Glaube und Kirchensteuer

Hallo,

ich finde kein anderes Forum für diese Frage paßend und daher bringe ich hier meine Frage unter:
wie verhält sich aus religiöser Sicht die Tatsache, daß in Deutschland ein gläubiger Mensch aus der Kirche ausgeschlossen wird, wenn er die Kirchensteuer nicht bezahlt? Die gleiche Person würde in anderen Teilen der Welt weiterhin in die Gemeinschaft der Kirche integriert und als Teil der Glaubensgemeinschaft aufgenommen sein. Dieses Verhalten Seitens der Kirche widerspricht m. E. dem Grundgedanken des katholischen Glaubens und gibt es so nur in Deutschland. Das kommt in etwa einem Vereinsverhalten gleich und nicht einer Glaubensgemeinschaft. Wenn Du Mitglied sein willst, mußt Du bezahlen, ansonsten Ausschluß! Danke für die Antwort.

Grüsse fuerte

Hi.

Dann glaube munter weiter mit Ausnahme an die Leistungen.
Ich habe als Atheist lange und überlegt (für Wojtilla) bezahlt.

Gruß

Balázs

Hallo Fuerte,

wie verhält sich aus religiöser Sicht die Tatsache, daß in
Deutschland ein gläubiger Mensch aus der Kirche ausgeschlossen
wird, wenn er die Kirchensteuer nicht bezahlt?

Verständnisfrage: wie kann es in einem Land, in dem auch die Kichensteuer notfalls mit Zwangsmitteln durch die staatliche Finanzverwaltung eingetrieben wird passieren, dass ein „gläubiger Mensch“ keine Kirchensteuer bezahlt? Doch wohl nur, wenn er vor dem Amtsgericht seinen Austritt aus der Kirche erklärt hat.

Nun ist das zunächst einmal streng genommen nicht ein Austritt aus „der Kirche“, sondern aus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft „Bistum / Erzbistum XYZ der katholischen Kirche“. Nach Auffassung der Deutschen Bischofskonferenz (zuletzt am 24.04.2006 durch die „Erklärung zum Austritt aus der katholischen Kirche“ bekräftigt) verstößt der Austretende damit gegen eine kirchenrechtliche Pflicht, die den Angehörigen der Kirche in CIC Can. 209 § 1 auferlegt wird:

„Christifideles obligatione adstringuntur, sua quoque ipsorum agendi ratione, ad communionem semper servandam cum Ecclesia“. (Die Gläubigen sind verpflichtet, auch in ihrem eigenen Verhalten, immer die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren.)

Dieser Pflichtverstoß ist als formaler Akt der Apostasie (Abfall vom Glauben) zu werten und führt somit automatisch (also ohne besonders Verfahren) zur Exkommunikation - also zum Ausschluss aus der Kirche. Hier ist jetzt wirklich die Ecclesia gemeint, also die katholische Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen, nicht eine religiöse Körperschaft des öffentlichen Rechts nach deutschem Staatskirchenrecht. Der aus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft Austretende wird also nicht ausgeschlossen (wie Du schreibst) sondern er schließt sich selbst (durch ‚konkludentes Handeln‘, wie der juristische Fachausdruck lautet) aus. In nahezu allen Fällen dürfte auch genau dies gewollt sein - auch wenn es sicher nur wenigen bewusst ist.

Es ist richtig, dass die Rechtsauffassung Roms zumindest seit dem Pontifikat Benedikts XVI. sich nicht ganz mit der Rechtsauffassung der deutschen Bischofkonferenz deckt - die oben erwähnte Erklärung der Deutschen Bischofkonferenz war eine Reakton auf ein Schreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte’ vom 13.03.2006. Das hat wohl hauptsächlich etwas mit der unterschiedlichen Interessenlage zu tun. Der Vatikan möchte hohe Mitgliederzahlen (wenigstens in der Statistik) - die deutschen Bistümer, denen eh schon genug Gläubige weglaufen, haben keine Lust Menschen mit Geiz-ist-geil-Mentalität den Service von Kindstaufen, kirchlicher Trauung und Beerdigung kostenfrei zu bieten.

Freundliche Grüße,
Ralf

Wie schon erwähnt, versteht man unter „Kirche“ sowohl die Gesamtheit aller, die (im christlichen Sinne) an Gott glauben. Aus der tritt man aus, indem man nicht mehr glaubt (und ein, indem man glaubt).

Daneben gibt es die Institution „Kirche“ - als katholische, evangelische, freikirchliche, orthodoxe… in Form von Bischofskirchen oder freien Gemienden, also die konkreten Gruppen und Kreise vor Ort, in denen sich Menschen treffen, um ihren Glauben gemeinsam zu feiern, um sich gegenseitig zu helfen…

Diese verfaßte Kirche ist es, die wie ein Verein einen Mitgliedsbeitrag erhebt. Zumindest aus Sicht der protestantischen Theologie gibt es aber keinerlei Verpflichtung für einen Christen, Glied einer solchen Kirche zu sein. Vielmehr steht es allen Gläubigen natürlich frei, sich selbst zu organisieren oder ihren Glauben außerhalb der verfaßten Kirchen zu praktizieren. Daß man dann die Dienste dieser Kirchen (z.B. zur Taufe) nicht in Anspruch nimmt, dürfte sich von selbst verstehen, da es zumindest aus protestantischer Sicht kein Problem ist, einen Menschen zu taufen, ohne daß eine Pfarrerin oder ein Pfarrer dabei wären.

Gruß, Martinus

P.S. Daß man der verfaßten Kirche, so man ihr angehört, auch einen finanziellen Obolus zukommen läßt, ist übrigens biblisch begründet: 3. Mose 27,30 - aber obacht: Dort wird der 10. Teil des Einkommens und nicht, wie heute in Deutschland üblich, nur der 9. Teil der Einkommensteuer als Umlage erhoben :wink:. Und es gibt bis heute christliche Gemeinden, in denen diese Zehntabgabe so üblich ist. Davon abgesehen gibt es auch in anderen Ländern außer Deutschland Kirchensteuersystem. Diese Behauptung ist falsch.

…da es zumindest aus
protestantischer Sicht kein Problem ist, einen Menschen zu
taufen, ohne daß eine Pfarrerin oder ein Pfarrer dabei wären.

Na ja, das erscheint mir denn doch etwas fragwürdig.
Wozu gibt es denn in den evangelischen Kirchen die Ordination, die mindestens zweierlei sicherstellen soll: Dass die Sakramente - außer in Notfällen natürlich - von einem damit und dafür Beauftragten verwaltet werden und dass durch diesen Auftrag theologische Anarchie vermieden werden soll.

Gruß - Rolf

Kirchliches Amt (Ev)
Um das Heil nach dem Tod zu erlangen, ist die Kirche aus protestantischer Sicht nicht erforderlich (im Gegensatz zur katholischen Lehre der Kirche als heilsnotwendige Institution). Das macht jeder Mensch direkt mit Gott aus.

Aber natürlich ist es sinnvoll, sich bewußt und mit Bedacht mit der biblischen Botschaft auseinanderzusetzen. Doch dazu braucht es nicht unbedingt die eine oder andere spezielle Kirche, prinzipiell kann das jeder Mensch für sich alleine tun. Ob das in der Praxis dann auch umsetzbar ist, steht auf einem anderen Blatt - und das bringt die Kirche dann eben wieder ins Spiel. Das „geistliche Amt“ ist aber nicht für eine „wirksame“ Taufe oder ein „richtiges“ Abendmahl erforderlich, sondern eben nur der Ordnung halber ratsam. Das man dafür aber Theologie studiert haben müsse, ist damit noch nicht gesagt.

Martinus