Hat Kurz den Gordischen Knoten zerschlagen?

Hallo,
das Bündnis von Kurz und den Grünen hat überrascht.
Überraschender war jedoch, dass sich die Grünen scheinbar die Migrationspolitik -an der Kurz unverändert festhalten will- mittragen wollen und sich somit selbst zu Eigen machen.

Gleichzeitig wollen die beiden Regierungspartner konsequent gegen illegale Zuwanderung vorgehen. Die Migrationspolitik werde „ein Herzstück meiner Politik bleiben“, sagte Kurz. "Wir müssen Maßnahmen im Kampf gegen die illegale Migration setzen, um die Sicherheit in Österreich zu gewährleisten, den sozialen Frieden aufrechtzuerhalten und auch unsere österreichische Identität zu wahren.

Im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge müssten in sichere Herkunftsländer, Drittstaaten oder in sichere Transitstaaten zurückgebracht werden. Die von einigen EU-Staaten, wie etwa der deutschen Bundesregierung, angestrebte Verteilung von Geflüchteten in Europa ist nach den Worten von Kurz gescheitert: „Und daher wird es auch keine österreichische Initiative in diese Richtung geben.“ Stattdessen werde sich Österreich für sichere Außengrenzen der Europäischen Union einsetzen.

Das Regierungsprogramm sieht zudem die Einführung der umstrittenen, vorbeugenden Sicherungshaft und die Ausweitung des Kopftuchverbots auf Schulen für Mädchen bis 14 Jahren vor.

Wie sieht die grüne Wählerschaft die „Wendehalsigkeit“ der von Ihnen gewählten Partei?
Wird Kurz mit den in Richtung Mitte gerückten Grünen Erfolg beschieden sein?
Könnte es zusammen mit den FPÖ-Stimmen zu Gesetzesvorhaben sogar zu einem „breiten Bündnis“ in der Migrationsfrage kommen?

Gruß
rakete

Es ist auf Grund dieser speziellen Schwarz-(bzw. Türkis)/Grün-Koalition in Ö anzunehmen, dass es zu Situationen kommen wird, in denen Schwarze und Grüne gegeneinander stimmen werden.
Das wird wohl v.a. in Klimafragen und in Flüchtlingsfragen der Fall sein.

Für die ÖVP ist das ganz nett, denn in Flüchtlingsfragen haben sie eine FPÖ zur Hand, die sich vielleicht politisch etwas zieren wird und irgendwo Zugeständnisse fordert, die aber die ÖVP-Linie mitträgt.

Evtl. kann man sogar manche „Grausamkeiten“ der FPÖ und den Grünen in die Schuhe schieben, nach dem Argumentationsmuster: „sonst hätte die FPÖ nicht zugestimmt, und da die Grünen so naiv-idealistisch sind, haben wir die FPÖ ja gebraucht. Wenn die Grünen sich nicht so anstellen würden, wäre das alles gar nicht so hart ausgefallen. Selbst schuld, da sieht man, was man anrichtet, wenn man Grün wählt …“

Bei Klimafragen dagegen haben die Grünen niemand zur Hand, der ihnen gegen die ÖVP eine Mehrheit verschaffen könnte.

Insofern würde ich spontan sagen: Gut verhandelt, Kurzer! :wink:
(zumal die wichtigen Ministerien fast alle schwarz besetzt sind)

Wäre vielleicht spannend für die CDU, öfter mal nach Österreich zu schauen.
Ich finde solche Koalitionen an sich ganz gut, in denen man jeder Partei Kern-Entfaltungsbereiche zugesteht, statt alles dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu unterwerfen.
Gefällt mir in Partnerbeziehungen ja auch gut.

Gruß
F.

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Größtenteils pragmatisch, wie die 93% beim Bundeskongress und die Kommentare in den sozialen Medien zeigten. Die ÖVP hat fast drei Mal so viel Mandate wie die Grünen, das schlägt sich natürlich auch bei den Kompromissen nieder. Beim Thema Flüchtlinge haben sie sich ja auch an anderen Stellen durchgesetzt. So wird die Mindestsicherung wieder Länderkompetenz, es soll wieder mehr Geld für Integrationskurse (zB Deutschkurse) geben und ein Modell nach dem Vorbild von Hartz IV soll es nun auch nicht geben. Auch die Etablierung eines Qualitätsbeirats zur Sicherstellung einer unabhängigen Rechtsberatung ist den Grünen zu verdanken.

Die Grünen sind im Gegensatz zur FPÖ nicht monothematisch auf Flüchtlinge eingestellt und ist auch nicht mehr so stark in Fundis und Realos gespalten, wie das noch vor ein paar Jahren der Fall war. Die Persönlichkeit eines Koglers dürfte hier auch eine wichtige Rolle spielen.

Was die oben erwähnte Sicherungshaft angeht: Anders als in den meisten Ländern sind bei uns alle legalen Haftgründe per Verfassungsgesetz festgeschrieben. Ankündigungen der ÖVP, eine Lösung wie in anderen europäischen Ländern zu finden, sind daher nichts weiter als heiße Luft.

Imho sind beide Parteien in die Mitte gerückt, was sich im Regierungsprogramm so auch widerspiegelt. Die Chance, dass endlich mal eine Regierung die vollen 5 Jahre durchsteht, ist durchaus gegeben, da beide Seiten zeigen wollen, dass sie es ‚können‘. Vermutlich wurden die meisten Eventualitäten bei den Gesprächen durchexerziert und wenn nicht gerade ein zweites Ibizagate passiert, sollte die Regierung durchhalten können.

Die Chance, dass die Grünen zusammen mit der FPÖ ein Gesetz zur Migrationsfrage beschließen, ist denkbar gering. Die ÖVP hat sich aber im Regierungsprogramm zusichern lassen, dass sie unter bestimmten Umständen gegen die Grünen mit der FPÖ stimmen darf.

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