Hi André,
Alles klar, so in etwa dachte ich mir das auch. Aber: Gibt’s
möglicherweise auch Mischformen bzw. das Zusammentreffen von
Getto und Subkultur?
Klar gibt es das: In einem Getto kann natürlich eine Subkultur
entstehen, das ist sogar sehr häufig so. Denk mal an HipHop.
Die Musikkultur ist in den schwarzen Gettos von New York
entstanden. Allerdings ist die Kategorie Subkultur etwas
schwammig.
Habe ich auch mal vermutet, da eine Subkultur eben weniger „knackig“ ist als „Getto“- mit dem letzteren Begriff kann man meist was anfangen- also auch der sozialwissenschaftlich nicht beschlagene Mensch assoziiert wohl meist das richtige damit. Aber was zum Deibel noch einmal ist eine Subkultur ?
Ich bin mir nicht sicher, ob der Begriff nicht nur
für neu entstandene Kulturphänomene gebraucht wird. Dass sich
deine Nachbarn zum Teetrinken auf die Straße setzen - wohnst
du in Neukölln? - dürfte vielmehr ein Brauch aus ihrer Heimat
sein. Ob das jetzt schon eine Subkultur ist, keine Ahnung.
Ja, das ist doch jetzt eine spannende Frage: Ist es deswegen ein „subkulturelles Phänomen“, weil es aus der Heimat entstanden ist oder muss es HIER und in diesem Kulturkreis neu entstehen, um als Subkultur zu gelten? Ich glaube, damit bekommt man die richtige Sichtweise. Im Falle, dass es einfach aus der Heimat ist, ist es halt ein Brauch und keine Subkultur. Im Falle, dass es aus der Wohn- und Lebenssituation in der Fremde entsteht, könnte man es doch u.U. als Subkultur bezeichnen. Zumindest müsste man doch sehr genau unterscheiden, ob sich jemand auf die Straße setzt, weil er somit mit seinesgleichen in Kontakt kommt, um damit also Isolation abzubauen oder ob er einfach einem Brauch nachgeht, den er/sie aus der Heimat hat.
Was ist eigentlich Neukölln für’n Viertel / Getto / Subkultur? Mach’ mich schlau- please .
Also für den Fall, dass es ein extremes Beispiel für Getto und / oder Subkultur ist, will ich mal ein bisschen beschreiben, was hier so abgeht: Ich lebe- wie gesagt- in einem von ca. 70% mit ausländischen Mitbürgern beseelten Viertel, viele davon haben Migrationshintergrund (mein Gott, wie gescheit ich doch heute wieder mal bin!). Diese Siedlung hier war früher mal von den Engländern bewohnt- das war ein echtes Getto, würde ich sagen, auch wenn der Faktor Armut und Kriminalität da gefehlt hat. Aber immerhin: Die Engländer waren hier stationiert, und alle haben in diesem Viertel gewohnt. So weit, so gut oder auch nicht gut. Dann- anfang der 90er- sind die Engländer verschwunden. Und dann geschah’s: Weil es ja so schön schon ein Viertel war, womit die Bewohner der Kernstadt was besonderes (ha, ha) verbanden, hat man es auch gleich so gelassen und hat Aussiedler, Kurden, Türken, all das ganze „Gesocks“ hierher verfrachtet und - o Wunder- wundert man sich jetzt über die fehlende „Integration“; mich wunderts nicht. Also wenn du jemanden kennst, der gerade über dererlei eine Magisterarbeit schreibt und / oder eine Diplomarbeit etc. pp: Hierher mit ihm.
Doch weiter: Das Viertel bekam einen gänzlich schlechten Ruf, nachdem die Engländer den Sittich gemacht hatten. Es gab Zoff und Kriminalität, und so kams wies kommen musste: Keiner will hier wohnen. Es gibt hier 100e von freien Wohnungen- ungelogen! Du kannst hier für 20.000 Euros eine 80 qm große Wohnung ersteigern- kein Problem.
Nun fragst du vielleicht, ob der Ruf denn seine Berechtigung hat: Mit nichten. Es ist friedlich- man kann auf die Straße gehen, kein Problem. Es gibt natürlich mehr - bedeutend mehr- Probleme wie in der Kernstadt, nur: dafür können die Bürger hier herzlich wenig. Ok, so viel ganz kurz zum Überblick.
Gruß
Hermann