„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ bedeutet, dass Sokrates als
der weiseste Mensch des antiken Griechenlands galt zu seiner
Zeit, weil er es WUSSTE, im Gegensatz zu allen anderen, die
nur GLAUBTEN; etwas zu wissen.
Ich habe keine Ahnung, ob er den Ausspruch wirklich getätigt
hat.
Zumindest ist es von seinem Schüler Platon so seit über 2300 Jahren überliefert.
Ich glaube auch erst recht nicht, dass alle anderen glaubten,
sie wüssten, geschweige denn, dass das Sokrates von allen
anderen behauptet hätte. Das würde der Aussage des Satzes
nämlich widersprechen.
Warum sollte es der Aussage widersprechen? Der Satz bestätigt doch genau den Sinn. Ich glaube, dass es um etwas ganz anderes geht. Wenn ich mir die heutige Gegenwartsphilosophie anschaue, sind die meisten Philosophen an der Naturwissenschaft orientiert. Das trifft aber nicht zu für den „größten lebenden Philosophen der Welt“ (der Amerikaner Ken Wilber sagt das über den deutschen Philosophen Jürgen Habermas), der Sokrates als POLITISCHEN Philosophen ansieht, wie es auch Nietzsche tat.
Nietzsche, der „meist zitierte Philosoph der Welt“, nach Johann Prosslinger von der Universität München, war ja kein klassischer Philosoph, sondern Philologe (Philologe = „Freund der Wissenschaften; Sprach- und Literaturwissenschaft“), wofür er schon mit 25 Jahren zum Professor an der Universität Basel ernannt wurde. Nietzsche hat sich sein Leben lang mit der griechischen Philosophie beschäftigt, insbesondere mit Sokrates. Nietzsche schreibt über Sokrates u. a. Folgendes:
„Das schärfste Wort aber für jene neue Hochschätzung des Wissens… sprach SOKRATES, als er sich als den EINZIGEN vorfand, der sich eingestehe, nichts zu wissen (Kursivschrift von Nietzsche); während er… bei den größten Staatsmännern, Rednern, Dichtern und Künstlern… überall (nur) die EINBILDUNG des Wissens antraf.“
Außerdem sah Nietzsche Sokrates als den Vater der abendländischen Wissenschaft, weil Sokrates nicht von der Kulturprägung eines allgemeinen Wissens ausging, sondern es kritisch hinterfragte, mit dem Satz:
„Ich weiß, dass ich nichts weiß.“
Vielleicht sollte man aber differenzieren, zwischen der ursprünglichen NATURPHILOSOPHIE, die in unserer Kultur mit Thales vor 2700 Jahren begann und der POLITISCHEN PHILOSOPHIE, die zuerst von den so genannten „Sophisten“ (Weisheitslehrer) vertreten wurde, deren berühmtester der Philosoph Protagoras war. Und Sokrates war zuerst sowohl Schüler der Naturphilosophie als auch der Sophisten, insbesondere Schüler des Protagoras, von dem er sich aber später abwandte und sein Gegenspieler wurde. Ich will hierzu noch den „Papst des Managements“, den Amerikaner Prof. Peter Drucker, erwähnen mit seinem Werk „Die postkapitalistische Gesellschaft“ (Econ Verlag 1993), der zu Sokrates und Protagoras Folgendes schreibt:
„Sokrates, der weise Sprecher in Platos Dialogen, vertritt die Auffassung, die einzige Funktion des Wissens sei die Selbsterkenntnis, also das intellektuelle, moralische und geistige Wachstum eines Menschen. Sein fähigster Gegenspieler ist der brilliante und gelehrte Protagoras. Er sieht den Zweck des Wissens darin, den Menschen effektiver zu machen, indem er verstehen lernt, was er sagen soll und wie er es sagen soll.“
Prof. Peter Drucker war über 50 Jahre lang der maßgebliche Berater für die größten Weltkonzerne, für politische Parteien und US-Regierungen (vgl. auch Wikipedia).