Gravitation dunkler Materie anders?

Hallo,

ich versuche seit einigen Jahren aufs Neue zu verstehen, wie und warum Spiralarme in Galaxien stabil sind. Kürzlich habe ich nun in einem Buch (Das Schicksal des Universums) wieder gelesen, dass die Umlaufzeit von Sternen in Galaxien nach außen hin nicht so abnimmt wie z.B. bei unseren Planeten im Sonnensystem. Abgesehen von Zentrum der Galaxie soll sich wohl alles in etwa gleichmäßig drehen wie ein fester Körper.

Nun wurde in dem oben genannten Buch auch wieder die dunkle Materie ins Spiel gebracht, die dieses Phänomen erklären soll. Ich finde aber keine Erklärung dazu, was an dieser Materie physikalisch anders sein soll, außer dass sie nicht zu sehen ist.

Wenn die dunkle Materie aber auch nur gewöhnliche Gravitationskräfte erzeugt, wird ein Galaxienarm dadurch doch nicht starr, oder?

Oder hat die dunkle Materie noch andere, Kraft ausübende Eigenschaften, so dass sie wie Klebstoff wirkt?

Über erhellende Informationen zur dunklen Materie freut sich

Anja

Ich finde aber keine Erklärung dazu, was an dieser Materie
physikalisch anders sein soll, außer dass sie nicht zu sehen
ist.

Das ist nicht überraschend. Dunkle Materie ist dadurch charakterisiert, dass wir sie nicht sehen können. Es kann noch andere Unterschiede geben, aber das muss nicht sein. In ihrer Gravitationswirkung unterschiedet sie sich jedenfalls nicht von gewöhnlicher Materie. Wenn das so wäre, hätte die Astrophysik ein echtes Problem.

Wenn die dunkle Materie aber auch nur gewöhnliche
Gravitationskräfte erzeugt, wird ein Galaxienarm dadurch doch
nicht starr, oder?

Galaxiearme sind ja auch nicht starr. Sie sind nicht einmal materielle Objekte, sondern ähneln eher Schallwellen. Sie rotieren auch nicht mit der gleichen Geschwindigkeit, wie die Sterne, aus denen die Galaxie besteht. Mit der dunklen Materie hat das also bestanfalls am Rande zu tun.

Wenn die dunkle Materie aber auch nur gewöhnliche
Gravitationskräfte erzeugt, wird ein Galaxienarm dadurch doch
nicht starr, oder?

Galaxiearme sind ja auch nicht starr. Sie sind nicht einmal
materielle Objekte, sondern ähneln eher Schallwellen. Sie
rotieren auch nicht mit der gleichen Geschwindigkeit, wie die
Sterne, aus denen die Galaxie besteht. Mit der dunklen Materie
hat das also bestanfalls am Rande zu tun.

Okay, starr ist nicht das richtige Wort. Aber die Spiralarme sind zumindest stabil, und das meinte ich mit dem Wort „starr“. Sie lösen sich ja offensichtlich nicht wieder auf und reißen auseinander, wie ich es nach den Keplerschen Gesetzen erwarten würde.

Laut dem angegebenen Buch (und anderer Quellen) nimmt die gemessene Rotationskurve einer Galaxie zum Rand ja nicht ab. Sterne am Rand der Galaxie bräuchten demnach für einen Umlauf genauso lange wie solche, die näher zu ihrem galaktischen Zentrum stehen. Deshalb bleibt die Spiralstruktur erhalten.

Warum aber ist das so? Wie können die Keplerschen Gesetze dies durch das simple(?) Vorhandensein von zusätzlicher Materie erklären, die sich doch offenbar genauso verhalten müsste wie die sichtbare - also zum Rand hin langsamer rotieren sollte?

Gruß
A

Aber die Spiralarme
sind zumindest stabil, und das meinte ich mit dem Wort
„starr“.

Nein, sie sind auch nicht stabil, sondern sie können entstehen, sich verändern und wieder verschwinden. Spiralgalaxien können sich dabei in Balkengalaxien umwandeln und umgekehrt.

Sie lösen sich ja offensichtlich nicht wieder auf und
reißen auseinander, wie ich es nach den Keplerschen Gesetzen
erwarten würde.

Wie ich bereits schrieb, bewegen sich die Spiralarme nicht mit der Geschwindigkeit der Sterne, die sich in ihnen befinden - genausowenig wie sich schallwellen mit der Geschwindigkeit der Moleküle bewegen, die sich gerade an gleicher Stelle befinden. Deshalb ist auch gar nicht zu erwarten, dass ihre Bewegung den Keplerschen Gesetzen gehorcht.

Laut dem angegebenen Buch (und anderer Quellen) nimmt die
gemessene Rotationskurve einer Galaxie zum Rand ja nicht ab.

Diese Rotationskurven beschreiben die radiale Geschwindigkeitsverteilung der Sterne und nicht die der Galaxiearme.

Sterne am Rand der Galaxie bräuchten demnach für einen Umlauf
genauso lange wie solche, die näher zu ihrem galaktischen
Zentrum stehen. Deshalb bleibt die Spiralstruktur erhalten.

Warum aber ist das so? Wie können die Keplerschen Gesetze dies
durch das simple(?) Vorhandensein von zusätzlicher Materie
erklären, die sich doch offenbar genauso verhalten müsste wie
die sichtbare - also zum Rand hin langsamer rotieren sollte?

Die Keplerschen gesetze können das gar nicht erklären, weil sie für Galaxien nicht gelten. Die Keplerschen Gesetze beschreiben die Bewegung von Planeten um eine Sonne bzw. von Monden um einen Planeten, aber nicht die Bewegung von Sternen um ein Galaxiezentrum. Als Ursache dafür nimmt man die dunkle Materie an, die ganz im Gegensatz zu einem zu einem Zentralgestirn nicht als Punktmasse betrachtet werden kann (was eine notwendige Voraussetzung für die Gültigkeit der Keplerschen Gesetze wäre), sondern großräumig und weitgehend homogen über die gesamte Galaxie verteilt ist.

Aber die Spiralarme sind zumindest stabil

Nein, sie sind auch nicht stabil, sondern sie können
entstehen, sich verändern und wieder verschwinden.
Spiralgalaxien können sich dabei in Balkengalaxien umwandeln
und umgekehrt.

Wie wäre es mit: stabil im Sinne davon, das ihre Struktur in einer bestimmten Weise geordnet bleibt und nicht auseinanderreißt?

Laut dem angegebenen Buch (und anderer Quellen) nimmt die
gemessene Rotationskurve einer Galaxie zum Rand ja nicht ab.

Diese Rotationskurven beschreiben die radiale
Geschwindigkeitsverteilung der Sterne und nicht die der
Galaxiearme.

Das verstehe ich nicht ganz, ist aber hier vielleicht auch ein zweites Problem, das ich bisher nicht gesehen habe. Konzentrieren wir uns evtl. erst mal auf dieses Rotationsding, das mich stört:

Sterne am Rand der Galaxie bräuchten demnach für einen Umlauf
genauso lange wie solche, die näher zu ihrem galaktischen
Zentrum stehen. Deshalb bleibt die Spiralstruktur erhalten.
Wie können die Keplerschen Gesetze dies (…) erklären

Die Keplerschen gesetze können das gar nicht erklären, weil
sie für Galaxien nicht gelten.

Wenn ich mich jetzt mal nicht auf Kepler berufe, sondern ausschließlich auf die Gravitationskraft, so erklärt sie mir nicht, warum die Rotationsgeschwindigkeit überall gleich ist. Daran ändert für mich auch nicht, dass es zusätzliche, nicht sichtbare Materie gibt.

Ich habe mal Simulationen gesehen, in denen große Mengen an Massepunkten, die sich in gleicher Richtung um einen gemeinsamen Schwerpunkt bewegen, niemals eine stabile Rotation ausbildeten. Die äußeren „Sonnen“ bewegen sich entweder langsamer um das Zentrum, oder sie fliegen aus dem System heraus.

Zusätzliche (dunkle) Materie, die gravitativ ganz genauso wirkt/reagiert, sollte sich demnach genauso verhalten und nicht wie ein Klebstoff arbeiten. Wenn die Galaxie nicht auseinander fliegen soll, würde ich erwarten, dass sich Materie (und zwar egal, ob sichtbar oder dunkel) am Rande langsamer bewegt als Nahe am Zentrum.

Wenn du mir DAS nachvollziehbar erklären kannst, wäre ich glücklich. :smile:

Gruß
Anja

Wenn ich mich jetzt mal nicht auf Kepler berufe, sondern
ausschließlich auf die Gravitationskraft, so erklärt sie mir
nicht, warum die Rotationsgeschwindigkeit überall gleich ist.
Daran ändert für mich auch nicht, dass es zusätzliche, nicht
sichtbare Materie gibt.

Doch, wenn diese Materie eben nicht punktförmig auf das Zentrum verteilt ist, sondern einigermaßen gleichmäßig über die gesamte Galaxie. Dann können sich die äußeren Sterne auch mit einer höheren Geschwindigkeit bewegen, als dies der Fall wäre, wenn man von einer punktförmigen Masse im Zentrum der Galaxie ausgeht.

Zusätzliche (dunkle) Materie, die gravitativ ganz genauso
wirkt/reagiert, sollte sich demnach genauso verhalten und
nicht wie ein Klebstoff arbeiten.

Aber nur, wenn sie auch genauso verteilt ist, wie die sichtbare Materie. Das ist sie aber nicht. Zwar verhält sie sich gravitativ genauso wie die sichtbare Materie, aber die Dunkle Materie „klumpt“ offenbar nicht in einem kleinen Bereich (wie das bei normaler Materie z.B. in Sternen der Fall ist) zusammen, sondern verteilt sich großflächig. Deshalb ist ihre Wirkung auch eine andere, als die von normaler sichtbarer Materie. Warum Dunkle Materie sich großflächig verteilt, kann man nicht sagen. Das kann z.B. an einer speziellen Wechselwirkung zwischen der Dunklen Materie liegen, die sich gegen die Gravitation stemmt. Von dieser Wechselwirkung ist normale Materie aber dann nicht betroffen, so dass eben nur die Gravitation der Dunklen Materie auf sie wirkt. Dunkle Materie könnte z.B. gerade um dich herum überall sein. Direkt neben dir.

Wenn ich mich jetzt mal nicht auf Kepler berufe, sondern

ausschließlich auf die Gravitationskraft, so erklärt sie mir
nicht, warum die Rotationsgeschwindigkeit überall gleich ist.
Daran ändert für mich auch nicht, dass es zusätzliche, nicht
sichtbare Materie gibt.

erklären kannst, wäre ich

glücklich. :smile:

Gruß
Anja

Hallo Anja, Deconstruct sagt das Wichtigste, Scheibe und Bulge einer Galaxie sind in einen weit über den sichtbaren Bereich derselben hinausreichenden Halo Dunkler Materie eingebettet. Die Situation gleicht der von Planeten, die innerhalb ihres Rote-Riesen-Sterns kreisen. Nur reicht die Dunkle Materie sehr viel weiter über die Sternbahnen hinaus und scheint auch nicht so abzunehmen, wie die Dichteverteilung normaler Materie, sodaß auch die außenliegende Masse eine Rolle für die Sterngeschwindigkeiten spielt. Die Kepplerschen Gesetze gelten ja nur außerhalb der Masseverteilung und behandeln diese wie eine Punktmasse.

Wenn der Halo bis in den Bereich der Nachbargalaxie reicht und vielleicht auch noch rotiert, könnten Verhältnisse herrschen wie in Gaswolken oder innerhalb von Sternen. Vielleicht spielt auch so etwas wie der Machsche Trägheitskompass mit hinein. Du bist jedenfalls nicht allein mit Deinen Fragen. Gruß, eck.

Zusätzliche (dunkle) Materie, die gravitativ ganz genauso
wirkt/reagiert, sollte sich demnach genauso verhalten und
nicht wie ein Klebstoff arbeiten.

Aber nur, wenn sie auch genauso verteilt ist, wie die
sichtbare Materie. Das ist sie aber nicht. Zwar verhält sie
sich gravitativ genauso wie die sichtbare Materie, aber die
Dunkle Materie „klumpt“ offenbar nicht in einem kleinen
Bereich (wie das bei normaler Materie z.B. in Sternen der Fall
ist) zusammen, sondern verteilt sich großflächig. Deshalb ist
ihre Wirkung auch eine andere, als die von normaler sichtbarer
Materie. Warum Dunkle Materie sich großflächig verteilt, kann
man nicht sagen.

Aha - ich beginne(!) zu verstehen. :smile:
Danke!

Jetzt würde ich mir vorstellen, dass diese großflächige Verteilung der dunklen Materie relativ gleichmäßig ist, und wenn sie tatsächlich eine halbwegs homogene Verteilung hat, bedeutet das für die Gravitationskräfte auf die sichtbaren Sterne, dass diese zum Rand der Galaxie nicht quadratisch abnimmt (wie bei Planetensystemen), sondern linear zunimmt. (Ich hab aus früheren Zeiten die Gravitationskräfteberechnung innerhalb einer/s Kugel/Planeten in Erinnerung.)

Ist das so zu verstehen? (Oder so ähnlich?)

Kleinere Nebenfrage:
Wenn die dunkle Materie auf sichtbare wirkt, sie selbst aber nicht so angezogen wird (zusammenklumpt), verträgt sich das noch mit Actio=Reactio?

A.

Jetzt würde ich mir vorstellen, dass diese großflächige
Verteilung der dunklen Materie relativ gleichmäßig ist, und
wenn sie tatsächlich eine halbwegs homogene Verteilung hat,
bedeutet das für die Gravitationskräfte auf die sichtbaren
Sterne, dass diese zum Rand der Galaxie nicht quadratisch
abnimmt (wie bei Planetensystemen), sondern linear zunimmt.
(Ich hab aus früheren Zeiten die Gravitationskräfteberechnung
innerhalb einer/s Kugel/Planeten in Erinnerung.)

Ist das so zu verstehen? (Oder so ähnlich?)

Ja, so ungefähr ist das.

Kleinere Nebenfrage:
Wenn die dunkle Materie auf sichtbare wirkt, sie selbst aber
nicht so angezogen wird (zusammenklumpt), verträgt sich das
noch mit Actio=Reactio?

Sie wird selbst natürlich genauso angezogen wie alles andere auch. Aber wenn es Kräfte innerhalb der Dunklen Materie gibt, die der Gravitation entgegenwirken, dann würde sie nicht zusammenklumpen.

Im Prinzip ist das bei unserer Materie ja auch so: Die Atome deines Körpers ziehen sich ja auch gegenseitig via Gravitation an. Dass du daher nicht einfach aufgrund deiner eigenen Gravitation sofort zum Schwarzen Loch kollabierst, hängt unter anderem nur daran, dass sich die elektromagnetische Kraft deiner Atome der Gravitation entgegenstellt. Die Atomhüllen stoßen sich aufgrund der negativen Elektronen ja gegenseitig ab, während sich die Atome selbst aufgrund der Gravitation anziehen würden. Und genauso wie sich dein Körper (oder auch die ganze Erde) gegen die Gravitation stemmt, könnte sich die Dunkle Materie ebenfalls mit einer uns noch unbekannten Kraft gegen die Gravitation stemmen.