Hallo liebe Community und Philosophen,
momentan beschäftigen wir uns mit Nietzsches Menschenbild. Dazu habe ich diese Blätter und würde mich sehr freuen, wenn sich das jemand mal anschaut und mir sagen kann, was evtl. falsch ist. Danke!!
Was sagst du denn, was evtl. falsch ist?
Nichts, aber manchmal interpretiert man halt mal was fehl oder jemand würde es anders deuten, deswegen frag ich ja
Ich habs ein bisschen überflogen, und finde jetzt nichts völlig Falsches.
Wenn man die Philosophie eines Denkers aber auf drei Seiten darstellen will, dann kommt zwangsläufig eine enorme Übersimplifizierung und ein Gemenge an Schieflagen heraus.
Beispielsweise ist arg verzerrt, Nietzsche in den Mund zu legen, „der Mensch habe Gott vernichtet“. Das mag er tatsächlich sogar mal so formuliert haben, aber die Bewegungslinie „Gott ist tot“ ist viel komplexer. V.a. geht es darum, dass der simple ontologische Gegensatz Mensch/Gott hinten und vorne nicht zu Nietzsche passt. Es handelt sich bei „Gott ist tot“ immer auch um „Gottes Selbstvernichtung“. Das ist ein wesentlicher Aspekt, der bei „der Mensch hat Gott vernichtet“ untern Tisch fällt.
Noch schiefer dann das Reden von „falscher Moral“ und „Gott wurde verfälscht“. Auch das mag er irgendwo tatsächlich so formuliert haben, ist er aber auf keinen Fall so „präsenzphilosophisch“ zu verstehen, wie diese Wendungen in deinen Snipetts unweigerlich klingen.
Natürlich hat das Christentum die antiken Götter „verfälscht“, aber eben nicht einen „Gott an sich“. Unterhalb des „verfälschten Gottes“ und der „falschen Moral“ gibt es für Nietzsche keinen ewig-gleichbleibenden, substantivierbaren „unverfälschten Gott“ und „wahre Moral“.
Völlig daneben finde nun die gebrachten Beispiele mit Hitler als Übermenschen und mit dem Nietzscheanischen Menschenbild des NS. Das mag, teilweise, Hitlers und mancher Nationalsozialisten Sicht gewesen sein, hat aber vorrangig mit denen und nicht mit Nietzsche zu tun.
Es ist durchaus umstritten, inwieweit Nietzsche ein Vordenker des Faschismus und der Nationalsozialisten war, nicht umstritten ist aber, dass es eine deutlich eingeschränkte und sehr eindimensionale Lesart Nietzsches braucht, um ihn da klar als Vorläufer zu sehen (wie das etwas Mussolini in seiner Nietzsche-Arbeit macht). In einer anderen Perspektive lässt sich Nietzsche als sehr deutlicher Antifaschist lesen.
Hier dann solche „Beispiele“ zu geben, erscheint mir als eine krasse Form von reductio ad Hitlerum. Solche Reduktion mag für manche Arbeiten sinnvoll sein, aber für eine universitäre Arbeit nicht. Da muss man die verschiedenen etablierten Lesarten-Linien Nietzsches halt zwingend mitbedenken. Bei einem wie Nietzsche schon deshalb umso mehr, weil er selbst ganz unmissverständlich (schon in Titeln seiner Werke) diesen Aspekt des „Spiels“ der Perspektiven und Lesarten ins Zentrum seines Denkens gestellt hat.
Gruß
F.
Vielen Dank F. für deine Anregungen, ich werde es nochmal überarbeiten