Lange Zeit hab ich mich mit alle möglichen Lehren östlicher Philosophie beschäftigt, unter anderem auch mit Tantra bzw. dem Tantrismus. Kröners Philosophisches Wörterbuch schreibt dazu Folgendes:
„Tantrismus, eine im 1. Jahrtausend n. Chr. (…) aufkommende Geheimwissenschaft…“
Ich wollte das früher mal mit meiner Frau (vor Kurzem gestorben) ausprobieren, aber ich konnte sie nicht von dieser praktisch sinnlichen Philosophie überzeugen, sie bevorzugte statt dessen das traditionelle Hasenrammeln. Jetzt lebe ich als Witwer 230 Meter über dem Meer in einem viel zu großen Anwesen und übe mich alleine im Tantra-Sex. Und da ich mich sehr für Bildung interessiere, las ich heute Morgen die BILD-Zeitung, um mich zu bilden („Bild Dir Deine Meinung!“). Ich BILDE mich also mittels Wissenschaftsjournalistin, die in BILD schreibt: „Tantra? Ist das nun getarnte Prostitution oder eine Art von Yoga? (…) PROBIERA GEHT ÜBER STUDIERA, SAGEN DIE SCHWABEN, ICH WAGE DEN SELBSTVERSUCHE.“
Eben, das, was meine Frau, die Isebill, nicht will, wie ich es will (wollte). Die Spießer haben Angst, sie könnten ihre (eingebildete) Identität verlieren. Bei meiner Frau, der Isebill, als ein verwöhntes Millionärstöchterlein, war dies besonders ausgeprägt. Wir stritten uns ewig um Werte. Und dann gab ich immer nach. Und so wurde mein Leben spießig.
Sarina Roocks, die Wissenschaftsjournalistin bei BILD berichtet von ihrem Selbstversuch. Damit ein normaler Spießer, wie ich als BILD-Leser, verstehen kann, worum es bei der Philosophie des Tantra überhaupt geht, wird Folgendes zwischen den Textzeilen in Kästchen erklärt:
"Der Weg ist das Ziel: Tantra kommt aus dem Indischen und bedeutet ‚Vereinigung‘. Und genau darum geht es bei dieser Sex-Kunst. Das Wichtigste beim Tantra-Sex ist, sich Zeit zu nehmen und gemeinsam zu genießen (geht auch mit der eigenen Hand. Aber nicht nur bei Männern, auch bei Frauen natürlich, wie die Amerikanerin Betty Dodson in ihrem Buch SEX FOR ONE überzeugend berichtet: „Zuerst musste ich den Mut aufbringen, mich alleine beim Masturbieren im Spiegel zu beobachten“, Anm. CJW). Und die BILD-Autorin Antonia Wagners klärt BILD-Leser weiter auf: „Wer sich tantrisch liebt, hat mehr vom Sex.“ Da staune ich als Spießer!!
Und bevor ich weiter lesen kann, über den Selbstversuch der Autorin, gibt mir BILD noch weiter zusätzliches Wissen, so zum Beispiel, dass man in der Philosophie des Tantra den Penis „Lingam“ (Stab des Lichts) und das weibliche Geschlechtsorgan „Yoni“ (Höhle der Wunder) nennt (was ich eh schon längst wusste!!!). Die BILD-Autorin besucht in Berlin ein Massage-Institut. Sie wünscht eine Tantra-Massage (200 Euro). Der Chef begrüßt die Wissenschaftsjournalistin freundlich, er sieht gut aus, ist ihr auch sympatisch, aber: „Eines steht fest: An meine Yoni darf der nicht!“
Dafür kommt eine blonde jungen Frau, mit Namen Tracy, aus New York: „Sie hat ihr Tuch abgelegt - sie ist NACKT. Auch mein Tuch ist futsch - mit geschickten Händen hat sie es entknotet. Zwei Mädels, nackt auf einer Matte…“ Und weiter der Bericht: „Plötzlich steht Tracy auf, um sich im Schneidersitz zwischen meine gespreizten Beine zu setzen. HOPPLA!“
Zwischen dem Bericht dieses Selbstversuchs stehen weitere Erklärungen von BILD: „Die Tantra-Massage basiert auf einer uralten indischen Tradition. Es geht um mystische Nähe zu einer göttlichen Kraft. Erreicht wird dies durch sinnliche Ekstase. Um dorthin zu kommen, wird jede Stelle massiert, die der Therapeut mit den Händen erreichen kann.“
So geht das! Das ist östliche, „gelebte“ Erfahrung (und da kann man sich natürlich auch gut vorstellen, wohin der Therapeut seine Hände lenkt).
Weiter berichtet die Wissenschaftsjournalistin von ihrem Selbstversuch dieser Philosophie: „Sie (Tracy, die massiert, Anm. CJW) ist mit so viel Leidenschaft… dabei, davon können sich Männer eine Scheibe abschneiden.“
Sag bloß!
„‚Vertrau mir und lass los‘, flüstert Tracy und meine Gedanken verschwimmen?.. und dann?.. und dann?.. schnurrrrrrrrrrrr…“
„Wie es sich nach einem Orgasmus gehört, nicke ich ein. Tracy weckt mich nach 15 Minuten, schickt mich unter die Dusche. Das Bad ist in warmes Licht getaucht, hinten in der Sonne funkelt der Fernsehturm (von Berlin, Anm. CJW). Entspannt bin ich, aber auch irgendwie erschöpft.“
Zum Schluss, das Fazit: „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich hier in Berührung mit ‚etwas Höherem‘ gekommen bin. Aber eins ist klar - meine Verspannung ist weg.“
Na also, das ist ja schließlich doch ein praktischer Nutzen, auch wenn die Philosophie von einem „höheren Bewusstsein“ fehlt. Wie passt aber so eine sinnliche Ossi-Philosophie zur typisch rationalistischen Wessi-Philosophie??
Alle Sch… oder was??? (Zitat nach dem deutschen politischen Philosophen Prof. Dr. Michael Stürmer: „Vom Osten kommt doch nichts!“ Dieser Satz ist in mir fest verdrahtet, seit ich ihn hörte, und Stürmers Kommentar las, über den Klassiker des spanischen Philosophen Prof. Dr. Jose Ortega y Gasset und sein Hauptwerk „Der Aufstand der Massen“. Stürmers Kommentar: „… ein Klassiker des europäischen Denkens.“).
Es bleibt aber dennoch, wie oben schon gestellt, die Grundsatzfrage.
CJW