Ich bin Mann, 34 und habe seit etwa 10 Jahren bei der
Continentale eine PKV. Nun gestern habe ich per Brief Beischeid zur
Beitragserhöhung erhalten:
Selbstbeteiligung: 2015: 4200€ => 2016: 4700€
Monatl. KV Gesamt: 98€ => 153€
In den letzten Jahren ist der Beitragsatz jährlich um 3-7% gestiegen,
aber nie in diesem Ausmaß. Nun bin ich besorgt über die weiteren
Beitragsentwicklung und bin der Überlegung, ob die Zahlen überhaupt
stimmen, was ich da sehe und ob eine Beitragserhöhung von über 56%
gesetzlich zulässig ist.
Hallo,
bei der Kalkulation von Beitragsanpassungen muss die PKV die Kalkulationsverordnung beachten: http://www.gesetze-im-internet.de/kalv/
Eine Obergrenze ist mir hier nicht bekannt. (Mit) ein Grund für die ausserordentliche Erhöhung kann in der Anpassung des Rechnungszinses liegen. Die PKV dürfen bis 3,5% kalkulieren - dies erfolgte in der Vergangenheit, abgesehen von den „Uni-Sex-Tarifen“, auch. Der „aktuarielle Rechnungszins“ ist mittlerweile bei einigen Unternehmen unter die 3,5% gesunken.- Er ist wichtiger Bestandteil der Kalkulation für die so genannten Alterungsrückstellungen (die bei einem 34 jährigen Mann einen sehr erheblichen Anteil am Gesamtbeitrag ausmachen dürften). Bei der Kalkulation der „Uni-Sex-Tarife“ in 2012 haben fast alle PKV einen Rechnungszins von 2,75% kalkuliert. Allein dies führte, so mich meine Erinnerung nicht trügt, bei vergleichbarem Leistungsumfang gegenüber den „Alt-Tarifen“ zu ca. 7% höherem Beitrag: für „Neueinsteiger“ wohlgemerkt. Erfolgt die Anpassung des Rechnungszinses bei einem, bisher mit 3,5% kalkulierten Tarif - so fällt der Anpassungsbedarf erheblich höher aus.- Es muss quasi Sparanteil für das Alter zusätzlich nachgeholt werden. Der Dank hierfür gilt der EZB und ihrer Niedrigzinspolitik.
Übrigens: der Höchstbetrag in der gesetzlichen Krankenversicherung liegt weit oberhalb 700 Euro/Monat.
Gruß J.K.
der Grund liegt darin, daß junge Menschen mit niedrigen Beiträgen geködert werden, die nur die gesetzlich vorgeschriebenen Altersrückstellungen enthalten und bei denen es mit zunehmendem Alter (und damit zunehmendem Risiko) zwangsläufig zu derartigen Preissteigerungen kommt. Gerne machen bestimmte Versicherungsgesellschaften auch nahezu jährlich neue Tarife auf, die dann neu vermarktet werden und die sich natürlich vornehmlich an jüngere Kunden richten. Wird der Tarif älter (und damit auch das durchschnittliche Mitglied, zumal auch ältere Mitglieder bei entsprechender Beratung von diesen neuen Tarifen Wind bekommen)) haut die Kalkulation nicht mehr hin und der Tarif wird sprunghaft teurer. Der Gesamtbeitrag von bisher 98 Euro spricht sehr für diese Theorie.
Die aktuelle Erhöhung wird insofern auch nicht das Ende der Fahnenstange sein. 153 Euro für einen 34 Jahre alten Mann sind immer noch geschenkt. Je nach Absicherung ist durchaus das dreifache realistisch.
Erstens liegt der Höchstbeitrag ohne Zuschlag bei 640 Euro und zweitens hat die Niedrigzinspolitik damit nichts zu tun. Daß die Umlaufrendite längere Zeit über 3,5% lag, ist schon an die 15 Jahre her. Aber wie gesagt: der Diskontierungssatz für die Altersrückstellungen hat bei der geschilderten Erhöhung sicherlich keinen nennenswerten Einfluß gehabt.
Hallo,
der Beitragssatz der gesetzlichen Kassen bewegt sich eben nicht bei durchschnittlich 14,6% sondern wohl eher (noch) bei 15,5%. Abgesehen davon ist zusätzlich noch ein Beitrag für die Pflegepflichtversicherung fällig.
Darüber hinaus empfehle ich die Nutzung eines Zinseszinsrechners. So etwas findet man im Netz. Mal vereinfacht angenommen, die Conti kalkuliert mit einer Lebenserwartung des Fragestellers bis zur Vollendung des 81. Lebensjahres. Das wären dann noch 46 Jahre. Ein Anfangskapital von 100 Euro und ein angenommener Zinssatz von 3,5% ergeben nach 46 Jahren ein Kapital von 486,69.- Bei einem angenommenen Zinssatz von 2,75% nur noch 348,31. Damit ist, um nach 46 Jahren das gleiche Kapital zu erzielen, ein Anfangskapital von 138,38 erforderlich. Das sind, bezogen auf das Anfangskapital, 38,38%…
Gerade bei einem Tarif mit derart hoher Selbstbeteiligung haben die Alterungsrück-stellungen eine ausserordentlich hohe Bedeutung. Nur sehr wenige 30, 35 oder 40-jährige Personen werden den Versicherungsschutz in Anspruch nehmen müssen. Bei 70 oder gar 80-jährigen Personen verhält sich das anders.
Bei der Kalkulation der Alterungsrückstellungen ist das altersbedingt zunehmende Krankheitsrisiko berücksichtigt! So schreibt es der Gesetzgeber auch vor! Nicht berücksichtigt werden kann bei der Kalkulation die künftige, allgemeine Kostenentwicklung im Gesundheitswesen. Um den PKV-Versicherten in diesem Zusammenhang vor übermässigen Beitragssteigerungen im Alter zu schützen, gibt es seit dem Jahr 2000 den 10%igen, „gesetzlichen Zuschlag“
Gruß J.K.
Die von mir genannten 640 Euro entsprechen bereits einem Beitragssatz von 15,5%.
Die Pflegeversicherung in den Beitrag hineinzurechnen ist insofern nicht zielführend, als daß der Fragesteller von seinem Krankenversicherungsbeitrag sprach und nicht dem Gesamtbeitrag, den er an seine Krankenversicherung zahlt. Der PV-Tarif käme auf den Beitrag also noch oben drauf.
Deine Rechnung hinsichtlich des Effektes von Zinseszinsen bzw. des Diskontsatzes auf die Altersrückstellungen ist an sich nicht falsch, nur erklärt die Rechnung nicht die genannte Beitragserhöhung von immerhin 56%. Es wäre nämlich schon wirklich sehr eigenartig, wenn die Continentale ausgerechnet und erstmalig für das Beitragsjahr 2016 (nachdem sich die Marktzinsen schon seit 15 Jahren auf einem Niveau von unter 3,5% und seit etwa 7 Jahren unter 1% bewegen) auf den Gedanken käme, daß sich der Kalkulationszinssatz von 3,5% nicht halten läßt und nicht nur die Versäumnisse der letzten 10 Beitragsjahre nachzuholen, sondern auch für die mutmaßliche Restlaufzeit des Vertrages den gesamten Effekt in den Beitrag reinzurechnen.
Vielmehr dürfte sich der jährliche Zins- und damit Beitragseffekt auf ein paar Euro jährlich (bezogen auf den Monatsbeitrag) beschränken, was auch die jährlichen Erhöhungen von 3-7% zumindest zum Teil erklärt.
Auch wenn man sehr oft von Versicherern und Vertretern hört, daß das Zinsniveau die Beitragserhöhungen bedingt, entspricht das nun einmal nicht den Tatsachen. Vielmehr haben diese drastischen Erhöhungen in aller Regel die von mir genannten Gründe: niedrige Beiträge für junge Menschen (und insbesondere Männer), mit denen man im TV und auf der HP prominent wirbt, die häufige Einführung von neuen Tarifen, um genau diese Beiträge kalkulieren zu können, und nicht über das gesetzliche Maß hinausgehende Altersrückstellungen.
Nach ein paar Jahren kommt dann der Knall, wenn der einstmals frische Tarif von durch Beitragserhöhungen in ihren Tarifen vergrätzten Altmitgliedern zunehmend auch genutzt wird (was die Risiken und damit die Beiträge ansteigen läßt) , und die einstmals jungen Mitglieder einige Jahre älter geworden sind, während die neuen jungen Mitglieder auf wieder neu eingeführte Tarife umgeleitet werden. Das Beitragsniveau des einstmals günstigen Locktarifes nähert sich dann rapide einem Normalmaß an, was das einstmals PKV-wechselwillige Neumitglied seinerzeit so gar nicht kannte bzw. vorhersehen konnte. Und so steht man dann mit Mitte/Ende 30 regelmäßig vor Wahl, einen Beitrag zahlen zu müssen, der dem der GKV nahekommt oder Leistungskürzungen hinzunehmen.
Dies gepaart mit der einseitigen Beschreibung der Vorteile der PKV (die nämlich vom Normalmitglied mit normaler gesundheitlicher Entwicklung in den ersten 30-35 Jahren so gar nicht wahrgenommen werden) und gleichzeitiger Unterschlagung der Nachteile (insbesondere im Alter und für den Fall des Nachwuchses, bei dem gutverdienende Männer in den 20ern und frühen 30ern gedanklich in der Regel mal so gar nicht sind - und damit meine ich nicht nur um die zusätzlichen Beiträge für die Kinder, sondern so Lustigkeit wie den selbst zu zahlenden Beitrag in Elternzeit, die fehlende Übernahme des Gehaltsausfalls bei Krankheitstagen des Kindes usw. - was schnell mal die Beitragsvorteile ggü. der GKV von einigen Jahren auffressen kann), macht die PKV zu einer anfänglich ziemlich verlockenden, später aber - bei falscher Auswahl des Versicherers bzw. Versicherungsvertreters - zu einer finanziell unattraktiven und ggfs. sogar ruinösen Veranstaltung.
ich gebe zu: ein unverzeihlicher Fauxpas von mir.
Ob der Fragesteller den Beitrag in- oder exklusive des Beitragsanteiles zur Pflegeversicherung meinte, ist uns nicht definitiv bekannt.
Auch ist nicht bekannt, wie sich der Krankenversicherungsschutz im Einzelnen bei dem Fragesteller zusammensetzt. Oftmals üblich (aber nicht zwingend) ist die Zusammensetzung des Versicherungsschutzes aus mehreren Einzelbausteinen - Tarifen. Die Beitragsan-passungen der vergangenen Jahre können sich daher auch auf andere Tarife als den jetzt angepassten Tarif bezogen haben;- und oder auch (zum1.1.13 und 1.1.15 erfolgte hier eine branchenweit identische Anpassung) - (teilweise?) auf den Beitrag Pflegeversicherung.
Der Gesetzgeber hat in §12b VAG die Möglichkeiten zur Beitragsanpassung klar vorgegeben.
Die Absenkung des aktuariellen Rechnungszinses löst, für sich genommen, keine Beitragserhöhung aus! Die Beitragserhöhung wird ausgelöst durch erhöhte Leistungsausgaben und/oder längere Lebenserwartung. Die Anpassung in Folge sinkender Zinsen kommt dann noch „oben drauf“.
Die Annahme, die Beitragserhöhungen der Conti in den vergangenen Jahren bezögen sich auf sinkende Zinseffekte, ist falsch!
Die durchschnittliche „Nettoverzinsung“ der PKV-Unternehmen auf die Anlagen betrug im Jahr 2014: 3,91% (immer noch) (Quelle:PKV-Verband). Selbstverständlich haben einige Unternehmen niedrigere, andere Unternehmen eine höhere Verzinsung erzielt.
Zur Verwendung der Zinsgewinne oberhalb der rechnungsmässigen Verzinsung sei auf §12a VAG hingewiesen.
Der „aktuarielle Rechnungszins“ liegt bei einigen PKV zwischenzeitlich unterhalb des oben genannten Wertes.- Und somit auch unter 3,5%. Ein Grund: der verantwortliche Aktuar muss die aktuelle Zinsentwicklung für künftig anzulegende Gelder berücksichtigen.
Seit dem 21.12.2012 gilt, dass die Beiträge für neu in die PKV eintretende Personen „geschlechtsneutral“ zu kalkulieren sind.- „Männervorteil“ ade!
Ja, es gibt PKV-Unternehmen, die, wenn auch nicht jährlich sondern in erheblich größeren Zeitabständen, „Neutarife“ geschaffen und „Alttarife“ gleichzeitig für den Neuzugang geschlossen haben. Zu Recht hat der Gesetzgeber hier mit §204 VVG Wechselmöglichkeiten geschaffen. Aber man möge doch bitte nicht von einigen auf alle schließen!
Auch freiwillig GKV-versicherte Personen müssen übrigens während der Elternzeit Beiträge entrichten. Die Beitragsbefreiung während der Elternzeit gilt nur für Pflichtmitglieder.
Zur Bedeutung der Alterungsrückstellungen in der PKV: lt. PKV-Verband betrugen diese 2014 (branchenweit) insgesamt 206,2 Mrd. Euro. Beitragseinnahmen im Jahr 2014: 36,3 Mrd. Euro.
Gruß J.K.
Ich danke Euch für die umfassenden und hilfreichen Antworten. Ich bin zurzeit auf Geschäftsreise und kann leider nicht zeitnahe auf Eure Kommentare antworten.
Bezogen auf den Beitrag ist der Gesamtbeitrag an die PKV gemeint (inkl. Pflegeversicherung). Ich habe die Kostenaufstellung nicht vor mir liegen, aber glaube, dass die Pflegeversicherung bei etwa 20Euro liegt.
Ich glaube, am besten kontaktiere ich meine Versicherung und werde deren Erklärung hier dann posten.
:Die von mir genannten 640 Euro entsprechen bereits einem Beitragssatz von 15,5%.
Nein, aber da Du mich schon korrigieren mußtest, erlaubte ich mir, darauf hinzuweisen, daß die Korrektur falsch war.
Du bist in Deinem ersten Beitrag nahezu ausschließlich auf dem Zinsgaul herumgeritten, so daß sich der Eindruck schon ein wenig aufdrängte, daß Du darin den Hauptgrund für die Beitragserhöhungen siehst. Dieser Eindruck wurde durch den anschließenden Beitrag nicht unbedingt verändert.
Dir fällt aber schon auf, daß der zweite Absatz den ersten gleich widerlegst bzw. zumindest relativiert, oder? Mal abgesehen davon, hat die Continentale alleiin schon im Zeitraum 2010-2013 ihren Rechnungszins in wenigstens zwei Schritten von 4,1 auf 2,75% reduziert.
Soweit ich weiß, gehört die Continentale eben auch zu denen und zusammen mit der eher unterdurchschnittlichen Ertragsstärke spricht das dafür, daß der letzte große Schluck aus der Pulle für den Fragesteller noch nicht das Ende der Fahnenstange war.
Das ist mir durchaus bekannt. Dieser Umstand wie auch der ein oder andere Nachteil der PKV wird aber beim Vertragsabschluß nicht unbedingt in den Vordergrund gestellt. Sehr wohl aber Vorteile, die - wie ich erwähnte - für den Normalmenschen in den ersten Jahrzehnten der Mitgliedschaft nicht wirklich relevant sind. Bis es mal so weit ist, sind dann diverse Beitragsüberraschungen auf dem Gabentisch gelandet.
Ja, da hat zusammen mit meiner Motivation, diese Unterhaltung fortzusetzen, auch meine Aufmerksamkeit gelitten, so daß ich bei der ersten Zahl eine genannte Nettoverzinsung mit dem Rechnungszins verwechselt habe.
Da Du Dir nur diesen Absatz für eine Antwort ausgesucht hast, gehe ich davon aus, daß der Rest meines Beitrages Deine Billigung findet.
Hallo,
ich habe kein Interesse an Wortspielereien und auch kein Interesse an einer Fortsetzung dieses Dialogs. Die Nettoverzinsung bei der Conti KV lag 2012 bei 3,9%,- 2013 bei 3,8%.
Und nein; der Großteil deiner Beiträge findet nicht meine Zustimmung.- Handelt es sich doch hierbei nicht um Fakten sondern vielmehr um Meinung, Theorie und Mutmassung.
Gruß
Und 2010 bei 4,12%. Das ist aber auch nur ein nebensächlicher Aspekt, wie die meisten Punkte, an denen Du Dich festgebissen hast, während Du die wesentlichen Argumente ignorierst. Aus diesem Grunde trifft mich Deine nachstehende Kritik auch eher weniger.
Wenn Du den Leuten weiterhin weismachen willst, daß Beitragserhöhungen um >50% tatsächlich auf die Zinssituation zurückzuführen ist, kannst Du das gerne machen. Es bleibt weiterhin inhaltlich und mathematisch unzutreffend.