Hallo Wolfgang,
das Konzept, das Herr Werner da im Interview vorstellt, ist das genaue Gegenteil der heutigen Grundsicherung; er präsentiert es in einer idealistisch-humanistischen Sprache, die irgendwie nach „Sozialromantik“ klingt; wenn man es aber mal richtig durchdenkt, dann ist das nur auf den ersten Blick tatsächlich so.
Wir haben längst eine Grundsicherung, die von 1.200 €
monatlich gar nicht so weit entfernt liegt. Der ALGII-Satz
liegt bei 300 und ein paar Zerdrückten Bargeld, dazu Miete und
Heizung sowie Krankenversorgung. Wenn Du das addierst, kommst
Du auf eine monatliche Transferleistung von 800 €, eher mehr.
Wie gesagt ist Werners Modell des Grundeinkommens alles andere als eine Grundsicherung!
wie viel die 1200 Euro tatsächlich wert sind, hängt von vielen Faktoren ab; sie sind aber in jedem Fall weit weniger wert als 1200 heute und wahrscheinlicher auch weniger als 800 heute;
man muss unbedingt berücksichtigen, dass in Werners Modell die Finanzierung des Grundeinkommens durch alle getragen wird.
In diesem Modell gibt der Staat allen Bürgern X Euro und zieht gleichzeitig über die Konsumsteuer Y wieder ab; der Empfänger hat also nicht X bekommen, sondern eigentlich nur X-Y, also z.B. nicht 1200 Euro, sondern eigentlich 1200-800=400 Euro;
Wenn man dies nicht konsequent berücksichtigt, dann missversteht man das Modell vollkommen!
Das Geld kann nur
aus Besteuerung von Konsum und Besteuerung von Arbeit kommen.
Dabei wird also mit einer Hand genommen und mit der anderen
Hand wieder gegeben. Nach aller Erfahrung mit staatlichen
Verteilungs- und Umverteilungssystemen bleibt ein erheblicher
Teil im System hängen.
Das ist ja genau Werners Ansatz; er glaubt, durch sein Modell würde viel weniger „im System“ hängen bleiben als in unserem heutigen Modell.
Werners Modell ist ja eigentlich gerade kein Umverteilungsmodell: es will nur eine einzige Steuer einziehen und nur eine einzige Summe an alle ausbezahlen; Du kannst Dir ausrechnen, wie dies den Staat enorm verschlanken würde; ob dies dann tatsächlich der Fall wäre, oder ob nicht der Staat an anderen Stellen dafür verfetten würde, ist die Frage, ist aber auf jeden Fall nicht so leicht beantwortbar.
Außerdem darf man sich nichts vormachen
über die Natur des Menschen und die Art vielerlei Arbeit. Will
sagen: Eine unabhängig vom Nachweis der Bedürftigkeit bezahlte
Versorgung würde viele Menschen veranlassen, auf Arbeit zu
verzichten.
Über Anthropologie und Psychologie brauchen wir hier glaube ich nicht reden.
Erstens ist das Modell selbst durchaus an Arbeit und am Wohlergehen der Ökonomie gekoppelt; wenn zu viele Menschen nicht arbeiten würden, dann wäre das Grundeinkommen so wenig wert, dass es zum Leben nicht reicht, und schon müssten diese wieder arbeiten gehen (Herr Werner verschweigt dies in diesem Interview, weil er lieber ein Lanze für die Arbeitsmoral der Menschen brechen will); vgl. dazu das was ich an Rainer geschrieben habe.
Zweitens muss man sich im Klaren sein, dass auch heute schon viele Millionen von Menschen zwar beschäftigt sind, aber nicht wirklich den Wohlstand der Gesellschaft vermehren:
Werner selbst nennt den Bergbau, wo aus politischen Gründen subventioniert wurde, damit Arbeitslose vermieden werden konnten.
Ich habe in meinem anderen Artikel die Landwirtschaft genannt; es ist doch kein Unterschied für den gesellschaftlichen Wohlstand, ob jemand mit seinem Grundeikommen an der Nordsee liegt und nichts tut, oder ob in der Landwirtschaft etwa die Milcherzeugung subventioniert wird, und die überschüssige Milch weggeschüttet wird.
Dazu kommt eine dritte Gruppe: was leisten z.B. Steuerberater? Klar, sie haben eine wichtige Funktion und leisten natürlich in einem Staat durchaus etwas, in dem die Steuergesetzgebung so kompliziert ist wie bei uns;
aber erhöhen sie unseren Gesamtwohlstand? Wohl kaum; In einem Staat, der die Steuergesetze vereinfacht hat (und das will Werners Modell ja) würden sie nicht mehr leisten als der Typ, der an der Nordsee liegt, weil ihre Leistung damit völlig unbrauchbar wäre;
dies zeigt aber, dass in gewisser Weise unser Steuergesetz teilweise eine reine ABM-Maßnahme für Steuerberater und Finanzämtler ist …
Und dies gilt für eine ganze Reihe gut bezahlter Tätigkeiten bei uns.
Damit will ich sagen: man muss zwischen Arbeit im Sinne von Produktivität und Arbeit im bloßen Sinne von „Job haben“ unterscheiden.
Seit langer Zeit wird der Traum von stetig zunehmender
Automatisierung geträumt, der angeblich menschliche Arbeit
überflüssig machen soll. Auf solche Ideen kann kommen, wer
einem Automaten bei der Erledigung immer gleicher Vorgänge
zusieht. Dabei wird ausgeblendet, daß diesen Automaten
Menschen erdachten, andere Menschen als Prototypen sehr
weitgehend von Hand bauten und wieder andere Menschen dafür
sorgen, daß der endlich taugliche Automat ein paar Jahre
tauglich bleibt. Die immer gleiche manuelle Arbeit wird
verdrängt, erforderlich wird immer mehr geistige Arbeit. Ich
kann deshalb nicht erkennen, daß wir uns auf den Müßiggang
vorbereiten können, um Maschinen arbeiten zu lassen.
Erstens geht es im Werners Modell absolut nicht um den Traum von Automation (ich verstehe nicht wie Du darauf kommen kannst, obwohl Du den Text gelesen hast).
Zweitens kann man nicht leugnen, dass wir heute dank unserer Technik viel leichter und mit geringerer Arbeitsleistung (und da ist jede „geistige“ Arbeit bereits miteingerechnet) der Natur unsere Lebenserhaltung abtrotzen können. Dies darfst Du wiederum nicht ausblenden.
Die Aufgabe besteht deshalb nicht darin, Anreize für süßes
Nichtstun zu schaffen und das auch noch als soziale
Errungenschaft darzustellen, sondern vielmehr darin,
vorhandene menschliche Ressourcen verstärkt auf den Sektor
geistige Arbeit zu lenken.
ich glaube, dass es in Werners Modell eben genau darum geht, und eben nicht um das „süße Nichtstun“.
Verzeih mir den Hinweis, aber man darf dieses Modell nicht gleich in diese Ecke stellen, weil das eine ziemliche Fehlinterpretation ist.
Viele Grüße
franz