Hallo Alex,
ich bitte Dich doch nicht alles in einen Topf werfen.
Zum Einen gibt es normale Firmen in denen numal das AGG gilt. Dass da sich manche drüber hinwegsetzen kann wohl kaum als Argument dienen, dass es allen erlaubt sein sollte.
Zweitens gibt es Tendenzbetriebe, mit dem der Unternehmer nicht unbedingt Geld verdienen will, sondern mit dem er ausschließlich bzw. zusätzlich andere Ziele verfolgt, nämlich die im Gesetz erwähnten politischen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Ziele.
Hier hat der Gesetzgeber bestimmte Privilegien zugelassen, die aber ganz genauen Grenzen unterliegen und im BetrVG geregelt sind.
Drittens gibt es die Religionsgemeinschaften, denen innerhalb des Tendenzschutzes nochmals Sonderrechte eingeräumt werden(resultierend aus § 118 BetrVG), die noch weit über den Tendenzschutz hinausgehen, was dann mit der Religionsfreiheit begründet wurde.
Nochmals:
Ich kann verstehen, wenn ein Küster einer katholischen Kirche katholischen Werten folgen muss. Ich kann auch verstehen, wenn in einer Moschee kein jüdischer Hausmeister arbeiten soll. (Obwohl beide Beispiele bei normalen Arbeitgebern wahrscheinlich schon gegen das AGG verstoßen würden).
Genauso kann ich verstehen, wenn eine Gewerkschaft einen Mitarbeiter entlässt, der in seiner Freizeit gegen Gewerkschaften demonstriert.
Beim Richter, der nicht gerade offen ein Nazi-Emblem trägt, wird es hingegen schon schwieriger, denn auch bei Beamten darf nicht nach deren politischer Gesinnung gefragt werden, obwohl es sich hier ebenfalls noch um ein arbeitsrechtliches Sonderverhältnis handelt.
Probleme habe ich jedoch damit, wenn es sich um kirchliche Betriebe finanziert aus kirchlichen Mitteln handelt, sondern um solche die zu 100% oder zumindest zum überwiegenden Teil von öffentlichen Geldern finanziert werden.
Immerhin handelt es sich bei den Kirchen um den zweitgrößten Arbeitgeber in Deutschland, also nicht um ein „paar exotische Stellen“ bei denen sich ja die Bewerber auch was anderes suchen können.
Für mich ist jedenfalls die Grenze erreicht, wenn z.B. eine Krankenschwester verheiratet sein muss bevor sie Schwanger werden darf ohne ihren Arbeitsplatz zu gefährden.
Meines erachtens wird dadurch weder die Religionsfreiheit, noch das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen geschützt. Insbesondere, wenn zur Finanzierung des Krankenhauses auch evangelische, muslimische und jüdische Steuergelder geflossen sind.
Man muss es sich mal auf der Zunge zergehen lassen:
Der gleiche Staat, der in öffentlichen Schulen das Tragen von Kopftüchern oder die Befestigung von Kruzifixen an der Wand verbietet, lässt nicht nur zu, sondern finanziert sogar den Umstand, dass Kirchen in „ihren“ Schulen z.B. alleinerziehende, unverheiratete Putzfrauen nicht einstellen oder geschiedene Hausmeister feuern dürfen.
Oder nehmen wir aus aktuellem Anlass das Streikrecht bei bei kirchlichen Einrichtungen.
Was gab es im Vorfeld für reichliche Aussagen, dass die kirchlichen Arbeitgeber so etwas nicht bräuchten, da man ja die Arbeitnehmer immer mit christlichen Werten und diesen „auf Augenhöhe“ begegnen würde.
Viele Arbeitnehmer in diesen Betrieben sahen das freilich anders, wurden doch in vielen Betrieben nicht einmal die Mindeststandards eingehalten.
Glücklicherweise wurde das strikte Streikverbot nun vom Bundesarbeitsgericht zumindest gelockert, wenngleich die sonstigen Privilegien unangetastet bleiben.
Gruß,
Sax