Gnädige Muttergottes?

Hallo!

das Geschlecht eines Wortes bestimmt der zweite Teil der Komposition und nicht der erste Teil. Ich weiß, dass „Maria“ eine Frau war. Dann warum sagt man „gnädige Muttergottes“?
Maria war die Mutter von Gott und sie ist die gnädige Frau, die den Gott geboren hat. Diese Kombination ist ein bisschen verdächtig und setzt in diesem Fall die Gesetzmäßigkeit der Geschlechterbestimmung aus. Warum? Kennt ihr andere Beispiele in diese Richtung?

Danke

Danke

So ist es. Bei Komposita. Daher ist „Gottesmutter“ eine korrekte Komposition. Aber „Muttergottes“ ist kein Kompositum! Es ist vilmehr eine aus „Mutter Gottes“ gebildete sog. Zusammenrückung. ← dort auch andere Beispiele und Unterscheidungen zu anderen Wortbildungen. Ein anderes Beispiel aus dem umgangssprachlichen religiösen Kontext ist der „Gottseibeiuns“ (= der Teufel)

Gruß

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verdächtig? Finde ich überhaupt nicht. Es gibt kaum einen ehrlicheren und gradlinigeren Ausdruck katholischer Frömmigkeit wie die (bezeichnenderweise biblisch oder theologisch nicht sehr gut begründbare) Verehrung der Muttergottes.

Schon seit ein paar Jahrzehnten nicht mehr Mitglied einer im Inland bestehenden Kirche, besuche ich immer noch, wenn es sich gibt und ich in der Nähe bin, die Schutzmantelmadonna von Sattenbeuren - schau, wie einträchtig quer durch alle Stände alle unter den Mantel der Himmelskönigin kriechen:

thema_200

und als ich im gestandenen Alter von 55 Lenzen der Pietà im Kreuzgang von Belém gegenüberstand, hab ich coram publico Rotz und Wasser geheult - ecce mater, schau Dir diese Bäurin an, der sie die Leiche ihres Buben hingeworfen haben, nachdem sie ihn zu Tode gefoltert hatten:

In diesem Sinne

MM

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Lieber lieber @Aprilfisch,

es ging wirklich um das Genus des Wortes „Muttergottes“. Ich wollte die Gefühle von niemandem verletzen.

Ich meinte verdächtig, weil das „e“ eine Bezeichnung vom Femininum ist, aber Gott ist Maskulinum. Es ging mir nur um die Adjetivdeklination des Wortes. Und @Metapher hat meine Frage richtig verstanden und beantwortet. Es ist eine Zusammenrückung.

Alles ist gut und viele Grüße :pray:

ganz ehrlich? ich hab das noch nie (offiziell) zusammengeschrieben gesehen.
Ich kenn nur „gnädige Mutter Gottes“ oder „gnädige Gottesmutter“.

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Ich bin mir nicht sicher. Aber die Szene spielt am Ende des 19. Jahrhunderts in Danzig. Vielleicht haben Leute früher so gesagt „gnädige Muttergottes“. Vielleicht ist das eine alte Form. Das katholische Polen war damals in Danzig sehr präsent. Vielleicht hat es mit dem polnischen Sprachgebrauch oder eine Übersetzung zu tun.

Grüße

NEEE - auch heute sagt man „Mutter Gottes“ - aber je nachdem, wie schnell man spricht, kommt das vielleicht wie ein Wort vor - geschrieben sind es immer noch zwei.
Was man wie vor 200 Jahren geschrieben hat? kA - Sprache - und auch damit die Grammatik - verändert sich.
Da können manche Sprecher*innen von erzählen :wink:

Die Zusammenschreibung „Muttergottes“ ist im katholischen deutschen Sprachraum seit dem 19, Jhdt. in Gebetsbüchern belegt. Infolge der verstärkten Marienverehrung durch die Heiligsprechung 1831 des kath. Chef-Mariologen Alfonso de Liguori (1696-1787).

Gruß
Metapher

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In der Tat - wenn man mit dem Appetit eines Neunzehnjährigen nach 1 1/2 Stunden Stallarbeit vor dem Frühstückstisch steht, der Magen in den Knien hängt und das Brot duftet und die heiße Milch dampft, und bevor sich die Runde setzt erst noch ein Ave Maria absolvieren muss, rückt man zur Beschleunigung des Vorgangs schon mal die Hälfte des Ave Maria zu einem einzigen Wortklumpen zusammen, das klingt dann ungefähr so:

Heilemariamuttergottesbittfürnssünderjetztunerstundesrestodes

Im Stillen hatte ich ja gehofft, es gäbe in der Zwischenprüfung Punkte für Schnellbeten, aber dort ging es dann doch um so prosaische Dinge wie Erkennen von losen Nieten an einem Messerbalken…

Schöne Grüße

MM

An der Stelle wäre es sprachwissenschaftlich interessant, zu schauen wo du herkommst, wo du wohnst und welcher Kirche du angehörst.

Gruß,
Max

Verletzt fühlte sich auch weder meine Seele noch ich selber, das passt schon.

War bloß ein Hinweis mit großem Umweg darauf, dass das Wort „verdächtig“ an dieser Stelle seltsam wirkt.

Zur weiteren Illustration noch eine Episode, die zeigt, dass die verschiedenen Namen, die dieser Gäa-Göttin zugewiesen werden, mehr sind als ihr jeweiliger konkreter Inhalt und damit „Muttergottes“ eine Art Titel oder Beiname wird:

Vor vielen Jahren war ich zu Besuch bei meinem Bruder, der damals in einem Dorf in der Sierra de la Contraviesa lebte. Als einer der vielen Pacos des Ortes, der gerne zum Schwätzen am Abend vorbeischaute, fragte, was wir denn an diesem Tag unternommen hätten, erzählte mein Bruder, wir hätten die romanische Kapelle der Santa Maria de NN besucht. Paco verstand eine ganze Weile nicht, wo und was das denn sein sollte, bis er drauf kam, dass damit die Virgen de NN gemeint war: Die Virgenes (= Jungfrauen) sind in der Vorstellung eines andalusischen Bauern völlig andere göttliche Wesen als die Heilige Maria, von der der Hochwürden immer erzählt…

Auch hier geistert Einiges im Schoß der Catholica herum, das nur ziemlich oberflächlich getauft ist…

Schöne Grüße

MM

Hallo MM.

danke für das Foto der Pietà aus Belém. Ist das im Hieronymus-Kloster? Hab es nie gesehen und es ist erstaunlicherwiese auch nirgendwo im Netz zu finden. Hast diu es selbst gemacht?

Etwas offtopic:
Nicht nur „nicht sehr gut“, sondern garnicht. Im 2. und 3. Jhdt stand die Maria aus Magdala eher im Fokus der Verehrung und die weiblichen Martyrer. Die Pietà kam erst in der Hochscholastik 10./11. Jhdt in die Marien-Ikonographie. Und die Maria mit dem Kind (auf Arm oder Schoß) erst, nachdem auf dem Konzil in Ephesus 431 endlich die Bezeichnung θεοτοκος (theotokos = Gottesgebärerin) dogmatisch „genehmigt“ wurde. Und zwar auf Druck des längst verbreiteten Volksglaubens. Aber ausdrücklich versuchten die Bischöfe damals noch die Gleichsetzung mit dem Ausdruck „Mutter Gottes“ zu verhindern.

Das älteste Dokument für den Vokativ „theotoke“ findet sich derweil auf einem Papyrus aus dem → 3. Jhdt

(in der 4. Zeile)
mit dem ältesten Mariengebet („Unter deinen Schutz fliehen wir, Gottesgebärerin …“). Das ist lange bevor auf dem Konzil Nikaia 325 auf Befehl des Kaisers Konstantin die Bestimmung „Jesus = Sohn Gottes“ dogmatisch festgelegt wurde (was ja zu dieser Zeit - und noch im ganzen 4. Jhdt - weitgehend noch strittig war, insbesondere im Arianismus).

Ebenfalls aus dem Volksglauben (und ebensfalls ohne Bezug zur biblischen Überlieferung) kam im 4. Jhdt. aus dem Vorderen Orient in mehreren Versionen die „Assumpta“-Legende von der leiblichen Aufnahme des Leichnams der Maria in den „Himmel“ auf und verbreitete sich schnell auch in die westliche „lateinische“ Kirche. Daraus dann viel später (Bernhard v. Clairvaux, Hildegard v. Bingen …) die Erhöhung Marias zur Himmelkönigin, als Vierte, fast gleichrangig, neben der Trinität.

Eine lange, erst allmähliche Entwicklung in der Christentumsgeschichte - und jedenfalls, wie du sagst, ein genuiner Bestandteil (römisch-)katholischer Frömmigkeit. Anstöße immer aus dem Volksglauben und erst nachträglich, natürlich verstärkend, die Dogmatik.

Gruß
Metapher

Gruß
Metapher

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Jössasmarandjosef! :slight_smile:

Hallo M.,

ja - an ziemlich unscheinbarer Stelle, man sieht es hier im dritten Bild, am Eckpfeiler auf der nach Süden (im Bild = links) gerichteten Seite.

Ja, das Bildchen hab ich von einer Portugalreise 2016 mitgebracht, zusammen mit einigen anderen, die in Portugal einen viel feineren Geist als in der stolz plusternden Schwester Spanien verorten lassen, etwa auch den Benediktiner-Hippie mit dem Blümchen an der Tonsur, der uns in Coimbra begegnet ist:

und die wunderschöne Grablege von Joao mit Philippa von Lancaster in Batalha, die zwar ein politisch eher trauriges Thema thematisiert, das jahrhundertelang doch recht einseitige Bündnis mit England, aber das doch mit einer wunderschönen Poesie tut - solche Königsgräber, auf denen die Herrschaften als Menschen dargestellt sind, händchenhaltend noch im Grab, gibt es nicht oft:

Schöne Grüße

MM

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Westfalen - römisch katholisch

Jessesmariaundjosef

Ach ja: da wir hier im Brett für Dt.Sprache sind, dürfte es uninteressant sein, ob es in anderen Sprachen zusammen- auseinander- oder sonstwie geschrieben wird.
Auch sind hier mE religiöse Fragen (Übersetzungsfehler bzw. ungenaue Übersetzungen; wertende Übersetzungen…) nicht Thema

Servus,

für das hier aufgeworfene Thema sind fremde Sprachen schon relevant - man bedenke, dass es das Wort Meerstern im Deutschen ohne den Marientitel stella maris gar nicht gäbe: Es wird in keinem anderen Zusammenhang benutzt.

Schöne Grüße

MM

Es war nirgends von „anderen Sprachen“ die Rede.

Obwohl es interessant wäre, warum es dieses religionssprachliche morphologische Unikum in anderen indogermanischen Sprachen nicht gibt. Oder warum im Deutschen das grammatisch analoge „Sohn Gottes“ nie zusammengeschrieben wurde und „Herz Jesu“ bestenfalls mit Bindestrich.

Wo ist in diesem Thread von „Übersetzungsfehlern bzw. usw.“ die Rede!?

Und wenn ein grammatisches/morphologisches Phänomen nicht etymologisch, sondern religionshistorisch zu erklären ist, dann gehört das sehr wohl genuin in diees Brett. Und explizit als „offtopic“ vermerkte Ergänzungen, die den einen oder anderen Leser kontextuell interessieren könnten, sind seit eh und je im w-w-w üblich!

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@Metapher
In dem Sinne … war Mozart dann nicht der Gottlieb?
Ama-deus ~ Lieb-Gott? :thinking:

ist eine verbreitete Erklärung, die aber nicht sagt, warum ein Imperativ in einem Namen stehen sollte, und auch nicht, wie Amadeum zu Amadeus geworden sein sollte. Die Bedeutung „von Gott Geliebter“ (parallel zu Gottlieb, Gotthelf) passt von der Form her noch weniger, und auch die dem Lateinischen nahen Legionärsdialekte Spanisch und Italienisch helfen nicht recht weiter.

Schöne Grüße

MM

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