Harddisk anno 1961

Ich habe da gerade einen alten Artikel, vom 1. März 1961 in die Hand bekommen (Electronic Design 5. März 2001).

Hersteller: Bryant Computer Products eine Tochterfirma der Ex-Cell-O Corp. USA (ist kein Witz!!)

Kapazizät: 3.75 - 77.5 MByte (1-20 Platten)
Max. Zugriffszeit: 167 ms (davon 100ms Kopfpositionierzeit)
Bitdichte: 373 Bits/inch (ca. 10 Bit/mm)
Zylinder: 768/Oberfläche
Diese Festplatte hatte schon Zone-Recording, wie bei den modernen Festplatten wurde auf den äusseren Zylindern mehr Bits aufgezeichnet als auf den Inneren. Die Platte war in 6 Zonen mit je 128 Zylindern aufgeteilt.
Drehzahl: 900 Upm
Schreib/Lese-Köpfe: pro Zone 1 Kopf (also 6/Oberfäche. Die 20 Platten-Version hatte also 240 Köpfe !)
Es wurden schon aerodynamisch „fliegende“ Köpfe verwendet, mit einer Flughöhe von 0.0127 mm.
Kopfumschaltung: elektronisch
Spurabstand: 1.27 mm
Kopf-Positioniergenaugkeit: 0.0254 mm
Datenrate: 21.75 kByte/s (innerste Zone) bis 53.875 kByte/s (äusserste Zone).

Jetzt kommen die interresanten Daten:

Kopfantrieb: Hydraulisch !!!
Plattendurchmesser: 39 inch = 99.06 cm (fast 1 Meter Durchmesser !!!)
Abmessungen (LxBxH): 1.27 x 1 x 1.52 Meter !!! (passt wohl nicht in einen LapTop)
Gewicht: 770 kg
Preise:
Model 4010 ( 1 Disk, 3.75 MB) $ 41’000.-- / $ 32’000.-- (1/10er Preis)
Model 4200 (20 Disk, 77.5 MB) $140’000.-- / $ 110’000.-- (1/10er Preis)
Lieferzeit: 6 bis 9 Monate

Hallo Peter,

dieses gewaltige Teil war nur der Speicher! Zur Datenverarbeitung standen Röhren zur Verfügung. Das gesamte Drumherum erforderte noch mehr Volumen und Gewicht.

Aus dem Vorwort eines Röhrenhandbuches von 1957 der C. Lorenz Aktiengesellschaft:
„Aus Gründen einer strengen Zusammenfassung dieser Auflage werden nur die neuesten Röhrentypen behandelt. Auf die Bekanntgabe technischer Daten von Transistoren, Kristalldioden … haben wir verzichtet.“

Noch 1970 paßten die Daten des gesamten Produktionsspektrums der Firma Valvo an Empfängerröhren, Bildröhren, Senderöhren, diskreten Halbleiterbauelementen und integrierten Schaltungen in ein einziges Handbuch im Format A6 mit 430 Seiten, davon 260 Seiten für Röhren und der kleinere Rest für das Halbleitergebiet.

Eine irrsinnig stürmische Entwicklung bis zum IBM XT mit einer Festplatte von immerhin 10 MB. Probleme gab’s damit keine, es reichte vollkommen. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte der Monitor so ungefähr 12" Schirm-Diagonale.
Und dann 1988 mein erster „richtiger“ PC, ein Victor 286 mit 2 Festplatten à 20 MB. Für die über 8.000 DM, die er einschl. 14"-Farbmonitor kostete, mußte ein Ingenieur schon richtig lange sparen. Der Prozessor wurde mit 4 MHz getaktet. Auf der Gehäuserückseite gab’s einen Schalter, um die Turbo-Betriebsart einzuschalten - 8 MHz Taktfrequenz! Auf dem Teil lief jahrelang die Buchhaltung, wurde die gesamte Firmenkorrespondenz geschrieben und auf Eagle 2.0 unter DOS Leiterplatten entwickelt. Gedruckt wurde mit einem IBM-Nadeldrucker und wenn es besonders hübsch werden sollte, auf einem Tintenstrahldrucker HP 500. Das Teil kostete 2.700 DM und jede Schriftkassette soviel wie inzwischen ein kompletter Laserdrucker.

Und heute erzählt mir ein Verkäufer im Media-Markt (Typ schlaksiger Abiturient mit Pickelgesicht und Handy am Gürtel), daß ein 300 MHz Pentium gerade mal noch als Schreibmaschine taugt, wenn die Ansprüche nicht zu hoch sind.

Gruß
Wolfgang

Als ich damals EDV-Unterricht hatte, war im Nebenzimmer des Computerraums eine besonders ulkige Festplatte: Eine Art „Nierentisch“ mit „Käseglocke“ (Plastikhaube) durch die man die einzelnen platten sehen konnte und unten drann drei ca. 20 cm lange stelzen. Das Ding sah derart antiquiert aus, dass ich kaum glauben konnte, dass es so etwas überhaupt gab, denn selbst die Magnetband-Schränke sahen wesentlich moderener aus… :wink:

Hallo,
das sind jetzt 40 Jahre. Wenn man diese Nierentisch-Festplatte mit einem XT aus 1981 vergleicht, kommt der einem richtig modern vor. 2001 - weitere 20 jahre danach ist ein normaler Computer millionenfach schneller und kostet „nichts“ mehr. 2021 - damit also 60 Jahre später ist ein „einfacher“ Computer gar nicht mehr als solcher zu erkennen. Selbst ein ‚antiker‘ PC aus 2001 konnte Rechenoperationen in einer Sekunde durchführen, die auf dem '61er wohl bis 2001 gedauert hätten.

Ich bin 1960 geboren; kenne daher die Nierentische nicht mal mehr aus dem Museum. Mein erster Business-PC war ein XT mit 640 Kilobytes Hauptspeicher und einer 30 Megabytes Festplatte bei 4.77 Megahertz. Jeder einzelne Parameter ist heute mindestens um den Faktor 1000 höher.

Im Studium programmierte ich ein 8085 Prozessorsystem. Ich hatte 1024 Bytes zur Verfügung. (Ohne Kilo- Mega- oder so) Man geizte mit jedem Byte. Die Post-DOS-Ära (primär Microsoft Windows Versionen 3 bis 95) scherten sich nicht um ein paar hundert Kilobytes mehr oder weniger. Gewiss, Spracherkennung steckte damals und auch in den Neunzigern noch in den Kinderschuhen. Ein 80486 oder 80586 mit 24 oder auch 60 Megabytes RAM und rund 100 MHz schafft das nur rudimentär.

Trotzdem: Ohne Zuse und Nierentische und XTs etc. hätten wir keine Handy-PCs und dergleichen mehr.

Computer sind Segen und Fluch gleichermaßen. Erst nach 2000 erkannte man die Möglichkeiten, die diese Geräte bieten und die Arbeitswelt (1990…2010) veränderte sich - wie bekannt - in der Elektronischen Revolution des beginnenden 3. Jahrtausends.

Happy Computing!

P.S.: Mein Schwager (geb. 1971) erwarb kürzlich auf dem Flohmarkt für 10 Euro einen voll funktionsfähigen Commodore SX-64, der 1981 für 4000 Euro (oder Marks) verkauft wurde. Größe: ca. 50x50x20 cm

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