Hat das Wohnumfeld Einfluss auf unser Verhalten ?

Liebe Wissenden,

ich bin kurz vor’m Verzweifeln … ich bin vor zwei Jahren nach Essen - Katernberg gezogen, weil ich aufgrund meines Studienbeginns schnell und günstig eine Wohnung brauchte. Damals wusste ich nicht, dass ich in einen sozialen Brennpunkt ziehe. Mein jetziger Vermieter hatte mich vom Bahnhof abgeholt und ich habe so im wesentlichen nichts von den „schlechten Ecken“ gesehen. 

Bei der Besichtigung war ich ganz begeistert, weil die Straße hier sehr ruhig ist, nur kleine Mehrfamlienhäuser oder Einfamilienhäuser im Umkreis stehen und weil es hier sehr viel „Grün“ gibt.

Das Erwachen kam, als ich nach meinem Einzug ausgiebigere Erkundungstouren gestartet habe und in richtig böse Ecken gekommen bin. Dreck, Müll, abgemeldete Schrottautos, Gestank, düstere Gestalten. Auch wenn ich damals schon bedient war, gab ich der Gegend hier eine Chance und begegnete jedem mit dem gehörenden Respekt und Freundlichkeit.

Im Laufe der Zeit, nahme die Probleme leider zu. Ich merkte schnell, dass abendliche Heimfahrten mit der U-Bahn nicht ungefährlich waren und sich abends eine Klientel auf den Straßen und in den U - und Straßenbahnen rumtrieb, die man besser mied.

Klar gibt es hier auch genügend „normale“ Menschen, aber je länger ich hier wohne, desto mehr merke ich, dass der hiesige Menschenschlag deutlich schwerer zu handlen ist, als in „besseren“ Gegenden. 
Nachdem ich mit so einigen Experten hier sehr spezielle Zusammenstöße hatte, bin ich von Tag zu Tag genervter von diesem Viertel. 

Wenn ich z.b. zum Einkaufen muss, zur Uni fahre oder einfach mal in die Stadt fahre, um mich mit Freunden zu treffen, sehe ich immer diese Menschen, deren Lebensinhalt es zu sein scheint, am Monatsanfang ihren Alkoholvorrat aufzufüllen, Jugendliche, die sich auf den Straßem rumtreiben, anstatt zur Schule zu gehen und 15.16 jährige Mädels, die Kinderwagen vor sich her schieben.

Ich habe manchmal Angst, dass diese Mentalität auf mich abfärbt und ich ein ähnliches Verhalten gegenüber meinen Mitmenschen anstrebe.
Ferner wird man hier als Student von so Manchem richtig derb angegangen und hat das Gefühl, sich bei fremden Menschen für sein Studium entschuldigen zu müssen. 

Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht ? Was kann ich noch tun, außer eine neue Wohnung zu suchen ?

Hallo,

Was kann ich noch
tun, außer eine neue Wohnung zu suchen ?

Verständnis entwickeln. Das die „15 jährigen Mütter“ wahrscheinlich selber 30 jährige Mütter haben. Das ihre Väter und Männer immer schon Montags ihren Alkoholvorrat aufgefüllt haben.
Dankbar sein das Du priveligiert bist. Froh sein, das die Gleichaltrigen in Deinem Umfeld nicht alle studieren können und Dir vielleicht dann den Platz weggenommen hätten.
Wieso sollten diese Leute anders über Dich denken, als Du über sie - mit Verachtung?

Grüße
K.

Servus Abschaum
Ich frage mich, warum Du gerade diesen Nickname gewählt hast, wo Du doch allem Anschein nach gerade so ein ähnliches Problem mit deinem Umfeld hast.
Es grüßt dich
Branden

runter von der straße
Hallo,

schnell und günstig eine Wohnung

und

Mein jetziger Vermieter hatte mich vom Bahnhof abgeholt

sprechen nicht für begehrte Lagen. Wenn Du nur billig studieren willst, wirst Du weder dort heimisch, noch hast Du viel mit den Leuten auf der Straße gemein. Die Einheimischen Deiner Couleur werden ihre Gründe haben, sich nicht auf der Straße rumzutreiben. Es bleiben Dir quasi nur die anderen Studenten in der Gegend. So ählich wie der Bekanntenkreis von Studenten im Ausland meist überproportional aus anderen ausländischen Studenten besteht.

O.T. Bei uns hier ist eigentlich größte Ordnung das Erkennungsmerkmal solcher Gegenden: Kein Spielzeug, kein Fahrrad, keine vergessenen Dinge vor oder hinter dem Haus.

Ich habe manchmal Angst, dass diese Mentalität auf mich abfärbt und ich ein ähnliches Verhalten gegenüber meinen Mitmenschen anstrebe.

Dein Nick könnte ein Indiz für eine ungute Entwicklung sein.

Ferner wird man hier als Student von so Manchem richtig derb angegangen und hat das Gefühl, sich bei fremden Menschen für sein Studium entschuldigen zu müssen. 

So blöd das klingt: Manchmal kann man sich fragen, woher die das überhaupt wissen. Und immer kann man sich fragen, was man dem Gegenüber positives bringt (aus dessen Sicht). Ein Student (Mensch) mit dem Herz am Rechten Fleck, wird in jeder Gegend willkommen sein. Die Frage ist eher, ob es Dir etwas bedeutet.

Gruß
achs

Hallo Gerrit,

erstmal danke ich dir für deine Antwort. Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mich als Neuling in einer fremden Stadt/Gegend entsprechend zu verhalten habe. Es liegt mir auch denkbar fern, andere Menschen aus irgendeinem Grund zu verachten. Ich begegne jedem Menschen grundsätzlich erstmal völlig unvoreingenommen. Umgangsformen sind für mich so selbstverständlich, wie ich auch meine Hilfe anbiete, wo Hilfe gebraucht wird.
Kurz nach dem Beginn meines Studiums, habe ich von vielen Leuten gehört, was man sich über den Essener Norden so erzählt. Trotzdem habe ich mir meinen eigenen Eindruck von den Menschen und der Umgebung gemacht.
Es gibt ja auch nicht nur schlechte Ecken hier im Norden. Hier findet man auch durchaus nette Menschen und gepflegte Gegenden. Allerdings sind die Kontraste hier so extrem, wie nirgendwo anders. Gerade die hohe Kriminalität in diesen Bezirken ist nicht von der Hand zu weisen.

Meiner Meinung nach können die Leute hier tun und lassen, was sie wollen. So lange sich das Verhalten anderer Menschen nicht auf mich auswirkt, ist es mir egal.

Nichtsdestotrotz gibt es Grenzen. Wenn man z.B. wegen eines falschen Blickes gleich aggressiv angegangen wird, wenn Menschen kein Bitte und Danke kennen, wenn es Individuen gibt, die denken, in „ihrer“ Gegend würde die Anarchie gelten, dann ist bei mir auch irgendwann der Ofen aus.

LG

Flo

Hallo Klaus,

danke für deine Antwort. Ich begegne keinem Menschen mit Verachtung. Ganz im Gegenteil…Ich bin in der Regel bemüht, harmonisch mit meinem Umfeld zusammenleben zu können. Mir ist auch klar, dass nicht jeder Mensch studieren kann, was auch gar nicht das Thema ist. Ich verstehe nur nicht, dass es in einem Stadtbezirk haufenweise junge Mütter ohne Schulabschluss und ohne Ausbildung gibt, für die in den meisten Fällen das (Arbeits-)leben gelaufen ist. Wenn ich doch solche Menschen auf der Straße sehe oder in der Nachbarschaft habe, dann versuche ich doch für mich selbst, mehr zu erreichen. Nur hier scheint das komplette Gegenteil der Fall zu sein.
Man kann sicherlich auch der Politik eine Teilschuld zusprechen, weil sie es zugelassen hat, dass gleich mehrere Stadtbezirke derartig abgleiten und sich eine derartige Szene bilden kann.

Lg

Hi Branden,

der Nickname ist nicht ganz so ernst zu nehmen ;). Er spielt nur auf meine Wohngegend und die damit verbundenen Vorurteile an.

lg

Hallo,

Du machst die Erfahrung von Integrationsproblemen einer aus einer höheren Sozial- und Bildungsschicht kommenden Person in einem Wohnviertel einer deutlich niedrigeren Sozial- und Bildungsschicht. (Sub)"kultur"schock. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse stehen die Chancen nicht so gut, daß sich die Mehrheit stark auf Deine Position hin ändert. In Deinem näheren Umfeld kann es bei konsequent beharrendem Verhalten Deinerseits zu Toleranz und Akzeptanz kommen, falls der Höhepunkt des Aufeinanderprallens hinter euch liegt (auf dem Höhepunkt kann es durchaus zu aggressiven Handlungen kommen).

Inwieweit Du das aushältst und auszuhalten bereit bist, mußt Du entscheiden.

Beste Grüße

Oliver

Hallo Oliver !

Als Subkulturschock kann man es wirklich bezeichnen. Ich kannte Essen vor meinem Umzug nicht so gut und schon gar nicht den Stadtbezirk, wo ich die Wohnung besichtigte. Auch wenn ich mich wirklich versucht habe bis zu einem gewissen Maß zu integrieren, musste ich feststellen, dass die Leute hier häufig eine ganz andere Denkweise haben. Gespräche gestalten sich manchmal äußerst schwierig und so manche Konfrontation verlief … sagen wir mal… suboptimal. Anfangs war mein Durchhaltevermögen kaum zu brechen und ich war fest davon überzeugt, dass ich diese Differenzen irgendwann legen.

Leider ist es inzwischen einfach nur noch nervig. Ich bin mittlerweile an einem Punkt, wo ich einfach nur noch hier weg will. Für mich steht fest, dass ich meinen Bachelor noch in Essen mache und anschließend nach Hamburg ziehe. Diesmal werde ich mich allerdings ganz genau über die Stadtteile und die Gegenden informieren und ein bisschen mehr Geld für die Miete einplanen :wink:

Inwieweit Du das aushältst und auszuhalten bereit bist, mußt
Du entscheiden.

Hallo,

wenn Abschaum auf Lehramt studiert könnte es auf eine Pensionierung mit 42 hinauslaufen …

Ich kenne (leider) so einen Fall.

Gruß

vV

Moin Abschaum,

evtl. überschätzt du die „Gefährlichkeit“ deiner neuen Umgebung. Alkoholiker sind meistens froh wenn man sie in ruhe lässt. Eine junge Mutter ist gewiss froh über ein netter Gruss mit Blickkontakt, von einer „Gebildeten“.

Du wohnst nun mal da, weil „billig“ und du bist es der sich zusammenreissen muss und als „Neuling“ diese Leute zu acceptieren hast. Ohne angst oder Verachtung, aber auch ohne dich anzubiedern, ohne denen zu zeigen, dass du dich ihnen überlegen fühlst. Bleib dich selber.
Möglicherweise sind deine neue Mitbürger gar froh, wenn eine „mehr Bessere“ sie freundlich grüsst und ab und zu ein kleiner Schwatz hält. Evtl. kannst du gar ein bisschen ein Beispiel werden für irgendwelche Jugendliche, dass es man auch „anders“ leben kann.

Gruss: Gerrit

Gruss: Gerrit

Hallo,

dann kann ich gut verstehen, daß Du umziehen möchtest, insbesondere wenn Du Dich dieses Mal gut informieren möchtest, bevor Du Dich entscheidest. Damit kannst Du sicherlich schon einige Schwierigkeiten im Vorfeld vermeiden, auch wenn dadurch die Suche wahrscheinlich länger dauern wird. Und hey, Hamburg ist eine schöne Stadt. :smiley:

Beste Grüße

Oliver

Ja, du versuchst es für dich selbst.

Wenn du jedoch nicht du wärst, sondern in diesem Viertel aufgewachsen wärst und deine Eltern ebenfalls solche Menschen wären, dann wäre die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du dich angepasst hättest. Denn in eine andere Schicht zu kommen würde dir vermutlich sowieso nicht gelingen, da du die Verhaltenscodex nicht kennen und beherrschen würdest (woher auch?), und selbst wenn du einen guten Beruf hättest, würdest du dir da immer irgendwie fremd vorkommen und immer wieder in Fettnäpfchen treten. Keine angenehme Situation. -

Und außerdem: Angenommen, du würdest es doch schaffen, wie würdest du dir dann das Verhältnis zu den Freunden deiner Kindheit und deinen Verwandten vorstellen? Würdest du die Kontakte völlig abbrechen wollen? Oder doch immer wieder da hineingezogen werden? - Also würdest du vermutlich den sichereren Weg nehmen und dich genau so verhalten wie alle anderen.

Da du aber nicht da aufgewachsen bist und auch nicht solche Eltern hast, bist du persönlich natürlich kaum gefährdet, dass diese Mentalität ernsthaft auf dich abfärben könnte.

Dein Studium solltest du nicht unbedingt erwähnen, falls es sich vermeiden lässt. Die Leute wissen, dass sie bei Studierten nicht gut angesehen sind, und haben deswegen Aggressionen auf Studierte, und es könnte auch der Neid eine Rolle spielen.