Glyphosat(a)t

Klar, der Schmidt ist sicher ein SPD U-Boot.
Hat der Schulz super eingefädelt.

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Zunächst einmal - mir fehlt die einschlägige Ausbildung, um die vorliegenden Studien und Metastudien zu Glyphosat fachlich gegeneinander abzuwägen. Dessenungeachtet kann ich Studien lesen.

Maßgeblich hinsichtlich der Gentoxizität und Kanzerogenität von Glyphosat sind für mich die Metastudien der WHO respektive FAO/WHO. Konkret zunächst die Metastudie der International Agency for Research on Cancer der WHO vom März 2015, eine Zusammenfassung davon wurde auch in der angesehenen Fachzeitschrift ‚Lancet‘ veröffentlicht. Für eilige Leser zitiere ich die entscheidenden Punkte (Hervorhebungen von mir):

Evaluation
6.1
Cancer in humans
There is limited evidence in humans for the carcinogenicity of glyphosate. A positive association has been observed for non-Hodgkin lymphoma.
6.2
Cancer in experimental animals
There is sufficient evidence in experimental animals for the carcinogenicity of glyphosate.
6.3
Overall evaluation
Glyphosate is probably carcinogenic to humans

Sodann die Metastudie des Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues (JMPR) vom Mai 2016. Anders als die zuerst zitierte Metastudie wertet die zweite fast ausschließlich Studien an Tieren aus und nimmt - anders als die erstgenannte, die Glyphosat grundsätzlich auf Toxizität hin untersucht - eine Risikoabschätzung in Bezug auf Dosierung vor. Auch hier Zitat mit Hervorhebungen:

Overall, there is some evidence of a positive association between glyphosate exposure and risk of NHL [Non-Hodkin Lymphom] from the case–control studies and the overall meta-analysis.
[…]
The Meeting concluded that the long-term dietary exposure to residues of glyphosate from uses that have been considered by JMPR is unlikely to present a public health concern.

Zusammenfassend: Entwarnung bei üblicher Dosierung. Andere Aspekte wie ökologische Auswirkungen (die durchaus ebenfalls relevant sind) mal beiseite gelassen. Ob man sich nun mit einem bloßen „unwahrscheinlich“ (an Stelle eines „ausgeschlossen“) in Anbetracht des hohen Risikos zufrieden gibt, ist eine Angelegenheit persönlicher Entscheidung. Das kennt man ja auch beispielsweise in Bezug auf die „unwahrscheinlichen“ Restrisiken der Kernkraft. Jedenfalls - um über persönliche Entscheidungen hinaus zu allgemein gültigen Regelungen zu kommen, gibt es in der EU ein demokratisches Prozedere. Wichtig dabei ist, dass die Spielregeln eingehalten werden und die Entscheidungsprozesse transparent ablaufen. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer.

Interessant ist hier nun, dass Deutschland in dieser Angelegenheit Berichterstatter für die EU ist. D.h. beteiligt am Gesamtbewertungsbericht, der den Vertretern der EU- Mitgliedstaaten und der Kommission als Entscheidungsgrundlage vorgelegt wurde, waren das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das Umweltbundesamt sowie insbesondere das Bundesinstitut für Risikobewertung. Nur der Vollständigkeit halber und um die Ablehnung der Zulassungsverlängerung durch die Noch-Umweltministerin Hendricks nachvollziehbar zu machen: das Umweltbundesamt kam in seiner Bewertung hinsichtlich Auswirkungen auf Naturhaushalt und Grundwasser zum Ergebnis,

dass der großflächige Einsatz von PSM in der Intensivlandwirtschaft
insbesondere für Feldvogelarten wie Rebhuhn, Goldammer und Feldlerche
eine wesentliche Gefährdungsursache darstellt und für den fortlaufenden
Rückgang der Bestände dieser Arten mitverantwortlich ist. Die intensive
Anwendung insbesondere von breitbandig wirkenden Insektiziden und
Herbiziden tötet als ungewollter Nebeneffekt ihres Einsatzzwecks – dem
Eindämmen spezifischer Schadorganismen – auch Ackerkräuter und Insekten,
die wiederum Feldvögeln vor allem während der Brutzeit als Nahrung
dienen. Diese indirekten Effekte durch (Zer-)Störung der Nahrungsnetze
treten nicht nur bei der Anwendung von Glyphosat, sondern auch bei
anderen Breitbandherbiziden auf. Glyphosat hat aber als das mit Abstand
am meisten eingesetzte Herbizid (ca. 1/3 der in der Landwirtschaft
angewendeten Menge) den größten Anteil an den beschriebenen Effekten.
(https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/pflanzenschutzmittel/glyphosat)

Pikant in diesem Zusammenhang ist nun der Glyphosat-Bewertungsbericht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) - der erwies sich, wie letzten Monat bekannt wurde, in weiten Teilen als verschleiertes Plagiat. Und zwar, um die Sache noch pikanter zu machen, als Plagiat des Zulassungsantrags des Zusammenschlusses der Glyphosat-Hersteller, der ‚Glyphosat Task Force‘. Auftraggeber der Plagiatsstudie war Global 200. Das hat schon mehr als nur ein leichtes Geschmäckle …

Nun zur aktuellen Zustimmung des Ministeriums Schmidt. Fakt ist, dass die große Koalition derzeit noch als geschäftsführende Regierung im Amt ist und die Auffassung des SPD-Koalitionspartners, dass daher auch der Koalitionsvertrag noch Gültigkeit habe, durchaus plausibel ist. Und nach diesem Koalitionsvertrag hätte es in der Glyphosatfrage eine Enthaltung geben müssen. Das ist ein deutliches Signal für die anstehenden Sondierungsgespräche.

Was da abläuft, ist ziemlich offensichtlich ein Störmanöver. Fraglich ist allenfalls, ob das Bundeskanzleramt mit involviert war, oder ob es sich um einen Alleingang des Landwirtschaftsministers handelte. Mit anderen Worten: ob nur die CSU oder auch die CDU die Sondierungsverhandlungen mit der SPD zugunsten von Neuwahlen torpedieren will. Merkel hat jedenfalls schon erklärt, Schmidt habe gegen „Weisung“ gehandelt. Klare Missachtung der Richtlinienkompetenz, wenn dem so gewesen ist. Normalerweise ist bei so etwas ein Rücktritt fällig. Möglicherweise zeichnete sich für Schmidt ja in den letzten Tagen bereits ohnehin ein Karriereende in Berlin ab. Für eine GroKo-Neuauflage ist er jetzt auf jeden Fall aus dem Spiel.

Andererseits hat Schmidts Stimme dafür gesorgt, dass es - anders als noch im Oktober und Anfang November - nun endlich zu einer qualifizierten Mehrheit für eine Zulassungsverlängerung gereicht hat. In der Vorstandsetage von Bayer und bei den Großaktionären von Monsanto werden da die Sektkorken geknallt haben. Ich denke, man sollte auf die berufliche Karriere von Herrn Schmidt zukünftig ein Auge haben. Der Mann hat Potential …

Freundliche Grüße,
Tychiades

Das man gerade dem von den Grünen gegründetem BFR fehlenden Neutralität vorwirft ist schon sehr arm.

Bei der Bewertung des Krebsrisikos von Glyphosat hat das BFR insgesamt 92 Quellen berücksichtigt. Dazu gehörten unter anderem 11 gesetzlich geforderte Originalstudien der Antragsteller, 49 Veröffentlichungen in anerkannten wissenschaftlichen Zeitschriften sowie 15 „Letters to the Editor“, davon 13 von Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie zwei unmittelbar von der Industrie.
Ergebnis: Nichts.

Doch: Die Seralin Studien. :slight_smile:

Das von mir verlinkte (übrigens unentgeltlich erstellte) Sachverständigengutachten Dr. Webers spricht für sich.

Ist nur die Frage, an welcher Sache er sich orientierte. Vielleicht wirtschaftliche Interessen von Bayer oder dem, was Landwirtschaftsfunktionäre als ihr Interesse betrachten?

Aufgrund eigener Sach- und Fachkompetenz entschied der Minister - gelernter Jurist - eher nicht. Seine gesamte bisherige Laufbahn lässt auf beliebige Ferne zu Naturwissenschaften schließen. Soll heißen: Der Mann ist ein Apparatschik ohne Ahnung, wovon überhaupt die Rede ist. So ließ er nach Kritik an seiner Entscheidung verlauten, im Interesse von Ökologie und Artenvielfalt gehandelt zu haben. Er verhält sich wie ein Henker, der Köpfe natürlich nur abschlägt, um Delinquenten zu heilen.

Vermutlich muss man Aktienkurse für die elementare Lebensgrundlage halten, wenn man mit dem bisherigen Herbizideinsatz weitermachen will.

Gruß
Wolfgang

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Hallo,

im Gegensatz zu manchem abgebrochenen Studenten der Sozialphilosohie, gelerntem Fotografen und Einzelhandelskaufmann auf der Regierungsbank, verfügt der Mann als Jurist mutmaßlich über eine mehr als solide Grundausstattung an Intelligenz und Auffassungsgabe und ist es gewöhnt, sich in kurzer Zeit auch in komplexe Sachverhalte einzuarbeiten, so daß er das, was ihm die Fachleute aus EU und Ministerium zur Sache mitgegeben haben, durchaus verstanden und die Für- und Wider-Argumente angemessen abgewogen haben dürfte.

In jedem Bereich des Lebens ist es so, daß Führungskräfte und Manager (und nichts anderes ist ein Minister) auf die Expertise ihrer Mit- und Zuarbeiter vertrauen und selbst nicht zwangsläufig über das Wissen verfügen, um ihre Entscheidungen zu treffen.

Heijo, ich wollte Deinen obigen Beitrag eigentlich nicht kommentieren, aber wenn Du mir die Vorlage an dieser Stelle wieder gibst: es mag sein, daß sich Insekten- und Vögelvorkommen bei Dir so darstellen, wie Du beschreibst. Hier hingegen - und ich rede von einer Gemeinde mit einem Anteil landwirtschaftliche Fläche von etwa 70% an der Gesamtfläche mit entsprechendem Eintrag von Herbiziden - kann ich Deine Beobachtungen in keiner Hinsicht bestätigen. Insekten und Spinnen gibt es hier mehr als reichlich und die an anderer Stelle vom Einsatz von Glyphosat angeblich besonders betroffenen Rebhühner, aber auch Feldhasen, Feldhamster, Haselmäuse & Co. lungern hier alle Naslang auf den Feldern und in den verbliebenen Waldflächen herum.

Auch geht es an der Sache vorbei, das Bienensterben ausgerechnet auf Herbizide zurückzuführen. Tatsächlich hat dieses - je nach Region - unterschiedliche Ursachen und findet vor allem relativ unabhängig von der Intensität der Landwirtschaft statt.

Es ist ja nun nicht so, daß ich den flächendeckenden Einsatz von Herbiziden im allgemeinen oder Glyphosat im speziellen begrüße, aber wenn man dagegen argumentieren will, sollte man schon im eigenen Interesse etwas belastbarere Argumente liefern als eigene Beobachtungen und widerlegbare Behauptungen.

Gruß
C.

Die Organisation heisst Campact.

Und Monsanto, das sind ganz redliche Jungs und Mädels, alles klar. Und Geld haben die auch fast keines, um Studien zu manipulieren.UndMinister abstimmen zu lassen :grin:

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Zu dem Link auf TopAgrar eine ausführliche Gegendarstellung und weiterführende Informationen hinsichtlich der von Monsanto-Anwälten losgetretenen Medienkampagne gegen Prof. Dr. Portier: https://corporateeurope.org/food-and-agriculture/2017/10/setting-record-straight-false-accusations-dr-c-portier-work-glyphosate. Nicht nur wurden die Beraterverträge erst nach der Veröffentlichung der IARC-Studie abgeschlossen (was der Artikel selbst einräumt, obwohl die fette Überschrift etwas anderes suggeriert). Da er zur Zeit der Erstellung der Studie in Teilzeit für eine Umweltschutz-NGO arbeitete, war er entsprechend den Kriterien der IARC wegen eines möglichen Interessenkonflikts nicht Mitglied der die Studie erstellenden Arbeitsgruppe, sondern hatte lediglich den Status „invited specialist“ - was konkret bedeutet, dass er an der Textfassung der Studie nicht mitwirken und auch keine Empfehlungen abgeben durfte. Gefragt war seine Expertise als einer der weltweit führenden Biostatistiker. Ihn als „Veröffentlicher“ der Studie zu bezeichnen, zeugt von Uninformiertheit; die Unterstellung, er habe die Daten „wohl manipuliert“ entbehrt jeglichen Beweises.

Du Meister der Wahrheit. Von wem belegt?

Franz

Abgesehen von dieser äußerst vagen Vermutung, tendiere ich nach wie vor zu Lobbyist +

Reichlich ist ein Argument.
Kennst du irgendwelche Studien und Untersuchungen, die von einer Erhöhung der Artenvielfalt und zunehmender Biodiversität sprechen, was Herr Schmidt als Begründung, ätz, anführt?

???

Franz

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Wieso die Vermutung vage sein sollte, erschließt sich mir nicht und Dein tendieren ist erst recht kein Argument.

Die These war, es man bekäme „im ganzen Jahr weder Stubenfliegen noch Spinnen zu Gesicht“. Das mag bei Wolfgang umme Ecke so sein (warum auch immer), verhält sich hier (=mehr als reichlich intensiv betriebene Landwirtschaft) völlig anders und wie wir alle wissen, ist eine These widerlegt, wenn es nur ein Gegenbeispiel gibt.

Daß Herr Schmidt behauptet hat, die Artenvielfalt nähme bei Verwendung von Herbiziden zu, ist mir nicht bekannt. Außerdem kann davon sowieso nicht die Rede sein, weil ja nun nicht erst seit gestern bekannt ist, daß die Zahl der Arten und Individuen generell und insbesondere bei Insekten über die letzten Jahrzehnten stark rückläufig ist.

Die Ursachenforschung gestaltet sich naturgemäß komplex, so daß sich die so beliebten monokausalen Ansätze ohnehin verbieten. Im Verdacht haben die Forscher aber eben nicht die Herbizide, sondern vielmehr die übermäßige Düngung sowie die Zersiedelung der Landschaft und die damit einhergehende Zerstörung von Lebensräumen.

Mutmaßen über Intelligenz und Auffassungsgabe kann man viel und mE ist ein zweites juristisches Staatsexamen nicht notwendig ein Ausweis dafür. Bekannt ist ja auch die vor allem unter Natur- und Ingenieurwissenschaftlern verbreitete Mutmaßung „Er ist Jurist und auch ansonsten ein Idiot“. Das hat etwas damit zu tun, dass ein Jurist darin geschult ist, es schon aus rein arbeitsökonomischen Gründen nach Möglichkeit zu vermeiden, sich inhaltlich „in komplexe Sachverhalte einzuarbeiten“, sondern sich auf deren juristische Aspekte beschränkt. Das macht sie als politische Entscheidungsträger geeignet. Ansonsten drängt sich der Eindruck auf, dass manche Politiker sich vor allem auf die Expertise von Fachleuten stützen, die ihnen erzählen, was sie hören wollen. Das ist dann wiederum das Geschäftsmodell des Lobbyismus.

Was nun speziell den Herrn Minister Schmidt angeht, so ist insbesondere die von ihm vorgetragene Begründung für seine Zustimmung mehr als dünn. Richtig ist zwar, dass restriktivere Einzelregelungen (sogar ein Verbot) durch einzelne EU-Staaten damit nicht ausgeschlossen sind, richtig ist aber vor allem, dass eben dies innerhalb der EU zu Wettbewerbsnachteilen in eben diesen Ländern führen würde. Aus diesem Grund hat z.B. Fankreich, das bis spätestens 2022 Glyphosat komplett verbieten will, anders als Deutschland gegen die Zulassungsverlängerung gestimmt. Das erscheint zumindest mir deutlich plausibler als Schmidts fadenscheinige Begründung für sein ‚Ja‘. Denn richtig ist vor allem, dass einzelstaatliche Regelungen auch bei einer Kommissionsentscheidung (die Schmidt im Falle einer erneuten Ablehnung durch den Ausschuss prophezeit hatte) möglich gewesen wären und sie nicht erst durch seine Zustimmung ermöglicht werden - da wird der Souverän schlicht und plump belogen.

Ansonsten - gerade weil Herr Schmidt Jurist ist, sollte man annehmen, dass ihm bewusst ist, welche Bindungswirkung die nach Art. 65 GG beschlossene Geschäftsordnung der Bundesregierung für seine Entscheidungen als Bundesminister hat. Gemäß § 15 Abs. 1f war er gar nicht zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung befugt, sondern an eine Beschlussfassung der Bundesregierung - also eine Kabinettsentscheidung - gebunden. Wie die Kanzlerin unmissverständlich erklärt hat, gab es hier eine "Weisungslage, die von der Bundesregierung ausgearbeitet war“, die wiederum auf der Koalitionsvereinbarung basierte und gegen die Schmidt gehandelt hat. Als Jurist muss ihm bewusst gewesen sein, dass er seine Kompetenzen überschritt und als Politiker musste ihm bewusst sein, dass er damit die anstehenden Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD erheblich erschwerte wenn nicht torpedierte. Diese „Schuldzuweisung“ an die SPD:

ist - entschuldige - ausgesprochen albern, mal abgesehen davon, dass sie Schmidt politische Naivität wenn nicht mangelnde Intelligenz unterstellt. Es ist sinnlos (zumindest den Parteimitgliedern und Wählern nicht vermittelbar), mit einer anderen Partei Gespräche über politische Vereinbarungen zu führen, die gleichzeitig die bislang noch bestehenden Vereinbarungen bricht. Das zerstört das Vertrauen in die Verlässlichkeit dieses Gesprächspartners - und offenbar war genau dies beabsichtigt, will man Schmidt nicht unterstellen, ein Schwachkopf zu sein. Zumal zumindest Horst Seehofer laut dpa offensichtlich vorab eingeweiht war.

Um es zu wiederholen bzw. zu verdeutlichen: genau da scheint mir das eigentliche Motiv des Alleingangs von Schmidt (genauer: Verstoß gegen das in Art. 65 GG begündete Kollegialprinzip und die Kabinettsdisziplin) zu liegen. Offen ist lediglich, wie die nachsichtige Reaktion der Kanzlerin zu werten ist - statt eines milden „das darf sich nicht wiederholen“ wäre in so einem Fall eigentlich der Kopf des betreffenden Ministers fällig. Da kann man dann spekulieren, ob Merkel entgegen ihren Beteuerungen nicht doch mit im Boot war oder ob sie nur im Vorfeld der Regierungsbildung das Verhältnis zur CSU nicht belasten will. Dass die CSU angesichts ihrer Stimmenverluste auf eine Neuauflage der GroKo keinen Wert legt, dürfte nicht überraschen - notfalls auf Kosten einer erneuten Kanzlerschaft von Frau Merkel.

Auch, wenn damit klar sein dürfte, dass für mich die eigentliche Bedeutung der Affäre in ihrem parteipolitischen und nicht umweltpolitischen Aspekt liegt, noch ein Hinweis zu Deiner heimatlichen Idylle, zu der ich Dich beglückwünsche. Als jemand, der lange in der Agrarverwaltung tätig war, kenne ich nicht nur die Verhältnisse in meiner Heimatgemeinde ein wenig. Ich habe mich zwangsläufig mit einer Vielzahl landespflegerischer Gutachten beschäftigt und kann Dir versichern, dass Dein subjektiver Eindruck trügerisch ist oder sich doch zumindest nicht verallgemeinern lässt. Falls Du mir nicht glaubst (was Dein gutes Recht ist), dann vielleicht der Bayerischen Staatsregierung:

Die derzeitige Aussterberate liegt um 100 - 1000 mal höher als die unter natürlichen Bedingungen. Der tiefgreifende Landschaftswandel hat den einstigen Reichtum an biologischer Vielfalt drastisch reduziert. Entscheidende Ursachen sind insbesondere

  • Intensive Landnutzung, vorrangig der Landwirtschaft

Selbstverständlich lässt sich Intensivlandwirtschaft nicht alleine auf den Faktor flächendeckenden Einsatzes von Breitbandherbiziden reduzieren, aber er ist zusammen mit großflächigen Monokulturen der entscheidende Faktor dabei.

Freundliche Grüße,
Tychiades

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Na dann…

Korrektur und Quelle des Zitats:
"Er war Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand“
Dr. jur. Ludwig Thoma, häufig zu Unrecht Dr. jur. Kurt Tucholsky zugeschrieben.

Das ist kein Zitat von Thoma, sondern steht am Anfang einer seiner Kurzgeschichten, die vor über 100 Jahren im Simplicissimus veröffentlicht wurde. Dies nur, um diesem Zweig wenigstens ansatzweise etwas Niveau zu verpassen.

Ja, und der darauf folgende Satz lautet:

Er kümmerte sich nicht um das Wesen der Dinge, sondern ausschließlich darum, unter welchen rechtlichen Begriff dieselben zu subsummieren waren.

Passt scho …

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Hallo Christian!

Zunächst Lesestoff zum Thema: http://schattenblick.net/infopool/natur/chemie/ncna0002.html
Bitte nicht von der Überschrift und der stellenweise nicht ganz leichten Kost irritieren lassen. Den Artikel verlinkte ich, weil auf den raffinierten Wirkmechanismus von Glyphosat eingegangen wird, aber auch auf den Sachverhalt, dass darüber hinaus gehende Untersuchungen bisher in unzureichender Tiefe stattfanden. Bedenkliche Ergebnisse von Versuchen mit Zellkulturen wurden als nicht auf den Menschen übertragbar vom Tisch gewischt. Langzeitwirkungen auf Organismen und auf das Ökosystem wurden nicht untersucht. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Unbedenklichkeit von Glyphosat für Mensch und Tier keineswegs bewiesen ist, vielmehr gibt es mindestens Indizien, die das Gegenteil nahe legen. Es gibt bisher auch keine belastbaren Beweise für die Schädlichkeit. Grundsätzliche Überlegungen (weiter unten mehr dazu) führen aber zum Ergebnis, dass es Wirkungen auf das gesamte Ökosystem geben muss. So lange das Wissen über Wirkungen auf Organismen und Ökosystem aus vielen weißen Flecken besteht, sind seriöse Risikoabwägungen nicht möglich. Damit fehlt die Grundlage für eine vertretbare Genehmigung des Einsatzes von Glyphosat.

Zum Bienensterben, allgemein Rückgang der Insektenpopulation: Kümmernde oder eingehende Bienenvölker kamen schon immer gelegentlich vor. Schwächung durch Witterungseinflüsse und/oder Krankheitsbefall können natürlichen Ursprungs sein. Auffällige Häufungen solcher Ereignisse gab es schon vor Mitte der 70er, also vor Einführung von Glyphosat. Alle möglichen Spritzmittel, etliche längst verboten, wurden schon zu Vorkriegszeiten in der Landwirtschaft eingesetzt, oft genug ohne Beachtung sinnvoller Konzentrationen nach der Viel-hilft-viel-Methode und ohne Rücksicht auf Zeitpunkt der Blüte und Insekten. Ortsansässige betroffene Imker (familiär bedingt war ich lange Jahre nah an der Szene) kannten die Landwirte in ihrer Umgebung samt ihrer Gepflogenheiten. Gingen binnen kurzer Zeit die Völker eines Imkers zugrunde, wurde er mit der Möglichkeit natürlicher Ursachen abgespeist, obwohl der Imker mit eigenen Augen gesehen hatte, dass zur Unzeit Gift gesprüht wurde und obwohl er über den Täter wusste, dass dieser außerstande war, das Sprühmittel in bestimmter Konzentration anzusetzen und auszubringen. Inzwischen ist das technische Equipment zum Ausbringen des Sprühzeugs nicht mehr so primitiv wie zu früherer Zeit und viele Landwirte sind qualifizierte Menschen, manche sogar mit geschärften Sinnen für die Problematik. Dafür sind aber die Monokulturen größer und der Herbizideinsatz mit Glyphosat als Spitzenreiter verbreiteter als je zuvor. Gab es lange Zeit nur vereinzelte Beobachtungen des Rückgangs der Insektenpopulation, die sich durch Abwiegeln erledigen ließen, existieren dazu inzwischen systematische Untersuchungen (Massemessungen mit Netzen) über Jahre. Mit regionalen Unterschieden ist der Rückgang gravierend (innerhalb des Messzeitraums stellenweise um 70%). Davon betroffen sind auch alle Arten, die von Insekten leben. Meine Beobachtungen beruhen also nicht auf Sinnestäuschungen oder mangelhafter Erinnerung an frühere Zustände. Der hier zu beobachtende Extremzustand – keine Fliege, keine Mücke, keine Wespen, ganz selten Sperlinge, keine Schwalben (noch vor gut 10 Jahren gab es in allen Fensternischen Schwalbennester) – sind höchstwahrscheinlich Folge der industrialisierten Landwirtschaft mit riesigen Raps- und Mais-Monokulturen und regelmäßigem Herbizideinsatz.

Der Rückgang von Insektenpopulationen und vielen Vogelarten ist also durch jahrelange Messungen/Zählungen belegt. Die Ursachen liegen zwar auf der Hand, was aber als Beweis nicht taugt.
Die langfristigen Folgen riesiger Monokulturen auf die Natur und damit letztlich auf Menschen sind ebenso unbekannt wie die Folgen des dauerhaften Einsatzes von Breitbandherbiziden.

Sowohl der menschliche Organismus als auch die Natur insgesamt sind kybernetische Systeme, allerdings komplexer Art mit vielen weitgehend unbekannten Zusammenhängen. Beaufschlagt man ein (beliebiges) kybernetische System mit einer Störgröße, reagiert es in einer ihm eigenen Art. Im Unterschied zu technischen Systemen, deren Antwort auf Störgrößen sich aufgrund der Kenntnis aller Funktionsblöcke, ihrer Charakteristika und Verknüpfungen vorhersagen/berechnen lässt, haben wir es hier mit einem in vielen Details unbekannten System zu tun, zudem sehr viel komplexer als alle von Menschen hergestellten Systeme. Wir kennen weder alle Funktionsstufen, geschweige denn ihre kennzeichnenden Parameter (z. B. Zeitkonstanten) und Verknüpfungen. Sicher ist nur, dass es eine Antwort des Ökosystems gibt/geben muss. Wir haben aber nicht die geringste Ahnung über die Art der Antwort des kybernetischen Systems.auf die Störgröße „großflächiger Gifteintrag in Boden und Wasser“. Von daher können wir nur zuwarten, ob sich als Reaktion auf die fortdauernde Störgrößenaufschaltung nach einer unbekannten Zeit ein irgend verträglicher stationärer Zustand einstellt oder ob sich das Ökosystem in einer für uns unverträglichen Weise, womöglich kontinuierlich unverträglicher darstellt.

Mit Gewissheit lässt sich feststellen, dass Aussagen von Unbedenklichkeit des fortdauernden Gifteintrags in Boden und Wasser Zeugnisse von Unkenntnis elementarer Zusammenhänge sind. Nicht einmal Risikoeinschätzungen sind möglich.
In der letzten Hart-aber-fair-Sendung sprach einer der Gäste im Zusammenhang mit der Glyphosat-Entscheidung von Pillepalle. Offenbar leben viele Zeitgenossen, Politiker inbegriffen, in ähnlich dümmlich-glücklicher Ahnungslosigkeit.

Gruß
Wolfgang

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Hallo,

zum Thema Insektensterben gab es über fast 30 Jahre hinweg Zählungen an 63 Orten im Bundesgebiet, die sich ausschließlich in Naturschutzgebieten befinden. Interessanterweise machen die Forscher eben nicht die Herbizide verantwortlich, sondern haben - wie ich erwähnte - vor allem Dünger (und andere Stickstoffquellen) im Verdacht. Ein Artikel der Tagespresse stellt das eigentlich recht verständlich dar:

Natürlich ist es bequemer, ein ohnehin vielkritisiertes chemisches Produkt für das Problem verantwortlich zu machen, als ausgerechnet Nutztierscheiße (zumal der theoretische Regelkreis beim Glyphosat sich auch viel leichter erschließt). Nur ist das aller Wahrscheinlichkeit eben - wie so oft - zu kurz gedacht. Wäre Glyphosat (oder die Summe aller Herbizide) die Ursache des Problems, wären nicht alle Insekten betroffen, sondern bestimmten (ob nun viele oder wenige sei dahingestellt) Arten nicht. Außerdem wären nicht auch (oder insbesondere) die Naturschutzgebiete betroffen, sondern vor allem die in Monokulturlandschaften.

Zum Thema Bienensterben (ein völlig anderer Sachverhalt als das oben erwähnte Insektensterben - sowohl systematisch als auch von den Ausmaßen her): hier helfen Anekdoten nicht weiter. Primäre Ursache in unseren Landen dafür ist einerseits der Nachwuchsmangel bei den Imkern sowie andererseits die berühmte Varroamilbe und andere Krankheiten. Da ich auf einen befreundeten Imker schlecht verlinken kann, hier eine andere Quelle:

Ergänzend möchte ich hinzufügen, daß das Bienensterben auch in Innenstädten stattfindet, wo es keine glyphosatgetränkten Felder gibt (der Flugradius einer Honigbiene bewegt sich im Bereich von 1-3 Kilometer). Nota bene: heute geht man mit Pflanzenschutzmitteln anders um als noch vor 50 oder 60 Jahren. Das Zeug wird zumindest bei uns mit langarmigen Sprühvorrichtungen aus etwa einem Meter Höhe direkt auf dem Feld verteilt und nicht mutwillig in der Landschaft verteilt. Bei starkem Wind wird von einer Ausbringung Abstand genommen - zumindest sprechen dafür die Aussagen der örtlichen Landwirte einerseits und der Unkrautbewuchs am Feldesrand andererseits.

Das in aller Kürze. Seit hier mit markigen Sprüchen aus satirischen Artikeln von vor 115 Jahren die Kompetenz und geistige Kapazität ganzer Berufsgruppen im allgemeinen und einzelner Personen im speziellen in Frage gestellt wird, schmerzt mein Kopf etwas.

Gruß
C.

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Ach naja… Benjamin Franklin war auch ein super Typ. Das macht Trump aber nicht besser :wink:
Geht mit politischen Parteien auch. Um z.B. bei den Grünen zu bleiben: Als Joschka Fischer mit Turnschuhen im Bundestag auftrat, dachte man auch, „jetzt wird alles anders“ - Pustekuchen!

Gruß,

Kannitverstan

Erinnerst Du Dich noch daran?

Anscheinend nicht …