Hallo,
dieses Gemälde auf Leinwand (vermutlich Ölfarben) ist seit etwa 100 Jahren im Besitz meiner Familie, also mindestens so alt. Wir wissen fast nichts dazu. Es kommt möglicherweise aus Nordfrankreich. Eine Signatur haben wir nicht gefunden. Der Rahmen ist von meiner Familie hinzugefügt worden. Wir wüssten einfach gerne etwas mehr darüber. Kann man es einer Epoche/Zeit/Stil zuordnen? Künstler, genauere Gegend, Motiv usw. wäre auch interessant. Also letztlich freuen wir uns auf jegliche Informationen. Vielen Dank schon einmal
Servus,
der Hut des Priesters ist typisch für Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts, der Brauch des Bettelns an Kirchentüren gehört zu allen romanischen Ländern. Auch der Hut der bürgerlich Gekleideten im Hintergrund passt gut zu Frankreich 1880 - 1900, der Schnee spricht für Nordfrankreich. Der Rahmen ist wahrscheinlich der erste, er entspricht dem Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Handwerklich hübsch gemacht, brave Komposition, der Schritt aus dem Raum in die Fläche à la mode gut gemeistert; katholischer Klerikalkitsch halt - vielleicht ein wenig erträglicher als der militaristische Heldenkitsch aus der nämlichen Epoche. Aber sicherlich nicht von irgendeinem Maler, dessen Namen heute noch bekannt wäre.
Schöne Grüße
MM
Hallo, hab das Bild in etwa schon einmal gesehen. Weiss aber nicht mehr wo.
Frag mal im Berliner Museum für Geschichte nach. Diesind sehr kompetent.
MfG
in Dutzendware??
Hallo MM!
Zustimmung zu Deinem Einwurf!
Meines Erachtens ist das durchaus dekorative Bild in seiner Zeit für das mittlere Bürgertum gemacht.
Es ist für seine Zeit sowohl in der künstlerischen Wertigkeit als auch in seinem dekorativen Zweck durchaus mit dem berühmt-berüchtigten „Röhrenden Hirsch“ bzw. der „Zigeunerin“ Mitte des 20. Jahrhunderts zu vergleichen.
Herzliche Grüße
Helmut
Hallo Helmut,
in der Dritten Republik in Frankreich hat es noch etwas weiter gehende Bedeutung: Immer, wenn Nachbars es mit einer Republik probieren, die bei ihnen ‚traditionell‘ laizistisch sein möchte, ohne das je richtig hinzukriegen - bereits der Marquis de Sade hat versucht, den Jakobinern beizubiegen, dass diese eine, letzte Anstrengung für den Bestand der Revolution nötig wäre - hämmert das Trommelfeuer der KaSAK los (‚Katholische / Evangelische Sündenabwehrkanone‘ hießen beim Afrikakorps, vermutlich auch bei den übrigen Landsern, die Feldgeistlichen - wenn ESAK oder KaSAK an der Front auftauchten, war allen klar, dass die Tommies eine große Sache vorbereiteten und es demnächst von ihnen richtig Zunder geben würde).
Das Bild ist mehr als ‚Hirsch am Bergsee‘. Ich bin mir nur nicht recht schlüssig, ob es ganz schlicht ein römisch-katholisches Agitprop-Stücklein ist, oder ob da ganz im Gegenteil eine beißende Ironie durchkommt, wie man sie bei etwa bei Courbet manchmal finden kann: Der Pfaffe gibt dem Kirchenbettler ein Almosen, stellvertretend für die Bourgeois im Hintergrund, von denen er weiß, dass sie „et vom behaalte honn“ und nie ohne Zwang einen Sou hergeben, damit diese ihr Gesicht wahren können. Diese gewagte Interpretation im Sinn des Realismus passt aber nicht gut zu der dargestellten Mimik und Gestik der Akteure.
Schöne Grüße
MM
Hallo MM!
Ich kann mir durchaus vorstellen - obwohl ich im Begreifen der Mentalität meiner Nachbarn von der anderen Rheinseite jede Menge bedauerlicher Lücken aufweise - daß deine im 2. Absatz deines Kommentars angestellte Überlegung nicht von der Hand zu weisen ist.
Französiche Kulturhandwerker werden sicherlich zu der Zeit - genau wie die im gleichen Handwerk im deutschen Sprachraum tätigen - auch den Gedanken gepflegt haben: „Satire und Ironie, wenn sie der Zensor / die Obrigkeit versteht, ist keine solche und fällt mit Recht der Schere zum Opfer.“
Herzliche Grüße
Helmut
Wenn es ein Familienstück ist, wirst Du es ja nicht einfach verscherbeln wollen. Ich würde das Bild mal aus dem Rahmen nehmen lassen und nach einer Signatur oder einem Hinweis auf der Rückseite schauen.
Udo Becker