Grenzen der Meinungsfreiheit

Hmm, das ist ein interessantes Argument, weil ich finde, dass man gerade darum das Augenmerk eher auf den Sprechakt legen sollte, statt auf den Inhalt, denn auf dieser Ebene ist das doch völlig unerheblich, ob sich die Braunen mit Heil Hitler und ausgestreckten Arm oder mit 88 und abgewinkeltem Arm begrüßen.

Oder auch diese Verschiebungs-Ketten (Neger->Schwarzer->Farbiger), mit denen der Kritik entgangen wird, aber der Rassismus nicht zwingend geringer wird damit.

Oder auch das so extrem verdinglichte Getue, auch noch den letzten Negerkönig aus einem Kinderbuch zu streichen, so dass gar nicht mehr klar ist, ob es noch um politische Korrektheit oder um deren parodierende Dekonstruktion geht.

Komplexes Thema, wär jetzt eine Sonderdiskussion wert :wink:

Gruß
F.

Nein, aber es ist etwas anderes, ob du einem Interview danach gefragt wird, ob du den Tod Lübckes bedauerst, oder ob auf die Sprecherbühne gehst und mit Megaphon die Menge aufpeitscht durch die Worte „Ich bedaure den Tod Lübckes nicht“.

Inhaltlich das gleich, vom Sprechakt her, was völlig anderes.

Gruß
F.

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Ja, aber so wie ich es verstanden habe, könnte es für dich einen Unterschied machen, ob er ‚Heil Hitler‘ ( klar, extremes Beispiel) als Antwort auf eine Frage sagt. Ich finde halt, wenn man in einem Interview einfach nach seiner Meinung zu einem Thema befragt wird (wie im vorliegenden Beispiel), hat das keinen Einfluss auf die Bewertung der Botschaft hat.

Die Ausrede ‚das hat er nicht so gemeint‘ (oder halt ‚das war Ironie‘ ;)) sind doch nichts weiter als der Versucht, das Gesagte (oder die Handlung) in einen möglichst unverfänglichen Kontext zu stellen. Gleichzeitig empört man sich natürlich, dass man Opfer so gemeiner Unterstellungen (siehe Ralph Müller) wird.

Versteh mich nicht falsch, Kontext ist für mich wie gesagt sehr wichtig und nicht jeder, der Eiernockerl mit grünem Salat mag, ist ein Nazi. Wenn aber ein Höcke von einem ‚Denkmal der Schande‘ spricht, sollte jeder, der nicht ganz dolle an einen Zufall glauben möchte, wissen, was hier gespielt wird.

Auf jeden Fall, zumal milieuspezifische Codes schon mal grundlegend auf die Interpretationsfähigkeit ausgelegt sind.

Ich finde schon, dass es ein juristisches Problem ist - eben inwieweit Äußerungen gegen geltendes Recht verstoßen.

Für mich gehören da auch Inhalt und Form irgendwie zusammen.

Für mich ist das Ganze tatsächlich eine Erosion der sozialen Kontrolle.
Sicherlich hat jeder schon mal irgendwann irgendwie gedacht „oh Mann, den könnte ich umbringen“ oder „so ein A…loch“. Aber man sagt(e) es nicht laut - rechtlich könnte eine Morddrohung oder eine Beleidigung draus werden.

Aber die Zeiten ändern sich und man traut sich nunmehr, Beleidigungen und mehr in die Öffentlichkeit zu tragen…

Beatrix

Nö, so war es von mir nicht gemeint :wink:

Zum einen gings mir nicht partout um Frage-Antwort, sondern eigentlich um „Agitation ja oder nein?“.

Zum zweiten ist „Heil Hitler“ mehr oder immer eine Art Agitation, während die Proposition „Ich bedaure den Tod Lübckes nicht“ als Antwort auf die entsprechende Frage halt zunächst einfach nur der Ausdruck des eigenen Gefühlsstands ist.

Dass das dann in Wiederholungsschleife der halben Republik geliefert wird, macht es natürlich zu weit mehr als einem Gefühlsausdruck, aber da sollten sich primär die Journalisten an die Nase fassen, die seit Jahre unter dem Vorwand „Aufklärung über die AfD“ das Propagandageschäft der AfD betreiben.

Abschließend nochmal meine Grundposition: Man sollte die „Meinungsfreiheit“ aus meiner Sicht konsequenter von der „Meinungsäußerungsfreiheit“ abgrenzen.
Jeder Mensch sollte in einem liberalen Staat grundsätzlich seine Meinung frei sagen können, aber eben nicht auf jede Weise. Diese Formen der Äußerung sind es, die reglementiert werden müssen, nicht die Inhalte.

Das steht ja völlig außer Frage.
Ist übrigens ein gutes Beispiel für meine Position des „Sprechakts“, denn es ist ein Riesenunterschied, ob Susi Sorglos unter Freunden davon spricht oder der Flügelführer und Geschichtslehrer Höcke in einer öffentlichen Rede zum Zwecke der Erregung seiner Zuhörerschaft.

Sprechakttheoretisch formuliert: die Lokution ist dieselbe, aber aber die illokutive Kraft dahinter und der perlokutive Effekt sind völlig anders.
Und das ist übrigens auch ziemlich frei von Interpretation und „das habe ich nicht so gemeint“-Ausflüchten.

Gruß
F.

Naja, im Grunde müssten wir ja tatsächlich von einer „Meinungsäußerungsfreiheit“ sprechen, da es de facto genau darum geht. Was in den Köpfen der Menschen los ist, kannst du ja so oder so nicht sehen bzw. kontrollieren.

Puh, das stelle ich mir unglaublich schwierig vor, zumal sich die Gesellschaft oft deutlich schneller ändert, als die Legislative da mithalten kann. Wenn man sieht, wie überfodert man heute schon mit dem Internet und seinen Begleiterscheinungen ist…

Naja, es mag jeder wissen was gespielt wird, aber du wirst genug Leute finden, die einem Höcke trotzdem blitzschnell zur Seite springen und ihn verteidigen. Und dabei ist diesen Leuten dann tatsächlich egal, wo, wie oder vor wem er das gesagt hat.

Nur kurz noch, weil wir schon in den Untiefen des Threads gelandet sind:

Diese Trivialität habe ich aber nicht gemeint, sondern dass es vorrangig um die Art der Äußerung gehen muss, und nicht um den Gehalt der Meinung.
In liberalen Staaten sollten aus meiner weltanschaulichen Grundhaltung heraus immer bestimmte Äußerungsformen für jede Meinung zugelassen werden.
Was für ein Klima sich ergibt, wenn ein Staat Meinungen bis in private Kreise hinein kontrolliert, weil es ihm um den Inhalt statt um die Äußerungsform geht, haben wir in Deutschland zweimal erlebt. Das sollte eigentlich für alle Zeiten reichen :wink:

Gruß
F.

Ok, da werden wir beide nicht mehr auf einen grünen Zweig kommen :smile:

Aber ist nicht gerade Deutschlands besondere Geschichte mit ein Grund, weswegen es diese Einschränkungen (und in weiterer Folge Artikel 18) gibt? So etwas wie das Verbotsgesetzt gibt es ja nicht in allen Ländern und dass die persönlichen Freiheiten des einen dort Enden, wo sie die persönlichen Freiheiten des anderen einschränken, ist ja auch ein gängiger Grundsatz.

Ja, diese Erfahrung ist ein Grund, keine naive Meinungsfreiheit zu postulieren, sondern diese Freiheit quasi zu „gödeln“ wie in §18 GG anschaulich umgesetzt: man kann nicht unter dem Schutz der Inanspruchnahmen dieser Freiheiten gegen diese Freiheiten kämpfen.

Sehr wohl ist es mir hier an dieser Stelle aber zu schreiben erlaubt: „Deutschland sollte die Presse- und Versammlungsfreiheit abschaffen, weil ich das gut fände“.
Das darf ich auch zu meinem Nachbarn sagen, im Schachklub oder einem Journalisten ins Mikrofon diktieren, ohne deshalb Angst haben zu müssen, ein Grundrechte zu verwirken, da diese meine Äußerungsformen nicht als Angriff auf die zu schützende FDGO zu verstehen sind.
Auch hier ist der springende Punkt die Äußerungsform und nicht der Inhalt der Äußerung.

Nochwas: die BRD/Österreich hat expressis verbis den Schutz solcher Instanzen vorgesehen, in denen wirklich alles gesagt werden darf (nicht einmal durch die ‚Freiheit des Anderen‘ oder den Angriff auf welche politische Ordnung auch immer begrenzt): zum Priester, zum Psychotherapeuten, in abgestufter Form auch zu Angehörigen bestimmter anderer Berufe.
Anders als im Dritten Reich oder in der DDR, die keinerlei Schutzbereiche für die „inhaltlich falsche Meinung“ garantiert haben.

(Ich will hier gar nicht auf meiner Haltung beharren, fands aber interessant, das schreibend im Dialog zu durchdenken).

Gruß
F.

Hallo,

ich hatte Dich so verstanden, dass Du die Einschränkung im Absatz 2 ablehnen würdest. Und in dem Fall hätte ich eine andere Meinung gehabt.

Grüße
Pierre

Achso, nein, ich finde die Einschränkungen gut. Es ging mir nur darum, dass gerne so getan wird, als würde die Meinungsfreiheit schon dann eingeschränkt, wenn es jemand wagt, die eigene Meinung zu kritisieren.

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