Haftbefehl veröffentlicht, Haftbefehl veröffentlicht

Moin,

was war das für eine Aufregung einschließlich Hausdurchsuchungen und Suspendierung vom Dienst: Wegen der Veröffentlichung eines Haftbefehls im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt in Chemnitz haben die Ermittler Fraktionsräume der rechtspopulistischen Bürgerbewegung „Pro Chemnitz“ im Rathaus durchsucht. Durchsuchungen gab es außerdem in einer Anwaltskanzlei und in drei Wohnungen in der sächsischen Stadt, teilte die Staatsanwaltschaft Dresden mit. […] Ein Justizbeamter der Justizvollzugsanstalt Dresden räumte ein, den Haftbefehl an die Öffentlichkeit gegeben zu haben. Weil das strafbar ist, wurde er vom Dienst suspendiert.

Die Medien haben uns gleichzeitig darüber informiert, warum das denn strafbar sei. Hängt auch mit der Unschuldsvermutung zusammen.

Nun schaue ich soeben Frontal 21 auf dem ZDF. Dort, siehe Beitrag, taucht offenbar auch ein fotografierter Haftbefehl auf. Er liegt dem ZDF vor, was mE genau die gleiche Straftat darstellt. Und das ZDF zitiert wortwörtlich aus mutmaßlichen Chat-Protokollen der Beschuldigten.

Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird?

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Es geht ja darum, dass der Haftbefehl dem Spitzbuben dienstlich bekannt war, damit hat er ein Dienstgeheimnis verraten. Merke: Als Beamter darfst du nicht alles, was dir dienstlich bekannt wird, auf facebook teilen.

Für die Journalisten, denen solche Unterlagen aus irgendwelchen Quellen vorliegen, gelten andere Regeln. Da gibt es so Zeug wie „Pressefreiheit“ und so.

Das mag deren Begründung sein. Jedoch scheint eine Strafbarkeit auch in solchen Fällen gegeben zu sein, wie ich mal aus folgender Quelle schließe (bei der berichtet wird, der Freispruch sei lediglich einem Verbotsirrtum geschuldet):

Am Donnerstag sind nun zwei Journalisten einer Verurteilung nach §353d StGB – knapp – entgangen. Das Amtsgericht (AG) Hamburg ließ keinen Zweifel daran, dass sie den Tatbestand verwirklicht hätten, indem sie 2014 Chat-Protokolle der angeklagten Eltern der zu Tode misshandelten Yagmur aus der Anklageschrift veröffentlichten. Diese waren nach Ansicht des AG wesentlicher Teil der Anklage, auch die spätere Verurteilung der Angeklagten habe sich auf die Chat-Protokolle gestützt.

Allerdings nahm das Gericht einen Verbotsirrtum nach § 17 StGB an, weil der Justiziar des Springer-Verlages, zu dem die Zeitung damals noch gehörte, den beiden Journalisten mit Blick auf die geplante Veröffentlichung vorab die Auskunft erteilt habe: „Das geht!“ Auf diesen Rechtsrat hätten sich die Journalisten verlassen dürfen. Es liege insofern ein Verbotsirrtum vor.

Hier mutmaße ich (so als Laie), dass ein „Haftbefehl“ nochmal was anderes ist als „Inhalte einer Gerichtsverhandlung“…

Beatrix

https://dejure.org/gesetze/StGB/353d.html

Welchen Haftbefehl im Beitrag meinst du denn? Den bei 1:17?
Da ist das Deckblatt zu sehen und die Worte „Bundesgerichtshof“, „Ermittlungsrichter“, „Haftbefehl“ und das Datum.
Das Aktenzeichen wird vom Daumen verdeckt und sonst ist nichts zu sehen, das irgendwie Rückschlüsse auf den Inhalt und erst recht nicht die Person liefern könnte.

Zum einen ist das nicht „veröffentlichen“ im eigentlichen Sinne, außerdem kann das Deckblatt auch von sonstwoher stammen. Der Inhalt darf nicht teilweise oder ganz veröffentlicht werden. Es zu besitzen ist noch nicht strafbar.

Jetzt muss uns nur noch jemand erklären, was dein Beispiel mit dem Beitrag des ZDF zu hat :smirk:

Zum Rest deines ‚Skandals‘ hast du ja genügend Antworten bekommen.

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Dann hast du aber den Beitrag nicht angeguckt. Es wurden ja wesentliche Teile davon publiziert. Also siehst du das ebenfalls als Straftat an, dann sind wir ja einer Meinung.

Übrigens, was du meintest war der sogenannte Quellenschutz für Journalisten. Heißt aber nicht, dass sich nicht der Informant strafbar gemacht haben könnte. Da hier der Haftbefehl offenbar weitergegeben wurde, scheint ebenfalls - also wie im Chemnitzer Fall - eine Verletzung von Dienstgeheimnissen im Raume zu stehen. Merkwürdig nur, dass im Chemnitzer Fall vehement ermittelt wurde, hier aber bislang überhaupt nicht.

Dass man es dir erklären musst, ist nichts Neues. Andere verstehen es durchaus. Es gibt eben unterschiedliche Ausprägungen.

Kannst du diese denn in ihren materiellen Kernaussagen mal zusammenfassend wiedergeben?

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Nö, meinte ich nicht. Kann man aus meiner Bemerkung wohl auch kaum herauslesen.

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Hier scheint es sonst auch keiner zu verstehen. Ich warte noch auf die Erklärung :blush:

Aber gerne. Im Grunde lässte es sich auf drei kleine Wörter reduzieren: du - liegst - falsch

Selbst dein kleiner Fanclub meldet sich nicht zu Wort, sondern belässt es beim obligatorischen Like. Das sollte sogar dir zu denken geben :smile:

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Das Veröffentlichen eines Haftbefehls ist nur unter bestimmten Voraussetzungen strafbar. In aller Regel stellt dies keine Straftat dar. Somit ist die journalistische Berichterstattung wohl als rechtskonform anzusehen.

Was du nicht zu verstehen scheinst ist, dass der Verrat eines Dienstgeheimnisses etwas anderes ist, als die Berichterstattung darüber. Nur ein

1. Amtsträger,
2. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder
3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt
kann nach § 353b StGB ein Dienstgeheimnis verraten, der Journalist kann dies - weil der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift nicht erfüllt ist - überhaupt nicht machen.

Ob die bereits angesprochene Spezialvorschrift des 353d anzuwenden ist, kann ich auf Grundlage der mir bekannten Informationen nicht beurteilen, aber ich würde im Zweifel vermuten, dass diese Vorschrift hier nicht greift.

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Doch, den Beitrag habe ich geguckt und an keiner Stelle wurde aus dem Haftbefehl zitiert oder Teile veröffentlicht.
Wenn du die Stelle benennst, können wir gern weiter schauen.
Oder meinst du das Zitieren der Chat-Protokolle? Das dürfte anonymisiert kein Problem darstellen.
Im Übrigen handelt es sich um eine Einschätzung, nicht Meinung.

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Und kannst du das auch begründen? Die Strafrechtsvorschrift schützt ja nun offenkundig die Unschuldsvermutung. Um welchen Prozess es geht, ist auch mit Anonymisierung klar. Man baut also einen öffentlichen Druck auf. Ich glaube, die Vorschrift ist anders gemeint.

Abgesehen davon: Dann hätte man ja wohl auch im Fall der Chemnitzer Tötung eines Deutschen durch mutmaßlich einen Migranten zumindest anonymisiert die Zahl der Messerstiche veröffentlichen können. Kannst du mir entsprechend mal raussuchen, wie viele Messerstiche es waren?

Was du nicht verstehen kannst, ist, dass im Chemnitzer Fall beides angeklagt wurde. Und selbst wenn das ZDF in diesem Fall die Veröffentlichung legal vorgenommen haben sollte - wofür leider immer noch die Begründung fehlt -, dann ist ja zumindest der Straftatbestand des Geheimnisverrats offenbar erfüllt. Die Staatsanwaltschaft müsste ja nun ebenfalls in den Reihen der Justiz ermitteln, so wie in Chemnitz.

Und? Wo habe ich denn behauptet, nur bei den Leuten von ZDF könne eine Strafbarkeit gegeben sein?

Oh, du hast also schon beim Begriff „materiell“ Probleme. Nein, „du liegst falsch“ ist keine materielle Begründung. Ich hatte jetzt nicht gedacht, dass man bei dir so extrem weit unten ansetzen muss, bitte entschuldige.

Was soll denn das sein? Geheimnisse zu verraten ist kein Straftatbestand, sonst wären die Gefängnisse voller Teenagermädchen, die ausgeplaudert haben, dass Susi mit Hans geknutscht hat. Die zwei in Frage kommenden Vorschriften - Dienstgeheimnisse und 353d StGB wurden ja schon genannt und es wurde ja schon erörtert, dass die nur eingeschränkt anwendbar sind.

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Hach, entscheide dich doch mal :smile:

Und in der Eile hast du ganz auf die Erklärung vergessen :no_mouth:

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deine glaskugel der befürchtung vorab ausgepackt?
ok, war leider nicht online, aber jetzt nachgeholt.
nicht dass du unrecht haben solltest.

du weißt, dass reduktion das ausschließen/ausblenden (ich bau mir meinen tellerrand so hoch als möglich) bedeutet, um die eigene ansicht wenigstens in den bereich relevanz unter fachleuten zu bringen?

pasquino