Haftung der Diskothekenbetreiber für Türsteher

Hallo zusammen,

ich frage mich, ob der Diskothekenbetreiber resp. eine Securityfirma auf Schmerzensgeld haften, wenn die Türsteher der durch die Dikothekenbetreiber beauftragten Securityfirma eine nicht gerechtfertigte vorsätzliche Körperverletzung begehen.

Durch Google-Recherche habe ich eine Zusammenfassung eines Urteils des OLG Hamm gefunden ( vom 1. Oktober 1998 - 27 U 43/98, OLG Report Hamm 1999,47), welches eine Haftung bejaht, aber eine Exkulpationsmöglichkeit bei sorgfältiger Auswahl annimmt. Ich habe das Urteil nicht im Volltext, meine aber, das hört sich nach § 831 BGB (Haftung für Verrichtungsgehilfen) an. Ich würde aber hier eher an eine Haftung nach § 278 BGB (Erfüllungsgehilfen) annehmen, womit eine Exkulpation ausscheidet.

Hat hier jemand neuere Urteile / eine qualifizierte Meinung? Bei Einschaltung einer Security-Gesellschaft dürfte man ja die Diskothek bei Annahme von § 831 exkulpieren können. Dann: Haftung der Security-Gesllschaft? Oder gilt wenigstens hier in diesem Verhältnis Türsteher - Security-Gesllschaft unstreitig § 278 BGB?

Dank und Gruss
derr

Servus!

Es ist eine systematische Frage. Geht es nur um eine unerlaubte Handlung, geht auch nur § 831. § 278 hingegen greift nur bei vertraglichen Schuldverhältnissen. Es wäre also zunächst zu prüfen, ob der Geschädigte mit dem Diskothekenbetreiber einen Vertrag abgeschlossen hatte oder zumindest sich mit diesem (über den Türsteher) in Vertragsverhandlungen befunden hat, wovon man der typischen „Dukommsthiernetrein“ mit ein wenig Begründungsgeschick ausgehen könnte.

Hallo,

gegen die Security-Gesellschaft scheidet § 278 BGB doch schon deshalb aus, weil man mit denen kein Schuldverhältnis hat.

Gegen die Diskothekenbetreiber ist er zweifelhaft: Da die Körperverletzungen in der Regel stattfinden, bevor ein Schuldverhältnis mit der Diskothek zustandekommt (Aus der Reihe berühmte letzte Worte: „Hier kommste nit rein, nur für Mitglieder, alder“), wird im Großteil der Fälle § 278 schon deshalb ausscheiden.

Und später? Gegenüber Gästen, die schon drin sind und Eintritt gezahlt haben? Erfüllungsgehilfen muss der Vertragspartner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit einsetzen. Das wäre unmittelbar der Fall, wenn Auf-Die-Fresse-Hauen Hauptpflicht und damit Teil des Events ist …

Oder die Tätigkeit der Security müsste

1.) sonst zum (Neben-) Pflichtenkreis des Schuldners aus dem Schuldverhältnis Diskothekenbesuch gehören und

2.) die Verletzung im sachlichen Zusammenhang mit dieser Verpflichtung steht. Letzeres scheidet die Fälle aus, in denen Angestellte nur die Gelegenheit ihrer Anstellung zu Straftaten nutzen (der Monteur klaut), was hier kein Problem wäre.

Doch wird die Security eingesetzt, um die Nebenpflicht, Eigentum und Gesundheit der Gäste zu schützen, zu erfüllen? Ich würde eher denken, dass die eingesetzt wird, um den Betreiber und sein Eigentum zu schützen.

Es gab zwar 1975 eine BGH-Entscheidung, die einen „Aufpasser“ in einer Gaststätte als Erfüllungsgehilfen ansah, aber da kenne ich die näheren Fallumstände nicht.

Grüße

EK

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Denkfehler

Ich würde aber hier eher an eine
Haftung nach § 278 BGB (Erfüllungsgehilfen) annehmen, womit
eine Exkulpation ausscheidet.

Da begehst du einen Denkfehler. § 278 ist keine Anspruchsgrundlage, sondern nur eine Zurechnungsnorm. Anspruchsgrundlage ist § 280 I S. 1 (ggf. i.V.m weiteren Normen), und hier gibt es die Exulpationsmöglichkeit durchaus: § 280 I S. 2 BGB. Genau wie § 831 ist bei § 280 auch nur die Beweislast geregelt, keineswegs handelt es sich um Normen über Gefährdungshaftung.

Übrigens fehlt in deinen Überlegungen noch die Idee, direkt gegen den Türsteher vorzugehen.

Levay

Danke für die Antwort,

nehmen wir einmal an, der Türsteher sei nicht solvent :smile:

Ok, Du meinst also, Anspruchsgrundlage sei nicht Delikt, sondern Vertrag, bzw. cic, also § 311 BGB. Der Gast wollte einen Vertrag schliessen, indem er in die Disko gegen Bezahlung eintreten wollte. Eine Nebenpflicht der Diskothenbetreiber sei es, durch Türsteher für Ordnung zu sorgen. Indem diese ihre Arbeit übertreiben und eine vs. KV begehen, verletzen sie diese Pflicht schuldhaft. Dessen Verschulden sei den Diskothekenbetreibern nach § 278 BGB zuzurechnen.

Das OLG Hamm urteilte nach alter Rechtslage, wobei noch keine Beweislastumkehr nach § 280 BGB bestand. Ich meine, sorgfältiges Aussuchen der ERFÜLLUNGSgehilfen exkulpiert auch nach neuer Rechtslage nicht (Palandt, § 280 BGB, 5)d): „Der Entlastungsbeweis muss sich auch auf das Verschulden des ErfGeh erstrecken“).

Also:
1.) Der Türsteher haftet nach Delikt.
2.) Die Security-Gesellschaft haftet auch nach Delikt über § 831 BGB, es sei denn, sie könne sich exkulpieren.
3.) Die Diskothek haftet nach Deiner Ansicht aus Vertrag wegen cic, pVv, i.E. §§ 280, 278, 311 BGB.

Habe ich das richtig verstanden?

Gruss
derr

Da begehst du einen Denkfehler. § 278 ist keine
Anspruchsgrundlage, sondern nur eine Zurechnungsnorm.
Anspruchsgrundlage ist § 280 I S. 1 (ggf. i.V.m weiteren
Normen), und hier gibt es die Exulpationsmöglichkeit durchaus:
§ 280 I S. 2 BGB. Genau wie § 831 ist bei § 280 auch nur die
Beweislast geregelt, keineswegs handelt es sich um Normen über
Gefährdungshaftung.

Übrigens fehlt in deinen Überlegungen noch die Idee, direkt
gegen den Türsteher vorzugehen.

Levay

nehmen wir einmal an, der Türsteher sei nicht solvent :smile:

Armer Türsteher.

Ok, Du meinst also, Anspruchsgrundlage sei nicht Delikt,
sondern Vertrag, bzw. cic, also § 311 BGB.

Wo habe ich das denn geschrieben? Ich habe dich lediglich darauf hingewiesen, dass § 278 BGB keine Anspruchsgrundlage ist und du aus dem Fehlen einer Exkulpationsmöglichkeit hier nicht schließen kannst, dass überhaupt eine Exkulpationsmöglichkeit fehlt. Es mag übrigens im Gegensatz zu dem, was ich geschrieben habe, durchaus sein, dass man es bei § 280 nicht Exkulpationsmöglichkeit nennt, das Ergebnis wäre jedoch dasselbe: Das Verschulden wird unterstellt, der Anspruchsgegner kann seine Unschuld beweisen.

Dass hier ein Delikt vorliegt - und etwas anderes zu behaupten, wäre wahnwitzig und habe ich nicht getan - ist eindeutig. Im Übrigen habe ich gegen cic keine Bedenken, denn der Kontakt zwischen Türsteher und potenziellem Diskobesucher ist doch ganz klar eine Vertragsanbahnung.

Der Gast wollte
einen Vertrag schliessen, indem er in die Disko gegen
Bezahlung eintreten wollte. Eine Nebenpflicht der
Diskothenbetreiber sei es, durch Türsteher für Ordnung zu
sorgen.

Darauf würde ich nicht abstellen. Ich würde direkt auf den Wortlaug von § 241 II BGB abstellen.

Indem diese ihre Arbeit übertreiben und eine vs. KV
begehen, verletzen sie diese Pflicht schuldhaft.

Nein, das kann man angesichts des Sachverhalts so nicht schreiben. Man kann nur schreiben, dass die Schuld unterstellt wird, weil der Sachverhalt keinen anderen Anhaltspunkt bietet; natürlich darf dann der Hinweis nicht fehlen, dass § 280 I S. 2 die Beweisleistumkehr regelt.

Das OLG Hamm urteilte nach alter Rechtslage, wobei noch keine
Beweislastumkehr nach § 280 BGB bestand. Ich meine,
sorgfältiges Aussuchen der ERFÜLLUNGSgehilfen exkulpiert auch
nach neuer Rechtslage nicht (Palandt, § 280 BGB, 5)d): „Der
Entlastungsbeweis muss sich auch auf das Verschulden des
ErfGeh erstrecken“).

Ich habe das jetzt nicht nachgelesen, aber klingt doch gut. Dass sorgfältige Auswahl nicht exkulpieren kann, versteht sich ja auch von selbst. Es geht ja - im Rahmen von § 278 - gerade nicht um eigenes Verschulden, sondern um die Zurechnung fremden Verschuldens. Das ist einer der wesentlichen Unterschiede zu § 831.

Also:
1.) Der Türsteher haftet nach Delikt.
2.) Die Security-Gesellschaft haftet auch nach Delikt über §
831 BGB, es sei denn, sie könne sich exkulpieren.
3.) Die Diskothek haftet nach Deiner Ansicht aus Vertrag wegen
cic, pVv, i.E. §§ 280, 278, 311 BGB.

Habe ich das richtig verstanden?

Richtig verstanden hast du es. Ob ich Recht habe, wird hoffentlich noch jemand schreiben, der mir zustimmt oder widerspricht. Nicht dass du wegen mir jetzt durch eine Klausur fällst oder einen Diskothekenbetreiber verklagst oder so.

Levay

PS
PS. Was du allerdings noch klären solltest - ich weiß es spontan nicht -, und es könnte alles ändern, ist die Frage, ob der Türsteher *wirklich* ein Erfüllungsgehilfe ist. Du hast das ins Spiel gebracht, und ich bin gleich darauf angesprungen, aber so sicher ist das vielleicht gar nicht. Wenn du es rausgefunden hast, kannst du ja mal mit Begründung Bescheid geben :smile:

Levay

PPS
PPS. Ich habe jetzt selbst noch mal nachgelesen.

Also, meine Zweifel kamen eben, weil ich mir unsicher war, ob hier von „Erfüllung von Verbindlichkeiten“ die Rede sein kann, was die Pflichten aus § 241 II BGB angeht. In meinem Rechtslexikon steht dazu allerdings:

„Erfüllungsgehilfe kann daher auch sein, wer die Erfüllung von Pflichten aus einer durch geschäftlichen Kontakt begründeten vorvertraglichen Sonderrechtsbeziehung (§§311 Abs.2, 241 Abs.2 BGB, culpa in contrahendo) […] übernimmt.“

Levay

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Dankeschön.

Wie ich gehört habe, haben Security-Firmen eine Versicherung - von daher wäre das vielleicht - wenn es ein realer Fall wäre - der naheliegendere Klagegegner als die Diskothekenbetreiber.

Die Sache erinnert mich etwas an den guten alten Salatblattfall.

Gruss und Sternchen
derr