Gibt es in Mobbingprozessen klare Täter und Opfer?

Ich befasse mich gerade in Bezug auf mein Studium mit dieser Frage. Im speziellen mit Mobbing in der Schule. Kann man beim Mobbing wirklich klare Rollen zuweisen? Oder sollte man auf die Begriffe Täter und Opfer verzichten?
Gibt es eine alternative zu diesen Begriffen?
Bin gerade etwas ratlos und würde mich über konstruktive Antworten freuen!

Hallo,

eine eigentlich ganz einfache - und auch ganz schwierige - Frage…

Zum einen:
Klar gibt es ein Kind, dass Opfer ist und unter dem Mobbing leidet. Je nach Form des Mobbings seelisch und / oder körperlich. Und natürlich hat es auch nicht selbst Schuld. (Dies wird oft gern - auch von Eltern - angemerkt, etwa in Richtung: „Der benimmt sich so merkwürdig, der provoziert es doch, dass man sich über ihn lustig macht und ihn ausgrenzt“. Logische Konsequenz eines solchen Denkens ist es natürlich, dem Opfer das „Opfersein“ abzusprechen.)

In diese Richtung könnte man auch deine Frage verstehen:

Kann man beim Mobbing wirklich klare Rollen zuweisen?

Die Frage: „Gibt es wirklich ein Opfer (oder ist es auch gleichzeitig Täter)?“ sollte so (in der Praxis) nicht gestellt werden. Denn hierdurch impliziert man eine gewisse Skepsis, Zurückhaltung. Bei einem Mobbingfall wird aber das Opfer bedingungslose Unterstützung benötigen, da die Aufarbeitung mindestens genauso emotional belastend sein wird wie das Mobbing selbst.
(Für sich selber, ganz privat, kann man vielleicht zugeben, dass, ja, dieses Kind in seinem Verhalten sehr merkwürdig ist, dies rechtfertigt aber keine seelischen oder körperlichen Grausamkeiten.
In der Aufarbeitung kann man einem solchem Kind im Laufe des Prozesses (nicht zu Beginn) vielleicht auch zu verstehen geben, dass es bitte nicht mehr so häufig im Unterricht in der Nase popelt oder nicht mehr alles petzt.)

Also ein deutliches „Ja“ - es gibt ein Opfer.

Zum anderen:
Bei der „Aufklärung“ eines Mobbingfalls ist es einfacher, alle an einen Tisch zu bekommen und wieder zu einem normalen Klassenklima zurückzukehren, wenn der / die Täter ebenfalls mitarbeiten. Das geht einfacher, wenn nicht massive Schuldzuweisungen ausgesprochen werden. Zumal es bei den Tätern tatsächlich unterschiedliche Tätertypen gibt.

Es gibt etwa den, der die treibende Kraft ist,
dann die, die (vielleicht auch aus Angst, dass sie sonst auch Opfer werden könnten), mitmachen - und oftmals stärker agieren als der ursprüngliche Initiator,
und dann gibt es auch noch die, die einfach wegsehen, nicht eingreifen, wenn jemand angegriffen wird
(so ein Angriff kann ja auch „einfach“ nur das Verbreiten von kompromittierenden Bildern oder Videos sein - in einem solchen Fall reicht es aus, wenn alle nur interessiert die Bilder ansehen, wodurch die unterschiedlichen Tätertypen sich bestärkt fühlen. Würden einige in der Situation sagen, dass ihnen dies nicht gefällt, sie kein Interesse haben, fände keine Verstärkung des Mobbings statt.)

In dieser Situation, in der verschiedenste Personen unterschiedlichste Rollen einnehmen, diese im Laufe des Mobbingprozesses auch mal wechseln, ist es schwierig, den Täter ausfindig zu machen.

Ein kurzes Googlen hat diese interessante (auf den ersten Blick richtige) Zusammenfassung geliefert: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATIO…
Außerdem interssant ein Angebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: http://www.bzga.de/?uid=da829b29e8f0828d81e5bdb8154d… (Grundschule) bzw. http://www.bzga.de/?uid=da829b29e8f0828d81e5bdb8154d… (Klasse 5-9) und z.B. die http://www.vow-stiftung.de/ , die eine Beratungsstelle unterhält und auch Vorträge zm Thema anbietet.

PS:
Nicht vergessen sollte man, dass nicht jedes Hänseln gleich ein Mobbing ist. Auch wenn Mobbingfälle heute häufiger vorkommen als früher, wird der Begriff doch allzugern sofort „gezückt“, wenn es zu Problemen (in den Noten oder im Verhalten) in der Schule kommt. Viele rechtfertigen ihre schlechten Leistungen in der Schule mit der angeblichen Ausgrenzung. Im menschlichen Zusammenleben kommt es aber immer wieder zu „Reibereien“, das gehört dazu und ist auch nicht zu ändern.