Hannover und gutes Deutsch dialekt?

Man sagt ja in Hannover spricht man das beste Deutsch.
Aber stimmt das?

Ich komme aus Springe am Deister ca. 30 km süd-west von Hannover und finde dass ich selber nicht so „tolles“ Deutsch sprech. Manchesmal fragen mich die Menschen schon mal was ich gerade ich gesagt habe wenn ich in meinem Temperament rede.

Ich benutze auch Wörter wie „Mach mal das fenster auf krack“, „hör auf zu kankeln“…

Versteht Ihr (am besten Hannoveraner) das was ich sage?

Reden Hannoveraner wirklich so gutes Deutsch und ich fange regionalbedingt schon an etwas Dialekt zu reden?

In Springe wie auch in Hannover wird von alters her (und bis heute) Plattdeutsch gesprochen. Da Hannover aber Residenzstadt des Königs war, kamen dort viele Beamte aus verschiedenen Regionen zusammen. Die Beamten kamen aus dem Bürgertum und Hochdeutsch war für sie Arbeitssprache und zusätzlich ein Statussymbol, mit dem sie sich über die normale Bevölkerung stellen konnten.

Daher hat sich in Hannover relativ früh das Hochdeutsche durchgesetzt, während in der Umgebung weiterhin von fast jedem nur Plattdeutsch gesprochen wurde. Das Hochdeutsche in Hannover wurde so ausgesprochen, wie die Buchstaben auf dem Papier standen. Das Plattdeutsche ist ja eine separate Sprache und war nicht als Aussprachevorbild geeignet. Anders in Sachsen, wo der dortige Dialekt viel Ähnlichkeit mit der geschriebenen Sprache hatte. Daher sprach man dort das Standarddeutsche mit demselben Tonfall aus wie den Dialekt. Das Hochdeutsche in Hannover ist also verhältnismäßig reine Schriftsprache, weil das Plattdeutsche einfach zu verschieden war. Die Beamten mussten Hochdeutsch wie eine Fremdsprache lernen.

Dein eigener (hochdeutscher) Dialekt hat vermutlich mehr Anteile aus dem Plattdeutschen übernommen, weil auf dem Land und in den kleineren Städten noch sehr viel länger Plattdeutsch die allgemeine Umgangssprache war als in Hannover.

Wertschätzung ggü. Dialekten
Servus,

die parallele Verwendung des örtlichen Dialektes und der Amts- und Kanzelsprache (mit starker Färbung der Laute, übrigens auch in Hannover) und gleichzeitig ein starker Unterschied zwischen den beiden ist nicht allein im Hannöverschen üblich, sondern fast überall in Deutschland. Relativ nah beim Standarddeutschen liegende Dialekte findet man entlang einer Linie, die ungefähr von Aachen nach Görlitz verläuft.

Südlich dieser Linie ist auffallend, daß der örtliche Dialekt ganz anders bewertet wird als im niederdeutschen Sprachraum, wo er lange Zeit als eine minderwertige Dienstboten- und Knechtesprache betrachtet wurde: Was z.B. in Freising, Ulm, Freiburg ganz anders ist.

Ich frage mich, worauf diese unterschiedliche Wertschätzung zurückgeht. Es gibt verschiedene spekulative Deutungen, die aber alle entweder nicht genug oder zu viel erklären. Darunter etwa die besondere Wertschätzung, die der Bibel- und Kanzelsprache in vorherrschend lutherischen und reformierten Regionen entgegengebracht wurde, und auch die forcierte Beseitigung der Dialekte im späten 19. Jahrhundert in den neuen preußischen Provinzen, wo es etwa darum ging, möglichst in Vergessenheit zu bringen, daß es einmal ein Königreich Hannover gegeben hatte.

Aber nichts, was richtig plausibel wäre: Für jede Erklärung gibt es gleichzeitig genügend Gegenbeispiele.

Weißt Du etwas Plausibles zu diesem Thema? Es freut mich, dass wir endlich einmal einen Thread zu dieser Frage - die in ähnlicher Weise öfter mal vorgelegt wurde - haben, der nicht unmittelbar in ein kindisches „Wer spricht das beste Deutsch?“ abrutscht; da wäre es interessant, dem genannten ideologischen Aspekt einmal ein bissel nachzugehen.

Schöne Grüße

MM

1 Like

Man sagt ja in Hannover spricht man das beste Deutsch.

Aber stimmt das?

Dazu gibt es eine ganze Reihe von Threads im Archiv (darin u. a. den Verweis auf http://www.zeit.de/stimmts/2000/200024_stimmts_hannover).

Reden Hannoveraner wirklich so gutes Deutsch und ich fange
regionalbedingt schon an etwas Dialekt zu reden?

Aus der Umgebung von Hannover zu stammen, bedeutet nicht automatisch, lupenreines Hochdeutsch zu sprechen, vgl. http://www.infobitte.de/free/lex/wpdeLex0/online/s/s…

Gruß
Kreszenz

Naja, „gutes Deutsch“ hängt erst einmal nicht vom Dialekt ab. In Hannover spricht man keinen bzw. kaum Dialekt und wenn man so will das reinste Hochdeutsch. Aber gutes Deutsch kann man auch mit Dialekt sprechen.

Servus,

In Hannover spricht man keinen bzw. kaum Dialekt

  • Mk 5,34

Aber gutes Deutsch kann man auch mit Dialekt sprechen.

Nein, nicht gleichzeitig. Deutsch ist Deutsch, und die verschiedenen deutschen Dialekte sind was anderes. Vermutlich meinst Du mit „Dialekt“ solche Sachen wie stimmloses S im Anlaut, die Klangfärbung der Vokale und das Weglassen einzelner Silben. Letztere beiden sind in Hannover ziemlich ausgeprägt abweichend von der Aussprache im Standarddeutschen.

Schöne Grüße

MM

3 Like

Servus, Martin

In Hannover spricht man keinen bzw. kaum Dialekt

  • Mk 5,34

Dafür ein Sternchen.
… und die Hannoveraner (sind das nicht Pferde?), die ich kenne
ham natüüalich n Großteil aller Silm nich ausgesprochn, warn aba alle davon übazeucht,
das reinste Hochdeutsch zu sprechen.
Liebe Grüße
Olgu

Hiho groß O Ponkt,

zum Ausgleich für die unterschlagenen Silben beginnt bereits in Hannover die Vorstellung, das Wort „Berg“ habe zwei Silben. Das wird dann Richtung Nordwesten zunehmend stärker ausgeprägt.

Bonus Track - Schon weit vom Hannöverschen entfernt stammte die Lütte aus dem Wangerland, die allen Ernstes sprach: „Asso ich finde dat sköjn, dass man bai uns nich höat wo wia wechkomm!“

In diesem Sinne

MM

Servus a(uch),

Südlich dieser Linie ist auffallend, daß der örtliche Dialekt
ganz anders bewertet wird als im niederdeutschen Sprachraum,
wo er lange Zeit als eine minderwertige Dienstboten- und
Knechtesprache betrachtet wurde: Was z.B. in Freising, Ulm,
Freiburg ganz anders ist.
Ich frage mich, worauf diese unterschiedliche Wertschätzung
zurückgeht. Es gibt verschiedene spekulative Deutungen, die
aber alle entweder nicht genug oder zu viel erklären. Darunter
etwa die besondere Wertschätzung, die der Bibel- und
Kanzelsprache in vorherrschend lutherischen und reformierten
Regionen entgegengebracht wurde.

Finde ich auch eine interessante Frage, ich kann nur mit eigenen Spekulationen beitragen:

  1. Die oberdeutschen Dialekte sind viel näher an der mitteldeutsch geprägten Bibelsprache Luthers.
  2. Gebildete Leute mit Kontakt zur anderen Regionen müssen früher ja zwangsweise sehr viel flexibler was Dialektverständniss und -akzeptanz betrifft, gewesen sein.

Ich könnte mir also gut vorstellen, dass die Bibelsprache von vielen Menschen im oberdeutschen Raum gar so verschieden von dem empfunden wurde, was man selber sprach, im Gegensatz zum niederdeutschen Sprachraum. Zumal ja auch bis mindestens zum 19. Jhdt. im Bairischen Raum beispielsweise, die Schriftsprache mit starkem „Lokalkolorit“ gelesen (werden kann und) wurde. Daher war vielleicht der allgemeine Gegendruck gegen die oberdeutschen Dialekte schwächer als im Fall der niederdeutschen Dialekte.

So oder ähnlich könnte ich mir das vorstellen.

Gruß
r

Hallo!

Ich meine irgendwo gelesen zu haben, dass in der Hannoverschen Gegend eine Mischsprache namens „Missingsch“ gesprochen wird, ist wohl ähnlich unserem „Honoratiorenschwäbisch“, wenn Dialektsprechende versuchen, Schriftdeutsch zu reden.

Liebe Grüßle
Regina