch weiter: Das Viertel bekam einen gänzlich schlechten Ruf, nachdem die Engländer den Sittich gemacht hatten. Es gab Zoff und Kriminalität, und so kams wies kommen musste: Keiner will hier wohnen. Es gibt hier 100e von freien Wohnungen- ungelogen! Du kannst hier für 20.000 Euros eine 80 qm große Wohnung ersteigern- kein Problem.

Nun fragst du vielleicht, ob der Ruf denn seine Berechtigung hat: Mit nichten. Es ist friedlich- man kann auf die Straße gehen, kein Problem. Es gibt natürlich mehr - bedeutend mehr- Probleme wie in der Kernstadt, nur: dafür können die Bürger hier herzlich wenig. Ok, so viel ganz kurz zum Überblick.

Gruß

Hermann

Was ist eigentlich Neukölln für’n Viertel / Getto / Subkultur?
Mach’ mich schlau- please :smile:.

Neukölln ist ein Berliner Stadtteil (ehemals Westberlin) mit einem äußerst hohen Ausländeranteil anatolischer Herkunft. Dort und in Teilen Kreuzbergs sieht man die gleichen Phänomene, die du beschrieben hast. Männerdominierte Teerunden, vor der Türe hocken etc.

Dann- anfang der 90er- sind die Engländer
verschwunden. Und dann geschah’s: Weil es ja so schön schon
ein Viertel war, womit die Bewohner der Kernstadt was
besonderes (ha, ha) verbanden, hat man es auch gleich so
gelassen und hat Aussiedler, Kurden, Türken, all das ganze
„Gesocks“ hierher verfrachtet und - o Wunder- wundert man sich
jetzt über die fehlende „Integration“; mich wunderts nicht.

Diese Gettobildung ist ja ein bekanntes Problem und Erbe der letzten Jahrzehnte Stadtplanung. Allerdings ist es nicht nur so, dass die Aussiedler/Ausländer von der Verwaltung alle in ein Viertel gesteckt wurden. Meist haben die hier lebenden Ausländer ihre Freunde/Familie, die erst später kamen, dahin gelockt. Ist ja verständlich. Jungs, wir wohnen da und da, wir können euch da ne Wohnung besorgen, da gibts auch nen türkischen Bäcker und ihr habt keine Probleme mit der Sprache. Also zogen die Nachkömmlinge auch dahin, man blieb unter sich, die Integration fand nicht statt, weil man auch ohne Sprachkenntnisse überleben konnte. So entstanden die heute viel geschmähten Parallelgesellschaften.

Es gibt hier 100e von freien Wohnungen-
ungelogen! Du kannst hier für 20.000 Euros eine 80 qm große
Wohnung ersteigern- kein Problem.

Mach das! Nach der Wende wurden die leerstehenden Ostberliner Altbauwohnungen auch verramscht. Heute wohnen da spendable Wessis, Künstler, Medienschaffende, Politiker etc. drin und die neuen - meist westlichen - Eigentümer verdienen sich ne goldene Nase.

Tschöö
André

Hallo André,

Neukölln ist ein Berliner Stadtteil (ehemals Westberlin) mit
einem äußerst hohen Ausländeranteil anatolischer Herkunft.
Dort und in Teilen Kreuzbergs sieht man die gleichen
Phänomene, die du beschrieben hast. Männerdominierte
Teerunden, vor der Türe hocken etc.

Alles klar, danke fürs Info. Übrigens sind hier auch Frauen und Kinder mit bei den Teerunden- meinen Beobachtungen nach.

Dann- anfang der 90er- sind die Engländer
verschwunden. Und dann geschah’s: Weil es ja so schön schon
ein Viertel war, womit die Bewohner der Kernstadt was
besonderes (ha, ha) verbanden, hat man es auch gleich so
gelassen und hat Aussiedler, Kurden, Türken, all das ganze
„Gesocks“ hierher verfrachtet und - o Wunder- wundert man sich
jetzt über die fehlende „Integration“; mich wunderts nicht.

Diese Gettobildung ist ja ein bekanntes Problem und Erbe der
letzten Jahrzehnte Stadtplanung. Allerdings ist es nicht nur
so, dass die Aussiedler/Ausländer von der Verwaltung alle in
ein Viertel gesteckt wurden. Meist haben die hier lebenden
Ausländer ihre Freunde/Familie, die erst später kamen, dahin
gelockt. Ist ja verständlich.

Ja, vermutlich würde ich auch so handeln. Aber schuld könnte man auch in erster Linie den Städteplanern geben und denen, die die Häuser vermieten und verwalten. Die könnten der Sache einen Riegel vorschieben. Und zu denken- blauäugig- dass sich das schon regelt, wenn ein paar Deutsche mit im Viertel wohnen, ist eigentlich naiv. Ich habe im Grunde genommen nix gegen Ausländer, jedoch: Gehäuft gehen sie mir auf die Nerven. Allein schon, dass ich hier selten auf der Straße ein paar deutsche Worte höre, ist recht nervig. Da lass ich mich auch auf überhaupt keine Diskussion ein. Das wird der möglicherweise verstehen, der in ähnlicher Wohnsituation lebt.

Jungs, wir wohnen da und da, wir
können euch da ne Wohnung besorgen, da gibts auch nen
türkischen Bäcker und ihr habt keine Probleme mit der Sprache.

Harr, einen türkischen Laden hatten wir hier im Viertel auch. Genialerweise- je nach Sichtweise der Problematik mehr oder weniger „genial“- ist der schnell von dannen gezogen wie um der Ecke der Lidl- Markt aufgemacht hat. Klar, der hat jetzt auch Fladenbrot etc. pp…

Also zogen die Nachkömmlinge auch dahin, man blieb unter sich,
die Integration fand nicht statt, weil man auch ohne
Sprachkenntnisse überleben konnte. So entstanden die heute
viel geschmähten Parallelgesellschaften.

Es gibt hier 100e von freien Wohnungen-
ungelogen! Du kannst hier für 20.000 Euros eine 80 qm große
Wohnung ersteigern- kein Problem.

Mach das!

Wovon? 20000 sind zwar objektiv wenig, aber als ALG II - Empfänger hab’ ich die nicht.

Nach der Wende wurden die leerstehenden Ostberliner
Altbauwohnungen auch verramscht. Heute wohnen da spendable
Wessis, Künstler, Medienschaffende, Politiker etc. drin und
die neuen - meist westlichen - Eigentümer verdienen sich ne
goldene Nase.

Peil momentan nicht so ganz, worauf du raus willst. Wenn ich hier 'ne Wohnung kaufen würde, so ich die Kohle hätte und es obendrein auch wollte, dann würde ich doch mit Sicherheit auch die Kosten „erben“; Renovierung etc. pp. Das einzige, was mithin also günstig wäre, wäre der Kauf. Alles weitere kann sich im Laufe der Jahre ganz schön relativieren, denke ich. Ich kann dir, wenn du willst, mal ein Foto zumailen, damit du über den Zustand der Häuser- teilweise zumindest- ein Bild hast.

Gruß

Hermann