Sicherheit = garantierte, bedingungslose Grundsicherung/Grundeinkommen
Anreiz = bis zu einer relative hohen Höhe ist jeder dazu verdiente Euro ein echter Zuverdienst, weil er nicht auf die Grundsicherung angerechnet wird
Wenn das Beenden dieses dämlichen Hartz IV gegen den Widerstand von CDU/CSU und SPD, sowie der Einstieg in die Idee Grundeinkommen, nichts Großes ist, dann weiß ich auch nicht.
In welchem Stein ist diese unbedingte Pflicht zur Selbstversorgung denn gemeißelt?
Und gilt sie, nebenbei, auch für die Hummerschwanzlutscherfraktion der ganzen Erben, die von ihren Renditen leben?
Ich glaube nicht, dass es so viele Menschen gibt, die sich dauerhaft damit zufrieden geben, nur ihre Grundbedürfnisse befriedigt zu bekommen.
Von denen, die das dauerhaft tun würden, dürften die meisten das jetzt, trotz der ganzen Sanktionen, auch schon tun (wie du unten richtig anführst) z.B. weil ihnen ihr Suchtprobleme oder ihre Neuröschen im Weg stehen. Gesamtgesellschaftlich ist das, zugegeben, eher unschön.
Dass man sich dagegen temporär problemlos auf diese Grundbedürfnis-Sicherungs-Ebene zurückziehen kann, das halte ich gesellschaftlich für wünschenswert.
Gut, du wählst die Grünen ja eh nicht.
Für dich ist der Vorschlag nicht gemacht.
… und was soll er ausgerechnet dort lernen, der Habeck?
Dass dieses Anreiz-per-Sanktion von Hartz IV nicht wirklich funktioniert?
Das sagt er ja selbst.
Hartz IV wurde eingeführt als ein System des Förderns und Forderns. Das mit dem Fordern klappt auch ganz gut, siehe Sanktionen, das mit dem Fördern aber überhaupt nicht. Wer Menschen mit 20-jähriger Berufserfahrung im Personalbereich in eine Maßnahme steckt, in der sie lernen sollen, wie man Bewerbungen schreibt beweist, dass es nur darum geht, die Statistik schön zu rechnen. Also sollten mMn zuerst einmal die Förderungen überdacht und verbessert werden, bevor man über die Abschaffung nachdenkt. Dann, das steht auch im Cicero-Artikel, sollte irgendein schlauer Mensch mal dahinter kommen, dass es sich wirklich in den unteren Lohngruppen schlichtweg nicht rechnet, arbeiten zu gehen. Warum also sollten die Leute das tun? Vielleicht kann man ja da was gegen tun, auch wenn die Wirtschaft sofort losschreien wird, dass das hunderttausende, wenn nicht Millionen Arbeitsplätze kostet. Und schließlich und endlich wird das alles nichts nützen, um ALLE aus Hartz IV wegzubringen. Es wird immer welche geben, die nicht können oder nicht wollen. Das muss man einfach akzeptieren.
Das ist m.W. die aktuelle SPD-Mehrheitshaltung dazu, die die Sanktionen entschärfen, aber beibehalten will, die das Fördern verbessern will, und die Hartz IV als solches nur reformiert, aber dem Grundsatz nach bewahren will.
Ich finde das falsch, weil a) auch das Fordern nicht klappt: es gibt auch unter Hartz IV einen Prozentsatz von Menschen, bei denen Fordern ins Leere läuft (bei vielen nur temporär, bei manchen grundsätzlich), und dann zur Karikatur wird, die den Staat als „Volldepp“ vorführt und zum „Gegner“ der eigenen Bevölkerung macht.
… und weil b) sich der Staat natürlich nicht mit „Fordern“ aus dem Leben der Menschen raushalten kann, aber für den Bereich des sozialen Existenzminimums kann er es und soll er es schon.
Auch das sehe ich genau anders herum.
Warum nicht einen Existenzminimum-Minimalsockel an Transferleistungen schaffen, der a) das Überleben sichert und b) auf den Einkommen (bis zu einem relativen hohen Betrag) nicht angerechnet wird, so dass dieses Einkommen tatsächlich ein „Mehr“ ist und so auch im Niedriglohnsektorbereich ausreichend Anreiz-Funktion hat?
Wir sind keine Industriegesellschaft (mit starker Sozialdemokratie, starken Gewerkschaften, vorgegebenen Normalarbeitsbiographien, starken Gesetz zum Schutz der Arbeiter usw.) mehr, wir sind eine flexible Dienstleistungsgesellschaft geworden. Ist halt so und ist nicht zurückdrehbar. Eine Dienstleistungsgesellschaft muss man staatlich schon sehr stark regulieren, um ihr den Niedriglohnbereich auszutreiben. Das würde ich weder für volkswirtschaftlich noch für gesellschaftlich sinnvoll halten.
Die Erben versorgen sich über ihr Erbe bzw. dessen Rendite, falls es ein entsprechendes Häufchen ist.
Die Pflicht zur Selbstversorgung ergibt sich bereits aus dem „Gesellschaftsvertrag“ in jeder funktionsfähigen Gesellschaft, die Fortbestand mit einem gewissen Maß an Sozialstandards haben möchte. Wir (Gesellschaft) könnten diesen Vertrag auch aufkündigen und die Arbeitsunwilligen einfach verhungern lassen.
Es reicht doch bereits, wenn eine ausreichend große Menge es über einen ausreichend langen Zeitraum macht, um eine erhebliche Schieflage in Einnahmen und Ausgaben der öfftl. Hand zu bringen. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeiten, in denen man zwei Jahre Arbeitslosengeld bekam und nicht wenige aus dem weiteren "Bekannten"kreis in der Kleinstadt, in der jeder irgendwie jeden kannte, haben ohne jedes Interesse an der Selbstversorgung die Gemeinschaft auf diesem Wege geschröpft.
Das halte ich dann für wünschenswert, wenn man diese Zeit nutzt, um wieder in Arbeit zu kommen. Alles andere (Selbstfindung etc.) soll man gefälligst machen, wenn man es sich leisten kann oder Freizeit hat. Dies gilt natürlich nur für Arbeitsfähige.
Dass es völlig unsinnig ist, die nachhaltig Unwilligen auch noch durch Sanktionsfreiheit zu belohnen und sich so ihre Prekariatssituation nur noch mehr verfestigt.
Aber Habeck soll nur weitermachen mit seinem Vorschlag. Das könnte sich sehr schnell zum Veggie-Day-Momentum entwickeln.
rückblickend, das war auch der grundgedanke des „förderns“.
nebenbei noch mit einer überforderten - näher betrachtet wirtschaftsmarkt-netzwerkbefreiten, ungeschulten und unterbesetzten - agentur minderqualifizierte und unterbezahlte „jobangebote“ ausstellen und vermitteln zu lassen.
es war das „konjunkturfördernde“ programm mit ziel und ergebnis niedriglohnsektor.
die überlegungen zu ziel und ergebnis beginnen in der politik langsam zu reifen.
Ja, eben.
„Selbstversorgung“ würde ich das auch nicht nennen
Könnten wir, aber das wäre aus meiner Sicht dumm.
Nicht nur „unmenschlich“ usw., sondern auch wirklich dumm im Sinne von unklug, weil ein funktionierender Sozialstaat viele positive Wirkungen auch für die hat, die nicht auf direkte Weise seine Segnungen genießen.
Aber das geht jetzt zu sehr ins Grundsätzliche.
Stimmt.
Man muss aber nicht unüberprüft davon ausgehen, dass das bei einem Modell wie dem, das Habeck vorschlägt, so sein würde. Ich glaube das keineswegs.
Zumal man das insbesondere mit der Höhe der Transfers flexibel steuern kann.
Das sind aber vermutlich zu zwei Dritteln Rentenleistungen, die ich nicht wirklich unter „Soziales“ abbuchen würde.
Ist aber schon klar, dass Habecks Modell den Transfer-Umfang vergrößern würde.
Ich hab nicht an eitle „Selbstfindung“ gedacht, aber auch nicht nur rein an „wieder in Arbeit kommen“, sondern an die vielen Dinge dazwischen.
Aber genauso unsinnig ist es, sie durch Sanktion zu bestrafen, wenn sie ihr Verhalten doch nicht ändern dadurch. Das ist dann kein Strafen, sondern sadistisches Quälen
Diese permanent „Unwilligen“ sind doch, wenn wir ehrlich sind, größtenteils „Unfähige“. Solche Gruppen gibts auch in Ländern ohne Sozialstaat, da hängen sie halt auf den Straßen oder in der Kleinkriminalität rum.
Das glaub ich deshalb nicht, weil Hartz IV ein klassisches Thema ist, das auch außerhalb der typischen Grünwähler Bedeutung hat, und zudem Habecks Vorschlag nichts mit diesem typischen pädagogisierenden Gestus der Grünen zu tun hat.
Es ist ja kein Zufall, dass der Vorschlag jetzt kommt, zu einem Zeitpunkt, an dem die Grünen erkennbar die Lücken schließen wollen, die sowohl die SPD lässt als auch die CDU künftig vielleicht im Zuge ihrer Entmerkelisierung lassen wird.
So what? Wie gesagt, ALLE werden wir nie in Arbeit bringen können. Also nehmen wir den „Bodensatz“ (man verzeihe mir den Ausdruck) und lassen sie einfach links liegen, sprich, sie kriegen ihre Stütze, mehr aber auch nicht. Vor allem keine Unterstützung bei Jobsuche oder Qualifizierung. die Leute m Jobcenter können ihre Arbeitskraft sinnvoller verbringen.
Weil es nicht Aufgabe des Staates sein kann, Unternehmen zu subventionieren, nur weil die nicht willens sind, anständige Löhne zu bezahlen.
Ganz klar, das ist ein Problem, darum gehts aus meiner Sicht aber nicht nur.
Es gibt Arbeitsmarktsegmente, bei denen eine hohe Entlohnung einfach nicht drin ist, die aber gesellschaftlich sinnvoll und wichtig wären. Z.B. Betreuungsleistungen oder auch Tätigkeiten im Umweltschutz oder allgemein im Sozialbereich. Da hat der Niedriglohnsektor einfach seine Berechtigung. Wenn der auf ein Grundsicherungs-/einkommen gestellt wird wie bei Habecks Vorschlag spricht m.E. wenig dagegen, dass es ihn gibt.
Zudem hat eine gute Grundsicherungs-/einkommens-Basis eine Dekommodifizierungsfunktion, d.h. sie verringert den Zwang auf die Menschen, jeden Scheißjob anzunehmen. Das erzeugt auf dem Niedriglohn-Arbeitsmarkt zwar vielleicht nicht unbedingt höhere Löhne, aber bessere Arbeitsbedingungen, mehr als sinnhaft erlebbare Tätigkeiten usw.
Hartz IV dagegen ist der (ebenfalls „subventionierte“) Zwang, jeden Scheißjob anzunehmen.
Wenn schon „Subventionierung“, dann wenigstens eine, die einen „guten“ Einfluss auf den Arbeitsmarkt nimmt.
Ja, eben. Deswegen ist es auch nötig, dass der Sozialstaat funktionsfähig bleibt und der Gesellschaftsvertrag „Hilfe dann, wenn nötig, nicht aber nur auf reinen Wunsch“ finanzierbar bleibt.
Das ist soweit richtig. Wo denn, wenn nicht über „Soziales“? Sicher nicht bei Verteidigung oder Forschung.
Da müsstest Du aber schon konkreter werden. Denn solche Sachen wir Erziehung/Pflege Angehöriger finden - soweit ich es überblicke - ausreichend Berücksichtigung.
Ich finde die Sanktionen richtig, weil sie wenigstens Schwankende beeindrucken kann. Und man muss wirklich nachhaltig Bolzen drehen, bevor eine Sanktion wirklich ernst wird. Bis hin zur alleinigen Ausgabe von Gutscheinen für den Einkauf von Lebensmitteln.
Hartz4 als Thema ist schon sehr lange bei der Linkspartei ein Dauerthema. Nur weil Nahles (in purer Umfragepanik) und Habeck (zur Stärkung des Sozialprofils der Grünen) das aufgekocht haben, sind weder die Vorschläge an sich sinnvoll, noch gegenfinanziert oder ein Bringer bei Wahlen. Ich glaube eher, dass sie auf längere Sicht zerpflückt werden. Und erst recht nicht zu signifikant besseren Wahlergebnissen für R2G in den entsprechenden Milieus führen.
Gruß
vdmaster
P.S.: Den nächsten Showdown an der Urne gibt es in 05/2019. „Linke“ Parteien werden erhebliche Verluste in der EU einfahren, Rechte in weiter Breite werden hinzugewinnen. Die Mittigen Rechten werden tendenziell etwas zulegen. Kann sein, dass die dt. Grünen abräumen (auf Kosten der SPD), aber insgesamt wird grün absacken (Ausnahme Niederlande).
Finanzierbar und funktionsfähig muss das natürlich sein.
Eine Sozialstaat/Wohlfahrtsstaat ist für mein Empfinden aber keine „Hilfe“, sondern ein permanentes Sicherheitsnetz. Was davon „funktionsfähig“ und was reine Utopie ist, hängt nicht von der Entscheidung „Hilfe“ oder „Sicherheitsnetz“ ab, sondern von den entsprechenden Zahlungsströmen. Und zwar komplex mit allen Wirkungen auf die Volkswirtschaft usw., so dass das mehr mit dem jeweiligen Modell zu tun hat als nur mit der Höhe der Sozialleistung selbst.
Ist ja wurscht, wo es offiziell verbucht wird, in meinem Kopf jedenfalls eher unter „Versicherungsleistung“ als unter „Sozialleistung“.
Ich denke, mit der Prognose dürftest du ziemlich richtig liegen.
Die Europawahl 2019 ist aber sicher nicht die entscheidende Bezugsgröße für die Hartz-Debatte.
Achja? Für mich ist das wie einen arbeitslosen Mario Götze in eine Maßnahme stecken, in der er Ballbehandlung lernen soll. Das ist ohne jeden Sinn und Verstand, Hauptsache 6 Wochen raus aus der Statistik. Den Götze bringt das genau gar nichts. Das Fördern funktioniert so gut wie überhaupt nicht, weil es nicht darauf ausgelegt wird, den Leuten etwas beizubringen, mit dessen Hilfe sie sich bei der Jobsuche leichter tun.