Hallo!
Habeck hat ein Papier zur Abschaffung von Hartz IV auf die HP der Grünen gestellt.
Aus meiner Sicht enthält es diskussionswürdige Ansätze, von denen ich einige zusammenfasse, weil vermutlich nicht viele den ganzen Text Habecks lesen wollen:
Um eins vorweg zu nehmen, weil ich diesen Sermon schon höre: Sämtliche Themen zum Komplex „Einwanderung ins deutsche Sozialnetz“ hat er ausgespart. Die würden sich in seinem Modell wohl noch stärker stellen als jetzt, weshalb es dafür Lösungen braucht.
Das soll aber nicht Thema dieses Threads sein.
Ich zitiere Habeck bzw. fasse zusammen:
Die zentralen Elemente eines neuen Garantiesystems sind:
• Anreiz statt Bestrafung
• Die Höhe der Garantiesicherung muss existenzsichernd sein
• Der Zuverdienst wird attraktiver, damit Menschen von ihrer Arbeit wirklich profitieren
• Das Schonvermögen wird deutlich angehoben.
• Die Zahlungen erfolgen bedingungslos, aber bedarfsgeprüft.
• Bündelung aller existenzsichernden Leistungen
Deshalb wollen wir nicht nur die Sanktionen streichen, sondern die Garantiesicherung bedingungslos machen … Damit schlagen wir eine Brücke zwischen den Befürwortern von Grundsicherung und Grundeinkommen. Nach wie vor gibt es eine Antragsstellung und die Bedürftigkeit muss nachgewiesen werden (Einkommens-/ Vermögenssituation), so dass nur jene, die es brauchen eine Garantiesicherung bekommen. Gleichzeitig aber entfällt mit dem Zwang zur Arbeitsaufnahme das wesentliche Element von Hartz IV, die Gängelung. So ist das System bedingungslos und bedarfsgerecht zugleich
[Sämtliche] Sozialleistungen [d.h. nicht individuelle Ansprüche wie Elterngeld, Rente usw.], die das Existenzminimum garantieren sollen, wollen wir in einer transparenten, einfachen und verlässlichen Leistung zusammenfassen. Ein noch weitergehender Vereinfachungsschritt wäre es, die einheitliche Garantiesicherung auch mit der Einkommensteuer in ein einheitliches Steuer- und Transfersystem (negative Einkommensteuer) zu überführen.
Durch die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen – Wegfall der Arbeitspflichten, Aufhebung des Status als nachgelagerte Leistung, Überführung der existenzsichernden Leistungen in eine einheitliche Garantiesicherung [d.h. Ent-Individualisierung Pauschalisierung der Berechnung] und langfristig auch die Individualisierung – entfällt ein großer Teil der Bürokratie automatisch …
[Individualisierung der Berechtigung:]
- Das Nebeneinander von Kinderregelsätzen, Kindergeld und Kinderfreibetrag sollte deshalb mittelfristig durch eine Kindergrundsicherung ersetzt werden.
- Zudem darf die Höhe der Garantiesicherung nicht davon abhängen, in welcher Haushaltskonstellation man lebt.
Durch die Garantiesicherung, die ihr Einkommen ergänzt, steigt ihr Nettoeinkommen hingegen spürbar. Es erhöht auch den finanziellen Abstand[sgebot] zwischen jenen, die nur von Garantiesicherung leben und jenen, die zusätzlich arbeiten. Wir tun dies weil wir es für ein Gebot der Gerechtigkeit halten, dass Leistung sich lohnt
Weil derzeit die Einkommen im unteren Lohnbereich so gering sind, würden nach unserem System auch Menschen mit kleineren bis mittleren Einkommen einen ergänzenden Anspruch [vermehrtes „Aufstocken“] zu ihrem Erwerbseinkommen erhalten.
Was gibts zu sagen?
Ich finde, es wäre ein falscher Reflex, das allzu sehr als „linkes“ Modell zu betrachten (à la „die Grünen wollen die SPD damit links überholen“):
- Dinge wie z.B. die „negative Einkommenssteuer“ sind urliberale Ideen (Milton Friedman hat das beispielsweise propagiert).
- Der Einkommensabstand zwischen Arbeitenden und reinen Transferempfängern soll erhöht werden, dadurch dass mehr „aufgestockt“ und weniger „angerechnet“ wird. Ein urliberaler Gedanke.
- Es soll pauschalisiert (weniger Bürokratie) und stärker individualisiert (das Individuum als Bezugsgröße). Auch das sind liberale Kerngedanken.
Interessant ist natürlich auch die strategische Entscheidung der Grünen, mit der Hartz-IV-Diskussion die SPD (die diese Diskussion nicht führen kann, weil sie Hartz IV selbst verbrochen hat) zu einem Zeitpunkt zentral angreifen zu wollen, an dem es denkbar scheint (auch durch einen zu erwartbaren leichten „Rechtsruck“ der CDU aus der Mitte) zur Mitte-Links-Volkspartei zu werden.
Gruß
F.