Handelsbilanzdefizit USA

Hallo, ich verstehe nicht warum USA Handelsbilanzdefizit zwischen EU und China hat.
Wenn ich Top 100 Unternehmen habe, dann sind es die meisten davon US-Firmen welche global ihr Geld verdienen.
Wenn ich mir angucke, wer die Kohle von einem durchschnittlichen Bürger am meisten bekommt, dann ist es auch USA:
Bezahlen: Paypal, VISA, Mastercard
Einkaufen: Amazon und Ebay
Kommunikation: Google, Facebook, Apple
Produkte: Coca Cola, Colgate, Waschzeug (P&G)
Fast Food: Mc Donalds, KFC, Pizza Hut, Burger Kind, Starbucks

Also man kann heute kaum ein Leben führen ohne auf amerikanische Produkte zuzugreifen, es ist deutlich einfacher nicht mit EU oder China Produkten zu leben - warum hat USA doch Handelsbilanzdefizit?

Die Antwort ist ganz einfach:
Die USA haben gar kein Defizit mit der EU

Es ist eine wahrhaft monströse Zahl, die Donald Trump da immer wieder voller Zorn ausspeit: 811 Milliarden Dollar - so hoch war im vergangenen Jahr das Defizit, das die Vereinigten Staaten im Warenaustausch mit ihren Handelspartnern in aller Welt verbuchten.
[…]
Doch stimmen die Zahlen überhaupt, mit denen die Amerikaner da hantieren? Sind sie die ganze Wahrheit, oder hat Trump etwas nicht kapiert? Glaubt man dem Münchner Ifo-Institut, dann sind es mitnichten die USA, deren Leistungsbilanz gegenüber der EU einen Fehlbetrag aufweist. Im Gegenteil, es seien die Europäer: Sie verbuchten allein 2017 ein Defizit von 14,2 Milliarden Dollar.
[…]
Der Grund für die unterschiedlichen Ergebnisse liegt darin, dass die Münchener Wirtschaftsforscher in ihrer Rechnung nicht nur den Im- und Export von Waren berücksichtigen, sondern auch die übrigen Geldströme zwischen den USA und Europa. Schon wenn man den Warenverkehr nur um den Austausch von Dienstleistungen ergänzt, die beispielsweise amerikanische Internetkonzerne, Banken und Tourismusfirmen für ihre europäischen Kunden erledigen, ändert sich das Bild gewaltig: Die Vereinigten Staaten wiesen hier 2017 einen Überschuss von 51 Milliarden Dollar auf, der das Gesamtdefizit gegenüber der EU auf nur noch gut 100 Milliarden schrumpfen ließ.

Nimmt man nun noch das sogenannte Primär- und Sekundäreinkommen hinzu, kippt die Bilanz endgültig. Hinter dem Primäreinkommen verbergen sich vor allem die Gewinne, die die europäischen Töchter von Digitalkonzernen wie Apple, Amazon, Facebook und Google an die Muttergesellschaften in den USA überweisen. Hier erzielten die Vereinigten Staaten 2017 einen Überschuss in Höhe von 106 Milliarden Dollar, was zeigt, dass amerikanische Investments in der EU offensichtlich sehr viel lukrativer waren als europäische in den USA.

Das Ganze in einer handlichen Grafik:

Und wie du selber schon richtig erkannt hast:

Die USA haben einen gewaltigen Wettbewerbsvorteil im Servicebereich, insbesondere bei Finanz-, Unternehmens- und IT- Dienstleistungen. Die Europäer wiederum haben die Nase beim Bau von Autos, Maschinen und anderen Industrieprodukten vorn. Unter dem Strich ergibt sich damit eine amerikanisch-europäische Leistungsbilanz, die seit nunmehr zehn Jahren fast immer weitgehend ausgeglichen ist. Wäre man nicht Trump und betrachtete das große Ganze, könnte man sagen: Die globale Arbeitsteilung funktioniert.

Kurz gesagt ist es einfach nur gelogen, dass die USA ein gewaltiges Defizit gegenüber der EU hätte. Trump und seine Leute nutzen diese Lüge aber aus, um den Handelspartnern die Daumenschrauben anzulegen, um noch bessere Konditionen für die USA herauszuholen. Gleiches gilt für die Idiotie, nur die Zölle für einzelne Waren zu vergleichen. Bei manchen Produkten sind die US Zölle höher, bei anderen die EU Zölle. Das ist normalerweise das Ergebnis von langen Verhandlungen, bei denen eine gewisse Balance gesucht wird. An Balance ist Trump aber nicht interessiert und sein Slogan ‚America first‘ ist hier Programm.

Natürlich kann sich kaum ein Land leisten, einen Wirtschaftsstreit/krieg mit den USA zu beginnen. Manche Länder wie z.B. Südkorea, Mexiko oder Kanada haben schon neuen Abkommen zugestimmt, bei denen die USA besser aussteigen. Die EU führt noch Verhandlungen während es mit China bereits einen mittleren Handelskrieg gibt, wobei es aber schon Anzeichen für eine Lösung gibt.

tl;dr Das angebliche gewaltige US Handelsdefizit ist ein Vorwand der Trumpadministration, bestehende Verträge aufzukündigen und (mit besseren Konditionen für die USA) neu zu verhandeln.

LG

Noch eine Ergänzung zu China:
US-Handelsdefizit mit China ist viel kleiner als gedacht

Richtig ist zunächst: China lieferte seinerzeit Waren und Dienstleistungen im Wert von 499 Milliarden Dollar in die USA. Amerikanische Firmen hingegen kamen auf Exporte von lediglich 165 Milliarden Dollar. Machte unter dem Strich ein US-Defizit von 334 Milliarden Dollar (2017 war die Zahl praktisch identisch).

Richtig ist aber auch: Während chinesische Firmen so gut wie alle Waren, die sie in den Vereinigten Staaten verkaufen, daheim herstellen und dann per Schiff übers Meer schicken, produzieren viele US-Unternehmen einen großen Teil ihres China-Absatzes direkt in der Volksrepublik. Zugleich stammen viele der Waren, die aus der Volksrepublik in die USA strömen, gar nicht von chinesischen Herstellern, sondern von japanischen, koreanischen und anderen Firmen, die China lediglich als Produktionsstandort nutzen.

Rechnet man beide Faktoren ein, um ein genaueres Bild des Einflusses amerikanischer und chinesischer Firmen auf die jeweils andere Volkswirtschaft zu erhalten, ergibt sich eine „aggregierte Absatzbilanz“ mit einem US-Defizit von nur noch 30 Milliarden Dollar. Das ist nicht einmal ein Zehntel des offiziellen Werts.

Und weiter:

Zhiwei und Yi schätzen auf Basis ihrer Berechnungen, dass sich dieses aggregierte Defizit der Vereinigten Staaten in den vergangenen beiden Jahren gar in einen Überschuss von 20 Milliarden Dollar verwandelt hat. Grund ist der wachsende Wohlstand in China, der es mehr Bürgern erlaubt, teure, qualitativ bessere, häufig direkt in der Volksrepublik hergestellte US-Produkte zu kaufen. Schon heute besitzen mehr Chinesen als Amerikaner ein iPhone oder kaufen ein Auto aus dem General-Motors-Imperium.

Dieser Trend dürfte sich der Studie zufolge in den kommenden Jahren noch deutlich verstärken, weil der Absatz amerikanischer Firmen in China seit Jahren mehr als doppelt so schnell wächst wie der Export chinesischer Waren in die USA. Für 2020 rechnen Zhiwei und Yi mit einem aggregierten Absatzüberschuss der Vereinigten Staaten gegenüber der Volksrepublik von mehr als 100 Milliarden Dollar.

Welcher dieser Produkte wird in den USA hergestellt? Und was müssen die USA importieren um die paar Dinge die sie noch herstellen zu fertigen?

Warst du schon mal in den USA? Hier in D ist jedes zweite Fahrzeug auf den Straßen ein Lastwagen. Unglaublich viele Firmen produzieren Güter. In den USA siehst du viel viel viel weniger Lastwagen, da kaum Industrie. Ähnlich UK.
Glaubst du eine Cola die du trinkst wird in den USA abgefüllt? Oder das Handy das du nutzt in den USA produziert?

Hallo,

wie Du schon gelernt hast: haben sie auch nicht. Neben den genannten Aspekten sei noch erwähnt, daß die Handelsbilanzen dumm sind. Wenn etwas bspw. aus Mexiko kommt, wird es als Export Mexikos gewertet, egal, ob Bestandteile des exportierten Gutes vorher einen Umweg von den USA und Brasilien genommen haben. So ist es bspw. in der Autoindustrie: GM liefert an ein Werk in Brasilien, von dort geht es als Teil einer Komponente nach Mexiko und wird dort in ein Fahrzeug eingebaut, das später in die USA exportiert wird. Am Ende sieht die Handelsbilanz der USA mit Mexiko ganz schlimm aus, was aber die Realität kaum widerspiegelt.

Betrifft jetzt nicht unbedingt in großem Stile China, aber zeigt so ganz grundsätzlich wie die anderen Beispiele auch, daß die Sache komplexer ist und daß man diese Komplexität bei der Analyse der Verhältnisse berücksichtigen muß. Das kann oder will Trump nicht.

Vor ein paar Tagen hatte er einen seiner beinahe täglichen Twitteranfälle, anläßlich dessen er die Erfolge seiner Zollpolitik feierte. Milliarden würden jetzt in die Kasse der USA gespült. Daß das Milliarden sind, die die US-Unternehmen und die Verbraucher mehr bezahlen müssen, berücksichtigt er nicht. Auch stellt er keine Beziehung zur Entscheidung von GM und anderer Unternehmen her, die Produktion in andere Länder zu verlagern und beschimpft sie stattdessen bzw. droht ihnen (u.a. kam deswegen auch Harley Davidson unter Beschuß).

Daß das Handelsdefizit der USA mit China zu einem Großteil auf Apple & Co. Co. zurückgeht, ist eigentlich noch etwas leichter zu verstehen.

Gruß
C.

was ist daran falsch, wenn
a) man es sich offensichtlich leisten kann und
b) erfolgreich vielleicht?

pasquino

Was wäre denn falsch daran, wenn dein Arbeitgeber euren Dienstvertrag neu verhandeln möchte, um dir dann 10% weniger zu zahlen?

nichts.
mein ag versucht es gerade.
und wir sehen beide zu, wer sich was leisten kann.

pasquino