Hallo,
folgender Fall:
Für 2017 besteht eine NV-Bescheinigung. Ein bisschen jobben hier und da und für einige Monate eine selbständige Tätigkeit in 2017, die dann wieder aufgegeben wird.
Es wird in 2018 eine Steuererklärung für 2017 abgegeben. Dann fordert das Finanzamt die NV-Bescheinigung rückwirkend für 2017 zurück, da ja eine EKSt Erklärung wegen der Selbständigkeit abgegeben werden musste (Jahreseinkommen unter 6000 EUR).
Weil ja die NV Bescheinigung bestand, gab es keinen Freistellungauftrag bei der Bank. Bedeutet das, dass in diesem Fall rückwirkend die volle Kapitalertragssteuer für 2017 gezahlt werden muss, obwohl ja ohne die NV Bescheinigung ein Freistellungsauftrag gestellt worden wäre?
Mit anderen Worten: Kann man bei der Bank einen Freistellungsauftrag hinterlegen „für den Fall, dass die NV Bescheinigung zurückgefordert wird“?
Nein, halbe Freistellungsaufträge oder Freistellungsaufträge unter Vorbehalt sind in § 48b EStG nicht vorgesehen. Hier hätte mit der ESt-Erklärung eine Günstigerprüfung nach § 32d EStG beantragt werden müssen.
Schöne Grüße
MM
Nein, so geht das nicht.
Sofern Dein Steuerbescheid noch nicht rechtskräftig ist, gibst Du zur bisherigen Erklärung noch die Anlage KAP ab und schreibst in Zeile 4 eine Eins in das Feld. Damit wird eine Günstigerprüfung veranlasst.
Dann füllst Du die Anlage mit Deinen Kapitalerträgen 2017 und den belasteten Steuerabzügen in 2017 aus.
Vielen Dank euch beiden.
Wie wäre das in einem Fall einzustufen, wenn der Steuerbescheid schon rechtskräftig ist? Ich habe gerade gefunden, dass nach § 173 AO „Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel“ es möglich sein sollte, den Bescheid zu ändern, wenn mir etwas ohne grobes Verschulden nicht bekannt war.
Ist das dann eine Definitionsfrage, ob es grobes Verschulden ist, wenn ich nichts davon weiß, dass die NV Bescheinigung nicht mehr gültig ist, sobald ich aufgrund einer vorübergehenden selbständigen Arbeit (mit geringem Verdienst) verpflichtet bin, eine EKSt Erklärung abzugeben? Sprich, muss man sowas wissen, wenn man eine NV Bescheinigung beantragt, weil der Banker einem dazu geraten hat?
Danke!
Servus,
Du zitierst den § 173 AO zu Deinen Gunsten verändert. Es geht um
das Bekanntwerden von Tatsachen oder Beweismitteln.
Unkenntnis der Rechtslage bezieht sich nicht auf Tatsachen oder Beweismittel. Alles weitere, was Du zum Thema „grobes Verschulden“ schreibst, geht also ins Leere.
Dass die NV-Bescheinigung nur gilt, wenn und solange sich keine für die Besteuerung erheblichen Sachverhalte ändern, wurde Dir übrigens mitgeteilt, als die Bescheinigung ausgestellt wurde - es ist nicht so, dass Du das nicht gewusst hast. Da gibt es keine Definitionsfragen und keine Interpretationsspielraum.
Unabhängig davon ergibt sich das schon aus der Sprache: Veranlagung oder Nicht-Veranlagung, beides gleichzeitig geht nicht.
Schöne Grüße
MM
Hallo,
das Problem liegt halt in den „für die Besteuerung erheblichen Sachverhalten“. Denn selbst wenn man sich darum kümmert und nachliest, hier mal ein Beispiel:
https://www.vlh.de/kaufen-investieren/abgeltungssteuer/nichtveranlagungsbescheinigung-was-ist-das.html
findet man in der Regel nur die Information, dass es auf die Höhe des Einkommens ankommt.
Ich finde es vollkommen unlogisch - und diese Information ist eben auch nicht so leicht zu finden, dass eine kleine selbständige Tätigkeit a) egal wie niedrig der Betrag auch ist, sofort die Pflicht einer EKSt-Erklärung auslöst und b) das sofort bedeutet, dass die Bescheinigung dadurch hinfällig wird. OBWOHL man mit dem Einkommen deutlich unter der maßgeblichen Grenze liegt und daher KEINE Steuer zahlen muss.
Also nur weil das Einkommen aus selbständiger statt aus angestellter Tätigkeit kommt, ist die NV Bescheinigung hinfällig UND es findet der volle KAP-Steuerabzug statt, obwohl jeder einen Anspruch auf den Freibetrag hat. Für mich als Laie klingt das alles andere als logisch oder gerecht.
Aber wir brauchen nicht weiter diskutieren - beim nächsten Mal wissen wir es.
Servus,
und für künftige Bearbeitung von Fragen im Steuerrecht gebe ich Dir grade noch mit: Informationen zur Rechtslage sind nicht unter dem Begriff Tatsachen oder Beweismittel subsummiert, und selbst wenn in § 173 AO von Sachverhalten die Rede wäre (dieses Wort kommt im ganzen § 173 AO nicht vor)m bezeichnete dieser Begriff Tatsachen und nicht deren Würdigung oder rechtliche Bedeutung. Deswegen, und nicht aus Krümelpickerei, habe ich Dich schon gestern daran erinnert, dass Du den § 173 AO zu Deinen Gunsten verändert zitiert hast. Das wird ein Richter am FG aber nicht akzeptieren, er liest ihn wörtlich so, wie er in der AO steht.
Im vorliegenden Zusammenhang wäre ein Sachverhalt z.B. „Bank rechnet ohne Einbehalt von KapSt ab“ oder „Es liegen Einkünfte aus Gewerbetrieb vor“. „Dem Steuerpflichtigen ist die Bedeutung einer NV-Bescheinigung nicht bekannt“ ist kein Sachverhalt im Sinn von § 173 AO.
Also fürs nächste Mal: Rechtsquellen immer zuallererst wörtlich verstehen und erst dann interpretieren oder deuten, wenn sie wörtlich nicht zu verstehen sind.
Schöne Grüße
MM