Gibt es sowas wie Ur- oder Kernerinnerungen?

Heyho. Gibt es Erinnerung im menschlichen Geist, die prägsam für dessen weitere Entwicklung und Handlungen werden? Ich meine irgendwo müssen die Persönlichkeit und die charakterlichen Merkmale eines Menschen ja herkommen. Und ich glaube einfach nicht, dass alles durch die Erziehung oder das soziale Umfeld verschuldet ist. Das subjektive Wahrnehmungsvermögen muss doch auch irgendwas dazu beitragen. Was sagen die Psychologen unter euch dazu?

Aaaah, du hast „Alles steht Kopf“ gesehen, nicht wahr?

:smile_cat:

PS:

Hallo,

natürlich oder warum glaubst du, können uns bestimmte Geräusche eine tiefgreifende Angst einjagen ?

Obwohl dank unserer Technik die Nacht zum B. mit Leichtigkeit in einen hellen Rag verwandelt werden kann dank LED-Strahlern.

Oder nimm Farbkombinationen wie zum B. Schwarz-Gelb, die uns ja auch in Bereitschaft
versetzen.

Hi,

das ist etwas verwirrend: natürlich ist es alles die Erziehung und das soziale Umfeld, die nehmen wir wahr, und wir erinnern uns. Je früher das alles zurückliegt, um so mehr ist es unbewusst, aber wir erinnern uns. Wie sollen wir uns denn an etwas ERINNERN, das wir nicht erlebt haben? Und wie willst Du etwas ERLEBEN, das nicht in deinem sozialen Umfeld geschieht, vor allem als kleines Kind?

Darüber hinaus gibt es aber noch die Gene. Bestimmte Charakterzüge und Ängste sind uns angeboren - Angst vor Spinnen oder unser Hass gegenüber dem Geräusch von Fingernägeln auf einer Tafel.

die Franzi

Re^2: Off topic

Mehr oder minder mit exakt dieser Frage hat übrigens vor knapp 2500 Jahren damals die abendländischen Philosophie begonnen (wenn man sie denn mit Platon beginnen lassen möchte).

Gruß
F.

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Hallo,
bin kein Psychologe- antworte aber dennoch einmal :smile:

Die Persönlichkeit ist ein Oberbegriff für zig Anteile, die wir in uns tragen.
Diese Anteile sind wiederum Verhaltensmuster, die wir gelernt haben.
So kennen wir alle unseren „inneren Schweinehund“, den man als inneren Anteil bezeichnen kann und ein Verhaltensmuster ist, was uns manches ermöglicht oder eben nicht :wink:
Dasselbe ist bei unserem „inneren Perfektionisten“, oder oder oder…wir bestehen aus unzähligen Verhaltensmustern.

Wo kommen die her?
Primär aus dem, was wir gelernt haben und mal ganz simpel ausgedrückt nach dem Belohnungsprinzip. Verhalten, was eine positive Rückmeldung von der Umwelt brachte wurde ausgebaut (den Spinat essen)- Verhalten, was eine negative Rückmeldung brachte, unterdrückt (Spinat ausspucken).
Was nun so einfach klingt bedeutet eine unglaubliche Anzahl von Mustern, die sich zu jedem Lebenszeitpunkt entwickeln und auf Dauer natürlich auch aus Erfahrung zT neu erschließen.

Das transgenerationale Informationn vorliegen ist sicher nicht abzustreiten genauso wie Kollektivbewusstsein.

Das von Dir angesprochen subjektive Wahrnehmungsvermögen bedeutet einfach, dass JEDER Mensch durch seine Muster (die er siehe-oben erlernt hat) die Welt anschaut.
Und natürlich reden wir hier nicht nur von den Eltern und Familie sondern genauso Umwelt, Freunde, Krankheite etc.

Ich kann mit dem Begriff „Schuld“ nichts anfangen- leider ist der in unserer Gesellschaft wahnsinnig verbreitet und kaum ein Gedanke kann auftauchen ohne das gleich jemand kommt und jemand für schuldig erklären muss :frowning:
lg kitty

Hallo Bapiano,

Was sagen die Psychologen unter euch dazu?

Die haben scheinbar grad` keine Lust :wink:

Und ich glaube einfach nicht, dass alles durch die Erziehung oder das soziale Umfeld verschuldet ist.

Oh du armer Sünder (bist du mit äußeren oder inneren Vorwürfen konfrontiert, oder kannst deine Rechnungen nicht bezahlen? ;))

Nein ernsthaft jetzt:

Mit deinen Genen, quasi als Startkapital, bildet alles, was du erlebst, wiederum eine Art Vorfilter für hinzukommende Neuerfahrungen.

Dabei umreißen die Begriffe Erziehung (im Sinne bewusster Wertevermittlung), und soziales Umfeld nur einen oberflächlichen input.
Über das was deine Persönlichkeit tatsächlich prägt, deinen Verarbeitungsmodus und den output (wie du mit diesen Erfahrungen umgehst), entscheiden eine Unsumme emotionaler Einzelerfahrungen, von denen manche recht wichtig werden können.
All das formt deine subjektive Wahrnehmung.
Das können auch durchaus ganz banal anmutende Einzelerlebnisse oder Eindrücke sein, die dann z. B. spätere Interessen prägen.

Eine vergleichbare Erziehung, oder ein ähnliches soziales Umfeld sagen eher nur untergeordnet etwas darüber aus, wie Menschen mit diesen Eindrücken umgehen, oder wohin der Weg ihrer Persönlichkeitsentwicklung geht.

Mir fällt dazu folgendes Buch ein:

Patrick Estrade, Wir sind, was wir erinnern

Gruß
Heidi

Man muss nicht selber etwas erlebt haben um die Information von Erlebnissen in sich zu tragen.
Transgenerational werden Erlebnisse weiter gegeben und diese Information tragen wir in uns und hat auch eine Wirkung auf uns und unser Denken und Handeln.

lg kitty

Kannst Du das einmal näher beschreiben?
Wie kann alles , was ein Mensch in seinen ersten Lebensabschnitten an Input bekommt (Erziehung un soziales Umfeld) „oberflächlich“ sein? schließlich hat ein Mensch zuerst einmal NUR Erziehung und Umwelt.

lg kitty

Hi,

das ist daann keine Erinnerung, sondern Genetik. Angst vor Spinnen, vor dem Geräusch von Nägeln auf der Tafel, möglicherweise auch das Schließen der Augen, wenn etwas schnell näher kommt, der Greif- und Tauchreflex von Babys…

die Franzi

Bin grad überfragt, ob man es als genetisch bezeichnet, wenn sich die Augen aus Schutz reflektorisch schließen.

Was es durchaus gibt ist, dass die Großeltern-Urgroßeltern den Krieg miterlebt haben und ein heute lebender Mensch sehr konkrete Bilder zu dieser damaligen ZEit in sich hat- oder auch Gefühle. Möglicherweise auch erst einmal unerklärliche Angstgefühle, die sich später genau dem zuordnen lassen (und damit auflösen des Problems).
Sowas ist mal sicher keine Genetik-- außer wir sollten die Begrifflichkeit erst einmal klären :wink:

lg kitty

Hi,

der Lidschlussreflex ist angeboren, in den Genen festgelegt. (= genetisch) Hat sogar jeder, nicht nur manche.

Das mit den Erinnerungen an Dinge, die man nicht erlebt hat, wie von Dir beschrieben, oder das, was man bei Rückführungen unter Hypnose erlebt, sind falsche Erinnerungen und/ oder clevere Suggestionen. Das ist ein extrem interessantes Gebiet. Hoffentlicher wird mir dieser Link verziehen, denn ich bin nicht ausreichend fit auf dem Gebiet, um kohärent darüber zu schreiben.

die Franzi

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Hallo kitty,

Kannst Du das einmal näher beschreiben?

Logisch, naja besser: ich versuch´s mal.

Wie kann alles , was ein Mensch in seinen ersten Lebensabschnitten an Input bekommt (Erziehung und soziales Umfeld) „oberflächlich“ sein? schließlich hat ein Mensch zuerst einmal NUR Erziehung und Umwelt.

Umwelt ja, damit weitest du ja schon den Horizont etwas auf.
Wird aber von Erziehung und sozialem Umfeld gesprochen, dann werden diese Begriffe manchmal - wenn sich jemand nicht so eingehend mit den zwischenmenschlichen Dingen befasst hat - zu plakativ aufgefasst.
Als Erziehungsstil, oder das was die Eltern aus ihrer bewussten Lebenseinstellung den Kindern vermitteln wollen.
Extrem ausgedrückt, sowohl jemand der autoritär erzieht, als auch jemand der laissez-faire erzieht, kann sein Kind unterschwellig seelisch misshandeln.
Unter sozialem Umfeld wird gerne ein gesellschaftlicher, materieller oder beruflicher Status verstanden.
Auch das ist viel zu kurz gedacht.
Deshalb wollte ich diese Begrifflichkeiten gerne aufweichen.

Oder um nochmal beispielhaft bei den Schuldgefühlen zu bleiben: das können Blicke sein, subtile Ablehnung, oder andersherum, wie Branden so gerne aus Kohut zitierte :smile:: „der Glanz im Auge der Mutter“
(wobei den wohl keine Mutter stets haben kann, vielleicht manchmal eher so ein Funkeln… :rage: )
Solche viel wichtigeren Facetten lassen sich schlecht unter dem Begriff Erziehung subsumieren.

In dem Haus meiner Großeltern hing über der Haustür ein präparierter Bussard, der war das absolute Faszinosum meiner Kindheit. Nie hat ihn jemand abgehängt, damit ich ihn anfassen konnte.
Naja, es gibt auch ein Bild von mir als ich in der Grundschule ein Huhn streichle :smirk:
Dinge, die mich noch heute begleiten und an die ich überhaupt nicht mehr gedacht habe.
Viele Kleinigkeiten die emotional bedeutsam waren, sind oft spannender zu entdecken, als wenn alles nur in Muster, Kategorien und Schubladen eingeteilt wird.

Viele Grüße
Heidi

Ja- ein wirklich spannendes Gebiet und ab hier muss dann die genaue Definition von „Erinnerung“ losgehen, denn was wird darunter verstanden?
Was ist denn eine „falsche Erinnerung“?- Ich vermute, Du meinst damit eine Erinnerung, die derjenige aber gar nicht selbst erlebt hat.

Aber wie sehr darf man seinen Erinnerungen überhaupt trauen?
Was ist denn überhaupt „wirklich“?
Wie oft werden alte Erinnerungen total eingefärbt- oder entstehen vermutlich erst- aus alten Erzählungen…„weißt Du noch als du klein warst…?“ und man meint sich zu erinnern…
Mal unabhängig, dass das Gehirn mit uns sowieso viel „Interessantes“ macht- man braucht sich nur einmal mit Zeugenaussagen beschäftigen, bei denen es absolut gegensätzlche Aussagen geben kann, weil die Zeugen halt nur aus ihren Filtern in die Welt schauen.

Ob Erinnerung nur aus uns selbst entsteht - damit meine ich dieses Leben jetzt- oder ob Erinnerung ganz genauso weitreichender geht…ist schon ein Gedanke für sich.
Ob es sich also bei transgenerationalen Erinnerungen um „Erinnerungverfälschung“ handelt ist eine Frage, die man gar nicht mit „ist so“ beantworten kann, sofern man tolerant andere Sichtweisen stehen lassen möchte.

lg kitty

p.s. noch eine Frage :smile:

Wenn wir Erinnerung als das nehmen wollen, was wir tatsächlich selbst erlebt haben- dann müssten auch Rückführungen von der eigenen Geburt und Schwangerschaft ganz klar anerkannt werden (was sie bei denen, die damit arbeiten, auch werden :wink: ).

wenn das nicht gilt, weil man ja „zu jung war“- dann stellt sich die Frage, ab wann es dann Erinnerung geben „darf“? Und wie werden dann die Jahre davor eingeordnet?

Vielleicht ist es leichter, wenn wir von Informationsfeldern sprechen, denn genau das ist Erinnerung.
Wie „realistisch“ Erinnerung ist, braucht man sich nicht zu fragen, denn da jeder seine Welt nur aus seinen Filtern wahr nimmt, gibt es nciht DIE Wirklichkeit- bestenfalls viele Übereinstimmungen. Habe das Beispiel mit Zeugenaussagen ja schon erzählt.

lg kitty

Hi,

was eine falsche Erinnerung ist, hättest Du herausgefunden, wenn du dem Link in meinem früheren Artikel gefolgt wärest.
Der Begriff Erinnerung ist in der Wissenschaft ausreichend genau definiert. Man kann im Kopf nacherleben, was man früher einmal selbst mitgemacht hat - man erinnert sich.
Wenn zwei Personen dem gleichen Ereignis beigewohnt haben und unterschiedliche Geschichten erzählen, hat das mehrere Gründe.
Zum einen kann niemand alles wahrnehmen und all diese informationen speichern, damit wäre das Gehirn überfordert - unser Gehrin steuert unsere Aufmerksamkeit, es lenkt die Wahrnehmung und Speicherung auf Teilbereiche, die für uns auf Grund von Erfahrungen und akuten Bedürfnissen wichtig sind. Daher der sogenannte Cocktailparty-Effekt: Du bist auf einer cocktailparty, um dich herum Dutzende Leute, die sich miteinander unterhalten, ein Summen und Murmeln und Lachen, man versteht kaum sein eigenes Wort. Aber wenn jemand am anderen Ende des Raumes deinen Namen nennt, hörst Du es. Und fällt dir etwas auf? richtig, warum verstehst du den Namen, und den Rest nicht? Du kannst doch nicht wissen, wer wann deinen Namen nennen wird! Das macht Dein Gehirn: es hört über die ohren ehr wohl alles. Aber bei deinem Bewusstsein kommen nur die interessanten Dinge an.
Zum anderen lebt jeder von uns sein eigenes Leben, mit eigenen Erfahrungen. Je länger wir leben, um so individueller wird es. Daher werden wir aktiv und passiv (siehe voriger Absatz) aus einem Ereignis, dem wir gemeinsam beiwohnen, unterschiedliche Details herausfiltern und sie unterschiedlich bewerten.
Was überhaupt wirklich ist, und in wieweit wir die Realität wirklich erfahren können, ist fast schon nicht mehr Psychologie, sondern Philosophie. Wir nehmen unsere Umwelt durch unsere Sinne wahr und bewerten sie aufgrund von unseren Erfahrungen. Aber wir können keinen objektiven Beweis dafür bekommen, dass das Eis, das ich gerade esse und mir so lecker schmeckt, auch wirklich exstiert. Ein Foto, eine Infrarotmessung, Sonar… alles ist indeirekt und muss dann wider durch unsere Wahrnehmung und Interpretation.
(frei nach Eagleman, David, Inkognito: Die geheimen Eigenleben unseres Gehirns, Campus Verlag (Februar 2012), ISBN 978-3-593-38974-5 - gibt auch andere Bücher, aber er hat es recht populärwissenschaftlich beschrieben)

Trotzdem, das bedeutet nicht, das wir jede Erkenntnis anzweifeln sollten, zumindest nicht außerhalb rein wissenschaftlicher Untersuchungen. Wenn du etwas vor dir hast, was aussieht wie ein Apfel und riecht wie ein Apfel, dann beiß rein, wenn Du Appetit hast - es ist ein Apfel. Auch mit ausreichender wissenschaftlicher und philosophischer Genauigkeit.

die Franzi

Ich dachte, dass für Dich „Erinnerungverfälschung“ und „falsche Erinnerungen“ nicht genau dasselbe ist.
Für mich war der Hinweise zum link noch ein Zusatz zu Deinen Worten.

Es gibt schlicht dermaßen viele Wortschöpfungen, dass man sich heutzutage nicht mehr sicher sein kann.

lg kitty

Hi,

Erinnerungsverfälschung und falsche Erinnerung sind auch nciht dasselbe. Und wir bewegen uns im Bereich der Psychologie, Medizin, Pädagogik und Philosophie, und ich verwende die Fachbegriffe, soweit sie mir geläufig sind. Erinnerungsverfälschung, falsche Erinnerung, … sind keine neudmodischen Wortschöpfungen :wink:

die Franzi

Keine Ahnung, was neumodisch ist oder nicht- oder von was für einer Zeit wir reden, wenn wir von „neumodisch“ sprechen- es muss unabhängig davon jedoch auch nicht bedeuten, dass wir alle dasselbe darunter verstehen und eine ganz klare Definition ist auch nicht grundsätzlich gegeben.
Je nach Autor gibts unterschiedliche Erklärungen…
Kurz: es gibt so schnell Missverständnisse, dass alleine dafür man ein Forum füllen könnte :smiley:

lg kitty