Grundsicherung, Streichung nach Erbschaft

Hallo,

hätte mal folgende Fragen betreffend Grundsicherung: Nehmen wir mal an, jemand bezieht Grundsicherung und kommt dann zu Geld, z. B. eine Erbschaft. Mangels Bedürftigkeit, weil jetzt ja Geld vorhanden ist, wird die Grundsicherung wohl gestrichen. Soweit finde ich das ja alles in Ordnung, warum soll die Allgemeinheit mit Steuergeldern jemanden unterstützen, der es zumindest derzeit nicht braucht.

Aber wie ist es, wenn diese Person nach gewisser Zeit erneut Grundsicherung benötigt. Sagt dann die für Grundsicherung zuständige Stelle, tut uns sehr Leid, aber sie hätten mit dem Geld aus Ihrer Erbschaft länger auskommen müssen. So soll es angeblich sein – habe ich mal gehört.

Kann mir das ein Fachmann mal erklären? Wenn es wirklich so ist, welcher Zeitraum wird zugrunde gelegt? Kommt mir irgendwie komisch vor, denn dann kann derjenige im Ergebnis mit seiner Erbschaft gar nicht machen was er will, sondern kann es nur für das unbedingt Notwendige ausgeben. Sonst muss er befürchten bei erneuter Bedürftigkeit keine Grundsicherung zu bekommen.

Und wie ist die Sachlage, wenn jemand zuvor noch nie Grundsicherung bezogen hat? Muss der auch darlegen wie viel Geld er hatte und für was er das die letzten Jahre ausgegeben hat? Wenn nicht, was ich vermute, ist das meiner Meinung nach Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen, die schon mal Grundsicherung bezogen haben.

Robert

Nein.
Man darf ja sogar ein gewisses Schonvermögen haben und bekommt trotzdem Grundsicherung.
Du darfst deine Erbschaft so verwenden und auch verbrauchen wie jeder andere auch. du musst nichts aufsparen.- Was weg ist ist halt weg. Danach kann (und muss) man erneut Hilfe zum Lebensunterhalt beantragen und wird das auch erhalten.

Je nach Höhe der Erbschaft kann es auch sein die Grundsicherung fällt gar nicht komplett weg sondern wird gekürzt und man bleibt auch sozialversichert.

MfG
duck313

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Servus,

grundsätzlich ist gem. § 41 Abs 4 SGB XII von Leistungen zur Grundsicherung im Alter ausgeschlossen, wer in den letzten zehn Jahren die Hilfebedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Hier ein Beispiel, wie sowas aussehen kann:

https://landessozialgericht-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Presse/Neuer+Eintrag+Pressemitteilung/?LISTPAGE=1809403

Schöne Grüße

MM

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Volle Zustimmung, wobei man sich dieses spezielle Urteil natürlich mal auf der Zunge zergehen lassen muss: Die genannte Entnahme ist für jemand der ggf. ein etwas größeres Objekt bewohnt, ein angemessenes Auto fährt, … nicht wirklich als verschwenderisch zu bezeichnen. Hinzu kommt, dass die Dame sich zum Zeitpunkt der Bedürftigkeit schon deutlich jenseits der statistischen Lebenserwartung befand. Da muss man sich natürlich dann auch mal fragen, wann man anfangen muss, seinen eigenen Standard mit der Erwartung welcher Lebenserwartung herunterzuschrauben?

Sicherlich ist in diesem speziellen Fall die extrem niedrige Rente und der Verzicht auf Trennungsunterhalt „strafverschärfend“ zu berücksichtigen, und ich denke, dass die Zusammenfassung in der zitierten Quelle gerade beim letzten Punkt ggf. den wahren Grund dieses an sich ungerechtfertigt harten Urteils nur marginal gestreift hat. Es dürfte nahe liegen, dass die Ehegatten hier im Hintergrund einen Deal miteinander hatten, mit dem Vermögen des Mannes zu Lasten des Sozialleistungsträgers geschützt werden sollte. Anders ist die Sache hier kaum erklärlich, denn es ist durchaus üblich, dass Menschen irgendwann in eine geeignete Einrichtung als Selbstzahler in Erwartung einer gewissen Lebenserwartung einziehen, bei der natürlich klar ist, dass die laufenden Einkünfte diese Kosten nicht in alle Ewigkeiten finanzieren können, und hierfür dann Rücklagen abzuschmelzen sind. Und natürlich kommt es auch dabei dann gerne mal dazu, dass Geld und tatsächliches Alter nicht ganz aufgehen. Dann steht natürlich ein Umzug in eine Einrichtung zum Sozialtarif an, aber hierfür wird dann normalerweise durchaus Grundsicherung gewährt, wenn jemand „vernünftig“ agiert hat, und ihm nichts Besonderes vorzuwerfen ist.

Diese Vorschrift soll eigentlich da zum Tragen kommen, wo jemand Geld an Dritte verschiebt um sich künstlich arm zu machen, oder ganz massiv über seine Verhältnisse lebt.

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Ja - was die konkreten Zahlenwerte betrifft, hat es mich auch überrascht, dass das im Landkreis Reutlingen angesiedelt ist - ich hätte da eher an die Ecke Calw-Nagold-Altensteig, den Stromberg oder das Remstal gedacht: „Ha no, e bissle zammehebe kennd mer sei Sach scho au - koi Wunder, die hod sich jo älle vier Johr neie Schueh kaufd!“

Schöne Grüße

MM

Hallo, vielen Dank für eure schnellen und ausführlichen Antworten. Wenn ich das richtig zusammenfasse, wer einen „normalen“ Lebensstil führt - und normal muss nicht heißen wie ein Grundsicherungsempfänger - dann wird bei erneuter Bedürftigkeit wieder Grundsicherung gewährt. Nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit kann es verweigert werden, wobei ggf. ein Gericht zu beurteilen hat, ob das der Fall ist.

Robert

Ja, so kann man es zusammenfassen. Wobei: „Vor Gericht und auf hoher See, …“

Ich kenne es allerdings tatsächlich so, dass ein dem bisherigen Leben angemessener Lebensstil grundsätzlich akzeptiert wird, so lange der nicht als verschwenderisch zu bezeichnen ist. D.h. gerade wenn man sich ansieht, was schon recht einfache Angebote für das Wohnen und die Pflege im Alter für einen Selbstzahler bedeuten, dann kann ein Großteil der durchaus auch schon etwas besser gestellten Bevölkerung dies regelmäßig nicht auf Dauer aus laufenden Einkünften bestreiten, wenn diese nur aus üblichen Renten-/Pensionsansprüchen bestehen.

Dann sollte man natürlich nicht einfach ungebremst in die Wand fahren, und es bis zum letzten Cent treiben um dann am nächsten Tag beim Sozialamt aufzuschlagen. Aber wenn eine solche Unterbringung auf absehbare Zeit finanzierbar ist, dann muss man hierauf auch nicht von Anfang an verzichten, nur weil man nicht weiß, ob man ggf. noch länger leben wird.

Meine Frau ist in der Altenhilfe tätig, betreibt diverse Einrichtungen mit unterschiedlichen Angeboten und erlebt solche Situationen gelegentlich. Ärger mit Sozialleistungsträgern bzgl. dann irgendwann einmal notwendiger Reduktion der Leistungen und der Notwendigkeit eines Antrags auf Grundsicherung hat sie aber noch nicht erlebt, wenn da nicht besondere Umstände hinzukamen, die dann schon in Richtung Leistungsbetrug gingen. Aber genau dafür ist die Vorschrift ja auch da.

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Hallo Wiz,

danke für die Ausführungen. Und ja, vor Gericht und auf hoher See… Da kann ein Richter das so und der andere so entscheiden.

Robert