Hi zusammen.
Grau … ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum.
Trifft dieser mephistophelische Spruch aus dem „Faust“ zu, mal abgesehen davon, dass goldene Bäume in der Regel golden sind und nicht grün?
Ist ein menschliches Dasein ohne Theorie überhaupt möglich? Ich meine nicht nur den Fall, dass man bewusst eine Theorie auf das Beobachtbare anwendet, sondern auch und vor allem den Fall, dass man unbewusst eine Theorie auf die Sinnesdaten projiziert, also gar nicht weiß, dass man im Zuge der Wirklichkeitswahrnehmung „theoretisiert“. Ist dieser letztere Fall nicht die Regel?
Dieser Fall betrifft das sogenannte „theoretische Hintergrundwissen“, das den Menschen unbewusst ist und ihnen quasi hinter ihrem Rücken ihr Weltbild diktiert. Dieses Hintergrundwissen ist Teil der kulturellen Lebenswelt und dem Subjekt normalerweise so unbewusst wie dem Fisch das Wasser, in dem er schwimmt.
Ist diese Situation aber nicht problematisch? Natürlich muss in einer Gesellschaft ein gewisser Mindestkonsens über das dem allgemeinen Handeln zugrundeliegende Weltbild bestehen, da sonst Kommunikation und Gemeinschaft nicht möglich wären.
Wo die Gefahr dabei liegt, ist unschwer zu erkennen. In früheren Zeiten galt es als ausgemacht, dass Götter bzw. ein Gott das Weltgeschehen dominieren. Erst mit dem Beginn der Neuzeit haben sich, so Habermas, Wissenschaft, Kunst und Religion in getrennte Bereiche aufgespalten mit je eigenen Wertstandards. Vorher wurde diese Bereiche totalitär unter die Theologie subsumiert. Das „theoretische Hintergrundwissen“ jener Zeit war dementsprechend theologisch geprägt.
Wie ist es heute? Welches „theoretische Hintergrundwissen“ dominiert heute das Bewusstsein der (meisten) Menschen?
Der Einfachheit halber zitiere ich aus Wiki eine Theorie-Definition, die als Basis für weitere Überlegungen dienen könnte:
Eine Theorie ist ein vereinfachtes Bild eines Ausschnitts der Realität, der mit diesem Bild beschrieben und erklärt werden soll, um auf dieser Grundlage möglicherweise Prognosen zu machen und Handlungsempfehlungen zu geben. Jeder Theorie liegen mehr oder weniger deutlich ausformulierte Annahmen zugrunde. Es lassen sich Alltagstheorien und wissenschaftliche Theorien unterscheiden. Letztere unterscheiden sich von ersteren durch höheren Grad an Bewusstheit, ausdrückliche Formulierung, größeren Umfang und meist durch die Einbeziehung von systematischer Beobachtung, die der Prüfung der Theorien dient (empirische Prüfung). Im folgenden geht es primär um wissenschaftliche Theorien.
Chan