Hallo Ramona,
nach dem Lesen Deines Postings beschleicht mich die Ahnung, daß Du möglicherweise noch einmal über Dein Geschäftskonzept nachdenken solltest. Der Handel mit Klamotten ist keine besonders originelle Idee, weil Du Dich in Konkurrenz zu tausend Billiganbietern und Versandhändlern begibst, die zu lausigen Preisen verkaufen und deren Einkaufspreise Du nicht bekommst.
Über den Preis zu verkaufen, taugt nichts. Du brauchst eine spezielle Zielgruppe, die nicht jeder Hans und Franz bedient. Die Zielgruppe, das können besonders dünne oder dicke, kleine oder groß gewachsene Leute sein. Es können aber auch Leute mit besonderen Vorlieben oder Allergien oder was weiß ich sein. Mit Kleidergröße 40 wird die kauflustige Frau überall totgeschmissen und deshalb hat der Otto-Versand diese Größe im Sortiment. Bei Größen ab 68 aufwärts bist Du den Otto-Versand als Wettbewerber schon mal los. Das soll nur ein Beispiel für eine Zielgruppe sein.
Ein paar Überlegungen zum Vertriebsweg können auch nicht schaden. Eine Handtasche von Gucci, Modell „Überkandidelt“, mag für den Kenner ein Begriff sein. Da gibts ein festes Preisgefüge und das könntest Du unterbieten - falls Du überhaupt beliefert wirst. Aber damit bist Du wieder auf der elenden Preisschiene, weil Du irrigerweise glaubst, mit weniger Verdienst als die Wettbewerber auskommen zu können. Wenn Du aber unbekannte Handtaschen verkaufen willst, egal wie toll die Dinger aussehen, kannst Du die Sachen über Ebay nur verschleudern. Dem Kunden fehlt ein wesentlicher Teil des Kauferlebnisses, nämlich das Befühlen und Befummeln der Sachen. Die Käuferin will sich mit der Handtasche im Spiegel sehen, bevor sie ihr Bestes herausrückt - ihr Geld. Ich finde, es würde viel mehr Spaß machen, eine Handtasche für 500 € zu verkaufen, als 10 Handtaschen zu je 50 €. Deshalb würde ich nicht über den Preis und nicht über Ebay verkaufen.
Mich fragt ja keiner. Aber falls mich jemand fragt, würde ich die Dealerei mit Handtaschen so aufziehen: Zunächst würde ich Ideen skizzieren, eine Materialauswahl treffen und sodann Muster fertigen. Wer das nicht will/kann, sucht sich jemanden dafür, z. B. an einer FH für Gestaltung o. ä… Danach würde ich mich auf die Socken machen und geeignete Vertriebspartner suchen. Nein, keine einschlägigen Geschäfte, sondern Stellen, wo sich sich die zahlungskräftige und modebewußte Frau von Welt aufzuhalten pflegt. Das könnten Friseure sein oder Cafés oder Wellness-Hotels oder Gymnastik-Studios oder … Dir fällt bestimmt noch mehr ein. Jedenfalls würde ich gute Ware nicht billig verkaufen. Wat nix kost, dat döcht ock nix. Manch einer, der zu wenig verkauft, ist schlicht zu billig.
Diese Erfahrung habe ich selbst hinter mir. Vor Jahrzehnten entwickelte ich ein wirklich gutes Produkt. Dann addierte ich meine Materialkosten, schlug noch etwas für Vertrieb und Gewinn drauf und bot das Produkt für damals 2.000 DM an. Erfolg: Null! Binnen zweier Jahre verschließ ich mit irrwitzig vielen Kilometern durch halb Europa ein Auto für Vertriebstouren und gab ein Vermögen für Inserate in Fachzeitschriften aus. Nicht ein einziger Verkauf. Es war so maßlos traurig und ich war noch sehr unerfahren. So brachten mich erst Gespräche mit alten Hasen auf das richtige Gleis. Es war nur ein Versuch. In meiner Verzeiflung verzehnfachte (!) ich den Preis, 20.000 DM pro Stück und das zunächst Unglaubliche geschah: Das Geschäft brummte! Später fragte mich ein älterer Berufskollege, was geschieht, wenn ich meine Preise um 10% anhebe. Ich antwortete, daß ich dann 10% mehr erlöse. Nächste Frage: Was geschieht bei einer Anhebung um 20%? Auch weiter nichts, außer, daß ich dann 20% mehr erlöse. Wer die Lektion gelernt hat, muß nur darauf achten, auf dem Teppich zu bleiben. Der Preis muß in einem angemessen erscheinenden Verhältnis zum Nutzen für den Kunden stehen, worin der Nutzen auch immer bestehen mag. Bei Investitionsgütern steht eine Kosten-Nutzen-Rechnung dahinter, bei Modeartikeln sind es Zeitgeist, Image oder ähnliches.
Ich kann hier die Richtung nur anregen. Eine Rolex für 50 € würde die Marke augenblicklich zerstören, denn jede billige Armbanduhr von Casio zeigt die Zeit mindestens ebenso genau an. Ein billiger Porsche wäre nur noch ein unpraktisches Auto mit zu wenig Kofferraum. Laß’ es Dir einmal durch den Kopf gehen. Nimm jedenfalls nicht Ebay, nicht die Billigschiene.
Gruß
Wolfgang