Liebe Freunde, nachdem Greenpeace im letzten August die Probebohrungen in Grönland gestoppt hatte, starten die Tiefseebohrungen in der ökologisch sensiblen Arktis aufs Neue. Sie bergen ein hohes Risiko, da durch treibende Eisberge und widrige Witterungsverhältnisse die Unfallgefahr steigt. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko scheint keinen Lerneffekt bei der Ölindustrie gehabt zu haben. Die gefährdete Lebensgrundlage der Inuit und der empfindliche Lebensraum zahlreicher Tierarten scheint die Entscheidungen nicht maßgeblich beeinflussen zu können. Soll weiterhin in Gefahrenzonen nach Öl gebohrt werden?
Liebe Galileo Redaktion,
Als erstes muss man damit aufhøren, „die Inuit“ als passiven part oder Museumsrelikt zu behandeln. Wie der Vorsitzende der Grönländischen Regierung (Naalakkersuisut), Kuupik Kleist,
sagte: „Die Arktis ist nicht nur Eis und Eisbären“ (http://sermitsiaq.ag/node/100965).
Grönlands Befölkerung lebt in einer offenen Demokratie mit einem ähnlichen Bildungsstand und Gesundheitssystem wie z.B. viele europäische Länder auch. Man will nicht auf Almosen angewiesen sein und gleichzeitig den Bürgern ein vernünftiges Sozialsystem und Bildung in eigener Sprache ermöglichen.
Dabei muss man dann auch die industriellen Chancen und Wachstumsmöglichkeiten nutzen die sich bieten. Das viele industrielle und postindustrielle Länder inzwischen eine verschobene kulturromantische Vorstellung davon haben wo ihr eigener Wohlstand herkommt (und warum z.B. Brathünchen, Schweinefleisch und Benzin so billig sind wie sie nun einmal sind)ändert nichts an der Tatsache, dass diese Länder selber ihre Chancen zu nutzen verstanden - dabei aber auch massgeblich an den heutigen Umweltproblemen beteiling waren und immer noch sind.
Wenn man Umweltpolitisch z.B. gegen die Ölförderung ist, dann muss man etwas gegen den Absatz unternehmen und den Verbrauch zurückfahren. Mit der einen Hand mit dem Finger auf Produzenten zu zeigen, die damit nur die gleichen Chancen nutzen wie alle anderen Länder auch, dann aber mit der anderen Hand mit Geldscheinen und Profit zu locken ist nur unmoralisch.
Liebe Grüsse
Ole
Nein, soll natürlich nicht! Man stelle sich ein Oil-Spill vot, wie im Golf von Mexiko - nur vor der Küste Grönlands. Da ist nichts mit Reinigen und Abschöpfen. Weite Gebiete der Küsten (vor allem der Ostküste) sind einfach nicht zugänglich.
Doch für die Menschen in Grönland ist es ein ewiges Abwägen und eine Gratwanderung. Natürlich haben sie Angst um ihre Natur, ihre Robben, Wale, Eisbären und den Fischbestand. Andererseits wollen sie endlich, endlich eigene Einnahmequellen erschließen um nicht mehr am Tropf Dänemarks hängen zu müssen.
Bei Dreharbeiten an der Ostküste haben Inuit mir gesagt, dass sie eigentlich die Erwärmung des Klimas gar nicht sooo schlecht finden. Zwar würden die Bären und die Robben mit dem Eis nach Norden ziehen doch wäre das Land ja jetzt für Schiffe viel besser zu erreichen. Beispiel: der größte Hafen an der Ostküste (Tasiilaq) war bis vor ein paar Jahren nur zwei Monate im Jahr eisfrei. In dieser Zeit mussten Waren für das ganze Jahr angelandet werden. Wenn der jetzt vier oder fünf Monate pro Jahr von Schiffen erreichbar wäre - viele Einheimische würden vor Glück in die Hände klatschen und zur Jagd lieber etwas weiter nach Norden fahren.
Was die Abhängigkeit von Dänemark angeht, ist das Schwert ebenso zweischneidig. Die meisten der 58.000 Grönländer würden lieber heute als morgen in einem völlig unabhängigen Staat leben. Doch noch ist das weitgehend ausgeschlossen. Die Worte des ehemaligen Landrates von Ostgrönland, einem Inuit: „Wenn die Dänen sich von heute auf morgen völlig aus Grönland zurückziehen würden, dann wäre hier drei Tage lang Party und Jubel. - Und den nächsten Winter würde nicht ein einziger von uns überleben.“
Dieter
Ich bin für diese Fragestellung kein Spezialist. Meine laienhafte Meinung ist, dass in Gefahrenzonen nicht nach Öl gebohrt werden soll. Wir müssen uns umstellen auf andere Energieträger, je früher desto besser.
Nein
Der Begriff „Goldgräberstimmung“ wird uns von aussen zugeordnet und spiegelt nicht die Stimmung in der grönländischen Bevölkerung wider. Greenpeace hat die Probebohrungen im letzten Jahr nicht gestoppt, sondern nur etwas verzögert. Die grönländische Regierung sowie die Bevölkerung sich sich über die Risiken und Gefahren einer Ölkatastrophe in der Arktis wohl im klaren. Aber hier geht es nicht nur um das grosse Geld, es geht um die Unabhängigkeit und Selbständigkeit Grönlands. Dies bedeutet weitaus mehr als die süsse Aussicht auf Ölmilliarden in ferner Zukunft. Der Blockzuschuss von Dänemark wird seit der Einführung von „Grønlands Selvstyre“ im Jahre 2009 nicht mehr den Preis-und Lohnsteigerungen angeglichen, sondern ist auf dem Niveau von 2009 eingefroren. Das bedeutet, dass Grönland bald andere Einnahmequellen finden muss, um den jetzigen Lebensstandard halten zu können und eine Weiterentwicklung im Lande zu ermöglichen. Da das Land ausser Fisch keine nennenswerten Resourcen hat, bleibt uns also keine andere Alternative, als die Suche nach Rohstoffen zu intensivieren. Dabei stellt die Regierung an die beteiligten Unternehmen, besonders in der Ölindustrie, die weltweit höchsten Ansprüche, was die Sicherheit anbelangt. Die Bohrungen einzustellen, wäre gleichbedeutend mit der Aufgabe des Wunsches der Grönländer von Selbständigkeit und Fortschritt im Lande. Deshalb wird dies nicht geschehen. Es geht einzig und alleine darum, alles zu tun, um einer möglichen Katastrophe bestmöglich vorzubeugen. Es ist hier ähnlich wie mit der Abholzung des Regenwaldes am Amazonas. Die Menschen tun dies, um ihre eigene Lebensgrundlage zu sichern, aber die grossen Profitte werden von den multinationalen Konzernen eingesteckt.
Wilhelm Gemander