H wie Hola, Schüler!
Als Beispiel dazu:
Ich besuche zu Zeit die elfte Klasse des Gymnasiums. Im
Geschichtsunterreicht haben wir bis jetzt nichts anderes
gemacht als Gruppenarbeit. Wer sich da nicht reinhängt um
etwas zu verstehen, d.h. etwas Wertvolles aus dem Unterricht
mitzunehmen, hat versagt und hinkt mit dem Thema hinterher.
Das essentielle Problem der Gruppenarbeit ist immer das Lernklima.
Eine solche Form des Unterrichts bringt nichts, wenn die Mehrheit der beteiligten Schüler nicht mitzieht. Ein zweiter wichtiger Punkt ist dann noch die Stärke der Gruppen selbst.
Absolut typisch ist doch, daß sich ein Bringer gesucht wird, der alles ausarbeitet, vorkaut und am besten gleich noch präsentiert.
Andersherum stagniert eine Gruppe sofort, wenn kaum einer Lust hat und dann jemand fehlt, der wenigstens ein bißchen Ahnung hat.
Wenn Gruppenarbeit, dann auch konstruktiv: größere Referate, Präsentationen, Projekte mit verstärktem Arbeitsaufwand.
Damit sieht man schon, worauf sich das Hauptanwendungsgebiet beschränkt: komplexere Aufgaben, die einer alleine nicht in der vorgeschriebenen Zeit erledigen kann, sowie größere Aufgabenstellungen außerhalb des regulären Unterrichts (nebenherlaufend).
Alles andere ergibt für Geschichte bspw. keinen Sinn.
Nun ist es ja so, dass eine Lehrkraft versuchen soll den
Schülern, die nunmal auf einer Schule sind um zu lernen, etwas
beizubringen. Und das sollte die Lehrkraft möglichst so
versuchen, dass es jeder versteht. Aber was bringt dann
Gruppenarbeit?
Nunja, heutzutage prallen Welten aufeinander. Eine stark 68er-geprägte Clique mit freien, schülerzentrierten Lehrmethoden; zumeist antiautoritär geprägt, viel vom Lehrer weg.
Und es gibt als krassen Gegensatz den Stiefel, den man zum Beispiel unter anderem in der DDR fand; eher straffen, lehrerzentrierten Unterricht; autoritär geprägt, viel zum Lehrer hin…
Letzteres ist auch gekennzeichnet dadurch, an geeigneten Stellen (und nur dort) Gruppenarbeit oder andere Formen der Stoffvermittlung zu benutzen.
Deswegen aus meiner Schulzeit einige Beispiele aus bestem Frontalunterricht für gute Gruppenarbeit:
* Physik
-
regelmäßige Experimente
Lehrerin gab eine grundlegende Vorbereitung/Einführung, trat dann in den Hintergrund, beobachtete, war immer bereit zum Beantworten von Fragen
-
regelmäßige Referate
z.B. fiktives Szenario
Ein Konsortium von Investoren plant den Bau eines Kraftwerkes - man ist sich in jedem Punkt unsicher, was die beste Lösung ist. Per Losverfahren wird jeder Gruppe ein Kraftwerkstyp zugeschanzt. Dieser ist nun bestmöglich zu repräsentieren ist, damit man das Konsortium davon überzeugen kann, genau SEINEN Kraftwerkstyp zu bauen.
Eine solche Aufgabe erschlägt natürlich alles: Von der technischen Betrachtung aller Vor- und Nachteile über die ökologische Komponente bis in die ökonomische Dimension müssen Aspekte abgedeckt werden.
Außerdem muß auch gesonderten Wert auf die Präsentation gelegt werden; man will ja einen tendenziell skeptischen Personenkreis (Investoren eben) von etwas überzeugen. Dazu muß bei der Vorstellung des eigenen Kraftwerkes auch rhetorisch entsprechend reagiert werden, man muß sich bestmöglich verkaufen. Wirklich toll war, daß das Konsortium damals von fachfremden Lehrern gespielt wurde – Fragen über Fragen zu allen möglichen Details des Projekts.
oder auch z.B. ganz klassisch
Referate zu wichtigen Personen/ Errungenschaften der Physik.
Zumeist Zweier- oder Dreiergruppen. Aufgabenteilung mußte sich jeder selbst überlegen. Gefordert war meistens eine ausführliche mündliche Darstellung und zusätzlich ein schriftliche Variante des Referates.
Es hat sich deswegen immer angeboten, daß der eine vorne erklärt hat, während der andere dann bis zur nächsten Unterrichtsstunde die Ausarbeitung erledigte. Wenn es drei Mann je Gruppe waren, wurde entsprechend aufgeteilt, wie es am besten paßte. Manchmal kam der dritte Mann mit zum Erklären, manchmal beteiligte er sich eher am nonverbalen Teil. Auch hier war sichergestellt, daß sich jeder in der Gruppe mit dem Thema beschäftigt haben mußte, daß man Dinge zusammen erörterte und zur Not gegenseitig zu erklären versuchte. Eildieweil, der Vortragende mußte die Ergebnisse der Aufgabe ja den anderen in freier Form darlegen, während der andere eine entsprechende schriftliche Arbeit aufzubauen hatte. Damit nicht völlig 1:1 gearbeitet werden konnte, gab es für die Ausarbeitung meist noch Zusatzfragen oder geringfügig andere Schwerpunkte. Somit mußte man sich einfach mit dem Thema auseinandergesetzt haben, sonst konnte man die Aufgabenstellung nur unzureichend bearbeiten.
Die Lehrerin achtete auch darauf, daß nicht immer der gleiche den mündlichen Teil absolvierte, sondern sie sorgte für Rollentausch. Manchmal wurden auch rigoros die typischen Gruppen auseinandergerissen, so daß auch neue Grüppchen gefordert waren…
Themen gab es querbeet reichlich:
-
wichtige Physiker und ihr Wirken (Gallilei, Maxwell, Einstein, …)
-
Wärmekraftmaschinen/Verbrennungsmotoren (Otto, Diesel, Wankel, Stirling, 2-/4-Takter, Zylinderanordnungen, …)
-
elektrische Maschinen (Gleichstrommaschine, Asynchronmaschine, Synchronmaschine, Trafo, …)
-
Halbleiterphysik (Funktionsweise, Herstellung, pn-Übergang, Transistoreffekt, …)
-
Raumfahrttechnik/ Kosmologie (Raketentechnik, Sternentstehung, astronomische Phänomene, …)
-
Atomphysik (Kernspaltung, Kernfusion, Vorgänge bei einer Kernwaffendetonation, Aufbau der Materie, moderne Physik, …)
u.v.v.m.
War übrigens an einer Realschule, nur so als Hintergrundinfo.
In der gymnasialen Oberstufe gab es solche Gruppenarbeit dann quasi gar nicht mehr, weil ständig die Zeit drückte…
* Chemie
Ein klassisches Fach für Gruppenarbeit. Siehe Physik gerade eben.
* Biologie
Auch viel in den Formen wie bei der Physik weiter oben.
Echte Meilensteine waren einige Sachen zur Humanbiologie. So hatte ich mit einem Kumpel zusammen die komplette Zellatmung/ Energiebereitstellung des Körpers als Komplexpräsentation an einem Beispiel zu erörtern.
Ich übernahm den Großteil der Theorie und auch die Präsentation, während er sich im Stile von Jan Ullrich auf einem Veloergometer verausgaben durfte.
Auch in Geographie, den Sprachen/Fremdsprachen sowie in Technik gab es Vergleichbares an sinnvoller Gruppenarbeit. In Technik bspw. mußten wir ein Wohnhaus erst komplett in technischen Zeichnungen erstellen und dann genau nach den eigenen Plänen als Miniaturmodell bauen.
Ging auch nur mit geschickter Arbeitsteilung.
Dennoch wurde mit Gruppenarbeit, wie gesagt, eher sparsam und sehr gezielt umgegangen; es war schließlich immer noch klassischer, guter Frontalunterricht.
Klar ist es super, wenn man sagen kann, dass soetwas den
sozialen Zusammenhalt stärkt und das Team nunmal
zusammenarbeiten muss um etwas zu präsentieren, aber warum,
warum zum Teufel habe ich den Eindruck, dass dies immer öfter
geschieht und warum wird diese Gruppenarbeit so hoch gelobt,
wenn doch der Lehrer dafür zuständig ist dem Schüler etwas zu
vermitteln?
Weil man in Deutschland der Meinung ist, sehr spezielle Bildungskonzepte z.B. aus Finnland kritiklos übernehmen zu müssen.
In der Universität ist dies genau umgekehrt. Da steht der
Professor vor der Klasse und redet, erzählt, schreibt und
hofft, dass es alle verstanden haben. Dort ist Gruppenarbeit
auf ein Minimum reduziert.
Du wirst Dich noch umgucken in Sachen Uni.
Ich möchte jetzt auf keinen Fall den Lehrkörper beleidigen,
aber ist es nicht so, dass Gruppenarbeit dem Lehrer selbst
eine Menge Arbeit erspart? Ist es nicht so, dass die Lehrer
meistens in dem Moment was anderes machen (z.B. Klausuren
korrigieren)? Ist der Lehrer nicht dazu da „mit“ den Schülern
„zusammen“ an Probleme heranzugehen? Ist ein Lehrer nicht dazu
ausgebildet „mit“ den Schülern „zusammen“ Fehler zu finden und
sie zu beheben und das möglichst auf eine Weise, die jeder
kapiert?
Hier ist jeder Lehrer anders. Je nach Charakter und Lernumfeld wird der eine in die Faulheit abrutschen, während andere aufblühen.
Die Gruppenarbeit hat so gesehen höhere Wichtigkeit erlangt.
Als ich fragte, warum dies so ist, bekomme ich die Antwort „ja
der Lehrplan und die Behörde will das so“. Soll ich mich damit
zufrieden geben?
Richtig.
Deutschland ist in einem grotesken PISA-Wahn; überall Hirngespinste bei der Schulstruktur; fehlende Analyse, ob ausländische Konzepte überhaupt passen und warum dies und das dort und dort überhaupt gemacht wird/gemacht werden kann; fehlender Pragmatismus.
Lebe damit.
Ich steh’ heute dumm da, weil ich für die nächste
Gruppenarbeit nicht wirklich etwas gefunden habe und am
Donnerstag schon mit meiner Gruppe, mit der ich mich erst am
Montag zu ersten und einzigen Mal treffe, da ich ja noch
andere schulische Dinge zu tun habe und nicht jeden Tag mit
meiner Gruppe zusammen über das Thema recherchieren kann,
referieren soll. Das sind sehr üble Aussichten um das Mal in
meinem Sprachgebrauch zu nennen. Wie kann ich ohne Lehrer mein
Wissen erweitern, wenn ich trotzdem zur Schule gehe?
Lesen. Neugier. Wißbegier. Interessen abseits von Saufen, sinnlos In-der-Weltgeschichte-herumhängen und Vögeln.
MfG